Читать книгу Allein am Stony Creek / Schutzlos am Red Mountain - Christopher Ross - Страница 9
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ОглавлениеEs war schon nach Mitternacht, als Julie aus einem Traum aufschreckte. Ihre Huskys heulten so laut und nervös, als wäre jemand in ihre Zwinger eingebrochen und würde sie ernsthaft bedrohen. Doch als sie sich aufsetzte und die Augen öffnete, merkte sie schnell, dass die Hunde nicht nur in ihrem Traum geheult hatten. Auch jetzt noch drangen ihre ängstlichen Laute durchs Camp.
Sie glaubte Chuck herauszuhören, der alles andere als ängstlich war, und sprang aus dem Bett. »Carol!«, weckte sie ihre Vorgesetzte, die längst zur guten Freundin geworden war. »Mit den Huskys stimmt irgendwas nicht!« Sie zog sich in Windeseile an und öffnete die Tür zum Nachbarzimmer. Carol schlüpfte bereits in ihren Anorak. »So jaulen sie nur, wenn sie Angst haben.«
Sie stürmten nach draußen und rannten zu den Hundezwingern. Die eisige Kälte raubte ihnen beinahe den Atem. Am Himmel hingen nur noch wenige Wolken, und in der Ferne flackerten Nordlichter über den Berggipfeln. Weder Julie noch Carol hatten Augen für das Naturschauspiel. Sie waren nur um die Huskys besorgt, in deren Jaulen sich nun auch wütendes Bellen mischte. Gleich darauf übertönte dröhnendes Motorengeräusch die Tierlaute. Die Motoren zweier Snowmobile.
An den Zwingern angekommen, sahen Julie und Carol gerade noch, wie die Rücklichter von zwei Snowmobilen in der Dunkelheit untertauchten. Die beiden Fahrer hoben sich dunkel gegen den Schnee ab. Sie rasten über die Park Road in Richtung Wonder Lake und lachten so laut, dass man sie über das Brummen der Motoren und das Jaulen und Bellen der Hunde hören konnte.
Julie erfasste mit einem Blick, dass sie das Gatter des Zwingerbereichs geöffnet und etliche Huskys losgebunden hatten. Auch die Gittertür der Welpen stand offen. Zu den freigelassenen Huskys gehörte Curly, der sich natürlich gleich auf Rowdy gestürzt hatte und kurz davor war, sich ernsthaft mit ihm in die Haare zu bekommen. Beide kläfften sich wütend an, als hätte man sie aufeinandergehetzt.
»Kümmere dich um die Huskys«, rief Carol ihr zu. »Ich alarmiere die anderen und fahre den beiden Jungen nach.« Auch Julie fand, dass die beiden Fahrer der Snowmobile noch recht jung geklungen hatten. Carol warf ihr einen Zündschlüssel zu. »Hier! Nimm das schwarze Snowmobil, wenn du mit den Hunden fertig bist, und fahr mir nach. Nimm dein Funkgerät mit, okay?«
Julie hatte den bellenden Curly bereits beim Halsband gepackt und schleppte ihn zu seiner Hütte zurück. »Immer mit der Ruhe, Curly«, beruhigte sie ihn, »du weckst ja das ganze Camp auf. Leg dich nicht mit Rowdy an.«
Carol rannte zum Verwaltungsgebäude hinauf, wo die Snowmobile parkten. Sie hielt ihr Funkgerät in einer Hand und sprach mit Ranger Erhart. »Zwei Jugendliche«, bestätigte sie, »könnte sein, dass sie betrunken sind.« Sie schwang sich auf eines der Snowmobile und startete den Motor. »Bin schon unterwegs, Greg. Ich nehme Julie mit. Klar, ich melde mich über Funk. Wäre nicht das erste Mal, dass ich mit solchen Burschen fertigwerde. Ich werde ziemlich böse, wenn mich jemand mitten in der Nacht aus dem Bett holt.«
Sie fuhr zur Park Road hinunter und gab Gas. »Beeil dich!«, rief sie Julie im Vorbeifahren zu.
Endlich hatte Julie alle Hunde wieder eingefangen und die Gittertür hinter den verängstigten Welpen geschlossen. »Keine Angst, Chuck«, rief sie ihrem Leithund zu, »wir fangen diese beiden Idioten und lassen sie dafür büßen.«
Sie stieg zum Verwaltungsgebäude hinauf und startete den Motor des schwarzen Snowmobils. Wie alle anderen Maschinen hatte es ein Ranger am Abend vollgetankt, so war es im Nationalpark üblich. Sie ließ den Scheinwerfer aufflammen und fuhr auf die Park Road, drehte auf und folgte Carols Spuren. Sie saß nicht zum ersten Mal auf einem Snowmobil, war schon als vierzehnjähriges Mädchen darauf gefahren und konnte beinahe so gut damit umgehen wie mit einem Hundeschlitten.
