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ОглавлениеÜber den Rhein wehen laue Lüfte, der Ehrenbreitstein glänzt goldgelb im Sonnenschein. In den Wällen am Asterstein und drüben an der Karthause blühen die Veilchen, blau, massenhaft; der süsse Geruch steigt der Schildwache, die droben dröhnend auf und ab schreitet, in die Nase. Der Gewehrlauf blitzt in der hellen Luft. Wohin der Blick schweift, alles klar, heiter, freundlich. Der graue Klumpen der inneren Stadt mit den schwarzblauen Schiefertürmen, die Firmung, der Markt, die Löhrstrasse, der Entenpfuhl — alles sieht verklärt aus. Und draussen um die Villen im Glacis blühen schon Pfirsichbäume, und die Stachelbeerbüsche umspinnen sich mit erstem Grün. In den Rheinanlagen flöten die Amseln. Wer eine neue Toilette hat, führt sie spazieren. Frühlingszauber — Osterglocken.
Fräulein Aurora Planke sass in ihrer Jungfernwohnung, herb blickend, süss säuerlich wie ein Einmachetopf Essigpflaumen. Es war wunderhübsch still und ruhig um sie, die Stube so aufgeräumt und sauber, der Gedanke an Staub schon Blasphemie. Man sah, hier trippelten keine Kinderfüsse, auch kein Zigarrenrauch vergraute die weissen Mullgardinen. Alles tadellos.
Tadellos auch die herbe Jungfrau im schwarzen Wollkleid mit dem blendend weissen Umschlagkrägelchen und den weissen Manschetten. Wie Pythia auf dem Dreifuss sass sie auf dem gestickten Sessel vor ihrem Nähtisch; hinter sich hatte sie eine Efeuwand, aber der Efeu war künstlich — vor sich ein Vogelbauer, aber das gelbe Tierchen darin war ausgestopft. Bewahre, nur kein lebendiges, das warf ja Schmutz durch die Stäbe!
Auf Fräulein Auroras hoher Stirn lagerte eine Wolke des Unmuts. Heute war Agnes Röders Hochzeit — sie lauschte.
„Wenn er nicht bald kommt, muss ich weg; die Oberkonsistorialrätin hat mir ihren Kirchenstuhl offeriert. Schon spät!“ Sie lauschte wieder, unruhig, gespannt. — Da — draussen klingelte es endlich, ein ungeschickter Tritt stolperte über den Flur. Jetzt klopfte es.
„Herein!“ flötete Aurora, ihre Stimme hatte etwas Holdseliges.
Die Tür ging auf, über die Schwelle schob sich linkisch ein junger Mensch. Der Rock war fadenscheinig, um das blasse jugendliche Gesicht hing das semmelblonde Haar lang und straff, sanft in der Mitte gescheitelt. Er wagte nicht die Augen aufzuschlagen. Man witterte den Pfarramtskandidaten in spe auf zwanzig Schritt.
Fräulein Aurora streckte die Hand aus und lächelte.
„Nun, lieber Heinrich?!“
Er wagte es, nach einem tiefen Diener, stotternd die Hand zu fassen.
„Ich — ich wollte — mir erlauben — meiner hochverehrten Gönnerin — ein gesegnetes Osterfest zu wünschen!“
„Danke, danke! Nehmen Sie Platz! Wo waren Sie denn so lange?“ Es lag ein sanfter Vorwurf in den Worten. „Ich habe Sie längst erwartet. Nun ruft mich leider die Pflicht zur Kirche, eine frühere Schülerin von mir macht heute Hochzeit; viel zu jung, viel zu jung! Bei diesen Kinderehen, was kommt da heraus? Überhaupt, wie ich darüber denke!“ Sie zuckte die mageren Schultern und drehte die Augen gen Himmel. „Freilich, es gibt Ausnahmen,“ setzte sie einlenkend hinzu und strich dem jungen Menschen die Haare aus der Stirn, „aber selten, höchst selten! Lieber Heinrich, kommen Sie heut abend wieder und trinken Sie den Tee bei mir; es ruht sich gut nach stürmischem Tag im wohlumfriedeten Hafen.“ Sie seufzte.
