Читать книгу Vom höchsten Gut und vom größten Übel - Cicero, Georg Heinrich Moser - Страница 32
Kapitel VIII.
Оглавление§ 23. Was soll es also bedeuten, wenn Epikur sagt: »Ich wüsste nicht, was ich an ihnen tadeln sollte, sobald sie in ihren Begierden sich mässigen.« Das heisst doch so viel als: Ich will die Unmässigen nicht tadeln, wenn sie nicht unmässig sind. Auf diese Weise könnte er auch die Schlechten nicht tadeln, sobald sie nur gute Menschen sind. Dieser strenge Mann hält also die Schwelgerei an sich nicht für tadelnswerth, und er hat wahrhaftig Recht, mein Torquatus, wenn die Lust das höchste Gut ist. Denn ich mag mir die Schwelger nicht so vorstellen, wie Ihr es zu thun pflegt; nicht als Leute, die auf den Tisch speien, die von den Gastmahlen weggetragen werden müssen und, noch krank, des andern Tages sich wieder vollsaufen; die, wie man sagt, die Sonne weder jemals auf- noch untergehen gesehen haben, und die darben, nachdem sie ihr Vermögen verprasst haben. Von dieser Art Schwelger nimmt Keiner von uns an, dass sie angenehm leben. Aber jene Feinen und Zierlichen, mit den besten Köchen und Bäckern, mit ihrem Fisch- und Vogelfang und ihrer Jagd, Alles in der ausgesuchtesten Art, welche die Ueberladung vermeiden, denen, wie Lucilius sagt, »Wein aus goldnen Schalen fliesst«:
»Dem nichts entzogen der Heber oder die Hand,
Und dem der Seiher die Herbigkeit wegnahm«;
welche die Spiele und alle jene Dinge benutzen, bei deren Mangel Epikur klagt, kein weiteres Gut zu kennen; sie sollen auch schöne Knaben haben, welche sie bedienen, und alledem soll die Kleidung, das Silbergeräthe, die korinthischen Gefässe, der Ort selbst und das Haus entsprechen; von diesen Schwelgern möchte ich nie anerkennen, dass sie gut und glücklich leben.
§ 24. Daraus folgt, nicht dass die Lust keine Lust sei, sondern dass die Lust nicht das höchste Gut ist. Auch jener Lälius, der als Jüngling den Stoiker Diogenes und später den Panätius gehört hatte, ist nicht deshalb ein Weiser genannt worden, weil er nicht gewusst hätte, was gut schmeckt; denn es folgt nicht, dass, wo das Herz was taugt, der Geschmack nichts tauge, sondern weil er es geringschätzte.
»O Sauerampfer, rühme Dich, denn man kennt Dich nicht genug.
Lälius, der Weise, pflegte Dich rühmend zu essen,
Während er auf unsre Schlemmer der Reihe nach schalt.«
Wie schön und wahr sagt Lälius, mit Recht der Weise genannt:
»O Publius Gallonius, Du Säufer, wie elend bist Du;
Nie hast Du in Deinem Leben gut gespeist, da Du Alles
Verprassest in köstlichen Krebsen und mächtigen Stören.«
Dies spricht der Mann, welcher auf die Lust nichts gab und bestritt, dass Derjenige gut speise, dem nur die Lust das Höchste sei. Aber dabei behauptete er nicht, dass Gallonius nicht gern gegessen, denn dies hätte er lügen müssen, sondern nur nicht gut. So streng und scharf schied er die Lust vom Guten. Hieraus folgt, dass Alle, welche gut essen, auch gern essen, aber nicht, dass Alle, die gern essen, auch gut essen. Lälius ass immer gut.
§ 25. Was heisst gut? Läcilius mag es sagen:
»Gekocht und gewürzt.«
Aber nenne die Hauptsache bei der Mahlzeit:
»Ein verständig Gespräch.«
Was hat man davon?
»Willst Du es wissen? das Vergnügen«
Denn er kam zur Mahlzeit, um mit ruhigem Gemüth die Bedürfnisse der Natur zu befriedigen. Er bestreitet deshalb mit Recht, dass Gallonius je gut gespeist habe; mit Recht nennt er ihn elend, weil er sein ganzes Streben darauf richtete. Niemand wird von ihm leugnen, dass er gern gegessen; warum also nicht gut? Weil das »gut« das Rechte, das Mässige, das Anständige ist, und weil Jener schlecht, unanständig, schändlich und hässlich speiste und deshalb nicht gut. Auch stellte Lälius den feinen Geschmack des Sauerampfers nicht über den des Stör von Gallonius, aber der feine Geschmack selbst war ihm gleichgültig, und dies wäre nicht gewesen, wenn er das höchste Gut in die Lust gesetzt hätte.