Für Notfälle hing eine Schutzbrille am Lenker, die Julie sofort überzog. Sie schützte vor allem gegen den eisigen Fahrtwind. Nach vorn gebeugt, um den aufwirbelnden Schnee nicht ins Gesicht zu bekommen, folgte sie der breiten Straße. Ziemlich dumm von den jungen Männern, über die Park Road zu fliehen, wo man sie am ehesten finden würde. Wenn sie nur ein bisschen Grips hätten, würden sie sobald wie möglich von der Straße abbiegen und sich über einen Trail davonmachen. Sie waren anscheinend wirklich betrunken.
Carol hatte ihr das schwarze Snowmobil nicht ohne Grund gegeben. Die Maschine war nur für einen Fahrer angelegt und ließ sich am leichtesten steuern. Dennoch war Julie nicht begeistert. Sie war ungern mit Snowmobilen unterwegs. Sie verursachten einen Höllenlärm, bliesen stinkenden Benzindunst in die klare Luft, und die Motoren waren so empfindlich, dass man alle paar Wochen mit einer Panne liegen blieb. Sie passten eigentlich am wenigsten in die verschneite Landschaft am Mount McKinley. Die Ranger benutzten die Fahrzeuge nur, wenn sie keine andere Wahl hatten, so wie bei diesem Einsatz. Sonst waren die meisten lieber zu Fuß, mit Skiern oder dem Hundeschlitten unterwegs, auf diese Arten hätten sie die beiden Jugendlichen jedoch nie eingeholt.
Am Savage River hatte Julie weder Carol noch die flüchtigen jungen Männer eingeholt. Sie hielt an und schaltete den Motor aus, um besser hören zu können. Nur aus weiter Ferne drang das Brummen eines Snowmobils an ihre Ohren. Oder waren es mehrere Snowmobile? Kam das Geräusch von Carol, die weiter der Park Road folgte, oder von den jungen Männern, die auf ihren Maschinen geflüchtet waren? Sie schloss die Augen und lauschte angestrengt.
Nur ein Snowmobil, entschied sie nach einer Weile. Entweder waren die Flüchtigen schon über alle Berge, oder sie hielten sich irgendwo versteckt. Sie startete erneut den Motor und fuhr weiter. Sehr zügig, um Carol so schnell wie möglich einzuholen, folgte sie der Straße weiter nach Westen. Es war bitterkalt, besonders auf den Ebenen, die nicht durch Bäume geschützt waren, und die Haut um ihre Schutzbrille war bereits taub und gefühllos. Sie zog während der Fahrt ihren Schal heraus und wickelte ihn um den Kopf.
An der Abzweigung, die sie das letzte Mal mit dem Hundeschlitten genommen hatte, bremste sie erneut. Diesmal hörte sie allerdings nur noch das Rauschen des Windes, als sie den Motor abstellte. Sie war allein. Weder die flüchtigen jungen Männer noch Carol schienen noch in der Nähe zu sein. Von den Ästen der Fichten regnete leichter Schnee auf sie herab, gab ihr das Gefühl, in einen dichten Flockenwirbel geraten zu sein. Schwaches Nordlicht flackerte am Himmel.
Julie konnte sich nicht vorstellen, dass die jungen Männer auf der Park Road geblieben waren. So dumm konnten sie nicht sein. Viel wahrscheinlicher war, dass sie die Straße irgendwo verlassen hatten und im Schutz eines Waldes warteten, bis Carol und sie die Suche aufgeben würden und die Gefahr vorüber war. Sie sahen das Versteckspiel sicher als großes Abenteuer an.
Sie zog ihr Funkgerät aus der Tasche und versuchte eine Verbindung mit Carol zu bekommen. »Carol, hier Julie. Bitte kommen.« Keine Antwort, lediglich ein atmosphärisches Rauschen, als würde sie sich in den Ausläufern des Mount McKinley aufhalten. »Carol! Wo steckst du? Hier Julie, bitte melden!« Viermal versuchte sie, ihre Vorgesetzte zu erreichen, doch die Reaktion war immer die gleiche, außer dem Rauschen war nichts zu hören. Entweder war Carol in einem Funkloch, oder sie hörte ihre Meldung nicht, weil sie mit Vollgas nach Westen fuhr, und das Motorengeräusch alles andere übertönte.