Der junge Mensch sah sie verwundert mit den runden blassblauen Augen an, ein gutmütiges Lächeln zog ihm übers Gesicht. Was seine hochverehrte Gönnerin nur meinte? Der Tag war doch nicht stürmisch, im Gegenteil herrlich schön, und ein Spaziergang mit den andern Seminaristen, nebst anschliessendem Tänzchen in Capellen, wäre eigentlich der Teestunde bei Fräulein Aurora Planke vorzuziehen gewesen. Aber Fräulein Planke zahlte seine Studiengelder. Sie gewährte ihm Mittel für Wohnung und Kleidung, sie hielt ihre Hand schützend über den Elternlosen; war die Hand auch knochig, es war doch immerhin eine Hand. Er unterdrückte den Seufzer, der in ihm aufsteigen wollte.
„Lieber Heinrich,“ flötete Aurora und zog aus ihrer Tasche ein kleines Päckchen, „hier, nehmen Sie, das hat der Osterhase für Sie gebracht!“ Er fühlte zwischen seinen Fingern ein paar harte, in Papier gewickelte Taler. „Nun, was meinen Sie, wird es reichen, um sich dann und wann ein kleines Extravergnügen zu gestatten? Wohlverstanden, im höheren sittlichen Sinne!“
„O Sie sind sehr gütig!“
Der blasse Mensch rutschte vor Verlegenheit auf dem Stuhl hin und her; man sah’s ihm an, er war sich unklar, sollte er Auroras Hand an die Lippen drücken oder nicht. Die knochige Rechte näherte sich immer mehr seinem Munde, sie kam nah, ganz nah — jetzt — er wurde dunkelrot, mit einem plötzlichen Entschluss ergriff er sie und schüttelte sie herzhaft.
„Wenn das meine Mutter wüsste, wie gut Sie zu mir sind, Fräulein Planke! Ich danke, ich danke. Sie tun so viel an mir, mehr als die eigenen Verwandten, und sind doch nur meiner seligen Mutter Jugendfreundin. Sie sind selbst wie meine Mutter!“
Er schluckte ganz gerührt, und seine kurzsichtigen Augen zwinkerten.
Aurora zuckte zusammen, als habe sie jemand auf ein schmerzendes Hühnerauge getreten.
„Schwester, Schwester — sagen Sie Schwester, lieber Heinrich! Mein Gott, wenn ich so zurückdenke, ich war noch ein kleines Mädchen, als Ihre Mutter schon heiratete! Sie war mindestens zehn Jahre älter als ich — aber die Neigung, die gleicht den Unterschied der Jahre aus. Ich fühle mich Ihnen wie eine Schwester, mein lieber Heinrich!“
Nun drückte sich die knochige Rechte wirklich an seinen Mund. Fräulein Aurora seufzte. So blieben sie regungslos eine ganze Weile, während heller Frühlingsschein von draussen hereinflutete, die scharfen Züge der höheren Schulvorsteherin noch schärfer erscheinen liess und unbarmherzig die Krähenfüsse um Mund und Augenwinkel beleuchtete. Der liebe Heinrich wagte nicht sich zu rühren, da — ein Glockenton von fern! Fräulein Aurora erwachte wie aus einem Traum.
„Sie läuten schon, wie ärgerlich! Ich darf nicht fehlen, ich muss eilen. Bitte, lieber Heinrich, helfen Sie mir in die Mantille! Also auf Wiedersehen heute abend; nicht zu spät, lieber Heinrich! Ich erwarte Sie so früh wie möglich — auf Wiedersehn, lieber Heinrich!“ — — —
Agnes Röder war katholisch, Leutnant von Osten protestantisch. Aber was macht der Unterschied der Religion bei zwei liebenden Herzen?! Ohne Zögern hatte Agnes gleich eingewilligt, sich in der protestantischen Kirche trauen zu lassen; den Eltern war es schwerer geworden, aber sie gaben nach. Die Ostens waren altpreussischer Adel, und die Stellung des Bräutigams erheischte Rücksichten. Mit verweinten Augen und hochrotem Kopf war Mama Röder mehr als einmal aus der Messe nach Hause gekommen. Auch sah man den Kaplan Dengler von der Florinskirche öfter die Freitreppe des Röderschen Hauses hinaufschreiten; seine dünne schwarze Gestalt schob sich wie ein Schatten vor die leuchtende Freiherrnkrone des Ostenschen Wappens. Aber umsonst waren die Tränen der geängstigten Katholikin, die Ermahnungen des Geistlichen, errötend und lächelnd hatte Agnes erklärt: „Was mein geliebter Carlo will, ist auch mein Wunsch!“ Und auf die peinliche Frage: „Welcher Religion sollen deine Kinder sein?“ hatte sie, noch tiefer errötend, ebenso lächelnd erwidert: „Carlos natürlich!“
Leutnant von Osten hatte sich entzückt den Schnurrbart gestrichen: wirklich pyramidales Glück! Seine kleine Braut war ein Ideal. Sie war ordentlich poetisch, als sie, sich an ihn lehnend, verschämt flüsterte:
„Mein Carlo! Wo du hingehst, will ich auch hingehen. Dein Volk ist mein Volk, dein Gott mein Gott!“
Sie hatten sich dann zärtlich in die Augen geblickt und lange die Hände gehalten. Das war ein Glück!
