Читать книгу Vom höchsten Gut und vom größten Übel - Cicero, Georg Heinrich Moser - Страница 24
Kapitel XXI.
Оглавление§ 71. Wenn somit das, was ich gesagt, heller und klarer ist als die Sonne; wenn ich Alles als aus dem Quell der Natur geschöpft dargelegt habe; wenn meine ganze Rede ihre Bestätigung durch die Sinne, als den unbestochenen und wahrhaften Zeugen, erhält; wenn die kleinen Kinder, ja selbst die stummen Thiere es unter Führung ihrer Lehrerin Natur beinahe aussprechen, dass nur die Lust glücklich mache und nur der Schmerz hart sei, und dieses ihr Urtheil weder verderbt noch bestochen ist, sollte man da dem Manne nicht Dank wissen, der diese Stimme der Natur gleichsam vernommen und so fest und ernst zusammengestellt hat, dass damit jeder Mensch mit gesunden Sinnen auf den Weg eines besänftigten, ruhigen, gelassenen, glücklichen Lebens gelangen kann? Und wenn Du Epikur für wenig gelehrt hältst, so kommt es nur davon, dass ihm blos das als Gelehrsamkeit galt, was die Einrichtung des glücklichen Lebens fördert.
§ 72. Sollte er etwa seine Zeit im Lesen der Dichter verbringen, wie ich und Triarius auf Deine Ermahnung thun, in denen nichts wahrhaft Nützliches, sondern nur ein kindisches Vergnügen zu finden ist; oder sollte er sich wie Plato in der Erforschung der Musik, der Geometrie, der Zahlen und Gestirne aufreiben, die von falschen Anfängen ausgehn und deshalb nicht wahr sein können, und wenn sie es auch wären, doch zum angenehmeren, d.h. zum besseren Leben nichts beitragen würden; sollte er also diese Künste treiben und dafür jene grosse und mühsame, aber auch fruchtbringende Kunst des Lebens aufgeben? Sicherlich ist Epikur kein Ungelehrter, sondern jene sind es, welche meinen, dass sie das, was sie als Knaben schmählicher Weise zu lernen versäumt haben, bis zu ihrem Greisenalter nachzuholen haben. – Torquatus schloss hier seine Rede mit den Worten: Ich habe meine Ansichten auseinandergesetzt, und zwar, um Dein Urtheil hierüber zu erfahren. Bisher hatte sich mir die Gelegenheit, dies ganz nach meinem Ermessen zu thun, niemals geboten.