Einem Impuls folgend, den sie sich selbst nicht erklären konnte, bog Julie von der Straße ab und folgte ihren eigenen Spuren nach Südwesten. Die Spuren der beiden Snowmobile waren weder auf der Park Road noch auf dem Trail zu erkennen, dazu hatte der heftige Nachtwind den Schnee viel zu sehr aufgewirbelt Also verließ sie sich ganz allein auf ihr Bauchgefühl. Ein gefährliches Unterfangen, wie sie sich erst unterwegs eingestand, denn niemand konnte ihr sagen, ob die beiden Rowdys nicht vielleicht durchdrehten, wenn sie ihnen zu nahe kam. Ihren Revolver würde sie gegen zwei Jugendliche nicht einsetzen, den besaß sie nur, falls ihr ein verletztes oder angriffslustiges Wildtier begegnete. Was geschah, wenn die Flüchtigen sie in ihrer Panik bewusstlos schlugen und sie im Schnee liegen ließen? Was, wenn sie gleich darauf das Weite suchten? Selbst in ihrer warmen Kleidung war es gefährlich, länger auf dem vereisten Trail oder im Tiefschnee stecken zu bleiben.
Sie musste jetzt langsamer fahren, um auf dem schwierigen Untergrund nicht ins Schleudern zu geraten. Das Fahren strengte sie an, und ihr taten jetzt schon alle Muskeln weh. Auf den Kufen eines Hundeschlittens hätte sie sich wesentlich wohler gefühlt. Sie stieß auf einen abgebrochenen Ast, den der Wind auf den Trail geweht hatte, bremste gerade noch rechtzeitig, lenkte die Maschine scharf nach rechts und blieb mit den Vorderkufen im Tiefschnee stecken. Der Motor heulte auf und verstummte abrupt. Sie fluchte wütend.
Es kostete sie einige Anstrengung, das Snowmobil aus dem Schnee zu ziehen und an dem Hindernis vorbeizufahren. Sie blieb am Flussufer, das zu schmal für einen Hundeschlitten, aber ideal für ein Snowmobil war, und trat verwundert auf die Bremse, als sie die Abzweigung zu einem Trail erreichte. Die Ranger benutzten den schmalen Pfad, der in steilen Serpentinen durch die Ausläufer der Berge und über einige steile Hänge führte, höchst selten, besonders im Winter, wenn man auf den vereisten Hügelkämmen leicht abrutschen konnte.
Zwei breite Snowmobil-Spuren bogen auf den Trail ab und folgten ihm nach Nordwesten. In dem tiefen Schnee, den man durchqueren musste, um auf den Pfad zu kommen, waren sie deutlich zu sehen. Ihr Bauchgefühl hatte sie nicht betrogen. Die jungen Männer hatten die Abzweigung genommen und hielten sich mit ihren Snowmobilen irgendwo in den Felsen versteckt.
Sie versuchte erneut, Carol über Funk zu erreichen, hatte jedoch wieder kein Glück. Das Funkgerät blieb stumm. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als allein weiterzufahren oder umzukehren. »Geh kein unnötiges Risiko ein«, hatte man ihr während der vergangenen Monate ständig eingeschärft. »Keine Alleingänge! Kein falsches Heldentum!« Ein unabwägbares Risiko ging ein Ranger nur im Kino und im Fernsehen ein. Im wirklichen Leben näherte man sich einer Gefahr stets zu zweit, um zur Not eine Rückendeckung zu haben.
Sie blieb abwartend auf ihrem Snowmobil sitzen und überlegte, ob sie es wagen sollte, allein weiterzufahren, als ein dumpfes Dröhnen die Luft erzittern ließ. Ein Geräusch, das ihr nur zu vertraut war: eine Lawine. Irgendwo hatte sich eine Schneewand gelöst und rauschte ins Tal hinab. Ein verzweifelter Schrei mischte sich in das Tosen. Er kam aus Nordwesten, aus der Richtung, in der sie die flüchtigen Männer vermutete. Sie waren in höchster Gefahr.
Jetzt brauchte sie nicht länger nachzudenken. Ohne zu zögern, gab sie Gas und trieb die Maschine durch den Tiefschnee auf den Pfad. Schwankend wie ein Ruderboot, das in starken Wellengang geraten war, bewegte sie sich vorwärts, bis sie endlich den vereisten Schnee auf einem ansteigenden Hügelkamm unter das Förderband bekam und ungehindert weiterfahren konnte.
Die Beine lose herabhängend, um sich sofort abstützen zu können, wenn sich die Maschine zur Seite neigte, kämpfte sie sich den steilen Hügel hinauf. Auf dem vereisten Schnee waren die Spuren nicht mehr ganz so deutlich zu sehen, aber sie waren da, und es gab keinen Zweifel, dass die jungen Männer diesen Weg genommen hatten. Julies Snowmobil geriet ins Schleudern, fiel nach links, doch sie schaffte es mit einer hastigen Gewichtsverlagerung, die Maschine nach rechts zu lenken und weiter über den Hügelkamm zu jagen.
Das Dröhnen war verstummt, aber wieder zerriss ein Schrei die nächtliche Stille, diesmal näher und noch dringlicher. Wer immer geschrien hatte, konnte keine halbe Meile mehr entfernt sein. Ein verzweifelter Hilfeschrei, daran bestand kein Zweifel, als befände sich jemand in höchster Gefahr. Einer der beiden jungen Männer, wer sonst. Aber wo war der andere?
Sie versuchte noch mehr Gas zu geben, doch die Maschine fuhr bereits mit Vollgas. Die Lichtkegel des Doppelscheinwerfers zitterten über den Schnee. Sie vermischten sich mit den bunten Schleiern des Nordlichts, das immer noch am Himmel brannte. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren. So schrie nur ein Mensch in absoluter Todesangst, und Julie beschlich das Gefühl, dass es zu spät sein konnte, wenn sie ihn nicht innerhalb der nächsten Sekunden erreichte.
Sie brachte die Steigung hinter sich und trat vor Schreck auf die Bremse, als sie erkannte, was die Natur in unmittelbarer Nähe angerichtet hatte. Von dem steilen Hang, der sich unterhalb zerklüfteter Felsen entlangzog, hatte sich ein Schneebrett gelöst und war in einer breiten Lawine zu Tal gerauscht. Im trüben Licht des halben Mondes und der Sterne erkannte sie eine aufgewühlte Schneewüste, als hätte sich ein gewaltiger Riese mit einer Schaufel im Schnee zu schaffen gemacht und alles darunter begraben, was ihm im Weg gestanden hatte. Das Nordlicht war erloschen, und nur das Scheinwerferlicht ihres Snowmobils vermischte sich mit dem natürlichen Licht des Himmels. Für einen Augenblick war es so friedlich in dem abgeschiedenen Tal, als wäre noch niemals ein Mensch hier gewesen.
Doch die Stille täuschte, und als sich Julie von ihrem ersten Schrecken erholt hatte, erkannte sie weit unterhalb des Trails eine dunkle Gestalt, die sich teilweise auf allen vieren durch den Schnee bewegte. Es war einer der jungen Männer, der nun verzweifelt aufschrie, nach vorn fiel und im Schnee grub. Schluchzend kam er wieder auf die Beine und rief etwas, das Julie nicht verstand. Er hatte sie noch nicht gesehen, war anscheinend viel zu benommen, um etwas zu erkennen oder den Motor ihres Snowmobils zu hören.
Julie ließ den Motor des Snowmobils absaufen und stieg in das Tal hinab. Mit weiten Schritten und alle paar Meter bis zur Hüfte einsinkend stolperte und fiel sie nach unten, begleitet von klebrigem Schnee, der sich immer wieder löste und mit ihr nach unten glitt, bis sie die Gestalt erreichte und beinahe den jungen Mann über den Haufen rannte. Sie blieb schwankend stehen.
»Andy!«, rief sie überrascht. »Andy Cole!« Der junge Mann aus Cantwell, der erst vor zwei Wochen mit einem Kumpel und Snowmobilen im Park gewesen war und sich mit Shorty angelegt hatte. Er stank nach Alkohol und schluchzte hemmungslos. Mit ausgestrecktem Arm deutete er unentwegt auf die Schneemassen, die sich vor ihm im Mondlicht ausbreiteten. »Er ist dadrin«, rief er weinend, »er liegt unter dem Schnee. Wir … wir müssen ihn da … da rausholen!«
»Wo, Andy? Wo liegt dein Freund?«
»Da.« Er deutete nach vorn, stapfte durch den Schnee und fiel der Länge nach hin. Mit dem Schnee im Gesicht war er kaum zu verstehen. »Da vorn!«
Julie wusste, dass sie nur geringe Chancen hatte, den Freund des jungen Mannes zu finden. Er konnte überall unter dem Schnee liegen, und sie hatte weder eine Schaufel noch einen Suchhund dabei. Mit ihren Huskys hätte es vielleicht noch Hoffnung gegeben. Chuck war ein intelligenter Hund, der es auch verstand, in einem tobenden Blizzard einen verlorenen Trail zu finden. Er hätte den verschütteten Jungen vielleicht gewittert. Ohne ihn bestand kaum eine Chance. Nur wenn Gott einen guten Tag hatte, dachte sie, würde sie an der richtigen Stelle graben und der junge Mann überleben. Vorausgesetzt, er lag in einer Luftblase und war nicht längst erstickt.
Sie zögerte nicht länger und begann zu graben. Mit beiden Händen schaufelte sie den Schnee zur Seite. Auf Andy brauchte sie nicht zu zählen, er war viel zu betrunken, um ihr helfen zu können. Sie stieß auf keinen Widerstand, lief ein paar Schritte und grub erneut. Ihre Schutzbrille hing ihr um den Hals und schaukelte im Rhythmus mit. Wieder nichts. Eine andere Stelle, ein neuer Versuch. Sie grub, bis ihre Hände klamm vor Kälte waren, obwohl sie dicke Handschuhe trug. Tränen der Verzweiflung rannen über ihr Gesicht.
Gerade als der Motor eines weiteren Snowmobils über ihr aufheulte, bekam sie die Skier der verschütteten Maschine zu fassen. Der Fahrer konnte nicht weit sein. Sie grub weiter, schaufelte den Schnee mit beiden Händen aus der Senke und blickte überrascht auf, als Carol von oben rief: »Julie! Ich werfe dir einen Spaten runter!« Sie hatte sofort erkannt, dass sie nach einem Verschütteten suchte. Durch Carols gezielten Wurf landete der Spaten etwas abseits von Julie im Schnee. Sie machte sich an die Arbeit und sah nicht, wie Carol einen zweiten Klappspaten aus einer Satteltasche nahm und zu ihr herunterstieg.
Mit dem Spaten ließ es sich wesentlich leichter arbeiten, und tatsächlich hatten sie und der junge Mann unglaubliches Glück. Schon nach wenigen Minuten stieß sie auf einen Körper, und gemeinsam mit Carol grub sie ihn aus dem Schnee. Als sie das Gesicht des Verschütteten säuberte, hielt sie entsetzt inne. »Josh! Das ist Josh!«
Carol fühlte den Puls des jungen Mannes und brauchte nicht einmal Mund-zu-Mund-Beatmung, um ihn ins Leben zurückzuholen. Wie sich später herausstellte, hatte er tatsächlich in einer Luftblase gelegen und war ohne bleibende Schäden davongekommen. Auch er war leicht betrunken, zumindest angeheitert, und schien gar nicht so richtig wahrzunehmen, was um ihn herum vor sich ging. »Julie!«, flüsterte er nur. »Verdammt, Julie! Ich hab Scheiße gebaut.«
»Das haben Sie tatsächlich«, bestätigte Carol, als sie den immer noch benommenen Josh zum Trail hinaufschleppten. Ein hartes Stück Arbeit, wie sich herausstellte, denn Andy machte keine Anstalten, sich aufzuraffen, und blieb wie ein Buddha im Schnee sitzen, bis ihn Julie und Carol holten. Oben angekommen, wickelten sie die beiden in alle Decken, die sie dabeihatten. Zu Julies Überraschung holte Carol ihren Revolver aus der Anoraktasche und schoss einmal in die Luft. »Ein Feuer anzuzünden, würde zu lange dauern«, erklärte die Rangerin grinsend. »Ranger Erhart weiß Bescheid. Ich hab ihn aus dem Bett gejagt, als ich losfuhr. Er kann nicht weit sein.« Sie blickte auf die Jungen, die benommen auf den Snowmobilen saßen und keine Ahnung zu haben schienen, was vor sich ging. »Josh! Ausgerechnet Josh!«
Julie wollte etwas antworten, wusste aber nicht, was sie sagen sollte, und war froh, dass Ranger Erhart in diesem Augenblick über den Hügelkamm gefahren kam. An seinem Snowmobil hing ein Schlitten. »Sieh an«, sagte er, als er die beiden Jungen erkannte, »die üblichen Verdächtigen. Und dann noch voll wie die Haubitzen. Ich schätze, das wird sie teuer zu stehen kommen.«