Mama Röder vergass ihren geistlichen Berater und ihre Gewissenspein, Papa Röder schmunzelte über das ganze behäbige Gesicht: einen Freiherrn zum Schwiegersohn, schön, jung, reich, das waren Aussichten! Und Gott sei Dank, man hatte die Gewissheit, die Tochter nicht des Geldes wegen geheiratet zu sehen!
So war der grosse Tag endlich herangekommen, der Himmel wolkenlos, strahlend blau. In die Schlosskirche strömte es. Feiertag, schönes Wetter, die bequeme Stunde: zwei Uhr — und dann, was würde es zu sehen geben! Blumen, Toiletten, Luxus, Glanz.
Die ganze Mädchenwelt der höheren Kreise war eingeladen. Anselma von Koch, Lena Röhling, Milchen und Tonchen Zänglein, noch ein paar flotte Offizierstöchter und zwei steinreiche Cousinen Röder waren Brautjungfern; sie würden sich ausgezeichnet neben den sporenklirrenden eleganten Kavalieren ausnehmen. Viele Hoffnungen waren in die funkelnagelneuen Hochzeitstoiletten hineinphantasiert worden; sollten die sich erfüllen, gab’s mindestens ebensoviel neue Hochzeiten binnen nächstem, als Brautführerpaare da waren.
‚Wenn die Hoffnung nicht wär’, wenn die Hoffnung nicht war’‘! Ganz recht, nur dass die Hoffnungen verschieden aussehen. Hier wickelten sie sich alle in lange weisse Schleier und trugen Myrtenkränze
*
Nelda Dallmer hatte auch Hoffnungen.
Zwei Monate waren verstrichen seit jenem Abend bei Xylanders, an dem Leutnant von Ramer ihr beim Nachhausegehen so energisch die Aussichtslosigkeit seiner Zukunft vordemonstriert hatte. Sie hatten sich seitdem oft und viel getroffen — war es Zufall, war es Absicht? In einer kleinen Stadt stossen die Leute leicht aufeinander, wenn sie sich nicht gerade absichtlich aus dem Wege gehen; und das taten die beiden nicht.
Mit den linderen Lüften erwachte die Lust zum Spazierengehen. Ramer schritt öfters am Dallmerschen Hause vorüber ins Freie; und an besonders schönen Tagen machte der Regierungsrat, auf den Arm seiner Tochter gestützt, eine Promenade die Chaussee weiter hinaus. Das erste Mal, als sie sich begegneten, schritten sie stumm grüssend an einander vorbei. Das zweite Mal trafen sie sich in einem kleinen Seitentälchen des Rheins unter eben knospenden Büschen, da blieben sie stehen.
Der Pfad war schmal, ein Ausweichen nicht möglich; Nelda machte die Herren miteinander bekannt, man merkte ihr die Lust an, mit der sie es tat. Ihre Augen strahlten vor Freude auf. Wie sie in dem einfachen Kleid dastand, die ersten bescheidnen Frühlingsblumen in der Hand, frisches gesundes Rot auf den Wangen, erschien sie dem Manne begehrenswert. Nicht zum Besitzenmüssen, nicht zum Erkämpfen allem zum Trotz — nein, zum Daranfreuen, zum angenehmen, erquickenden Gruss an jedem Tag.
‚Und warum soll ich nicht?‘ dachte Ferdinand von Ramer. ‚Soll ich mir selbst diese unschuldige Freude versagen? Sie kennt ja meine Aussichten, und sie ist ein vernünftiges Mädchen!‘
Dallmers machten nicht im geringsten ein Haus, des Regierungsrats Kränklichkeit entschuldigte das. Zu vermeiden war’s aber nicht, dass Leutnant von Ramer eines Tages Besuch machte, lediglich um sich nach dem Befinden des Hausherrn zu erkundigen; er hatte diesen während mehrerer Tage auf dem Spaziergang vermisst.
„O, nur eine leichte Grippe, eine ganz leichte Grippe,“ hüstelte Dallmer.
Sie sassen in der Studierstube, oben im ersten Stock; trotz der leichten Dämmerung fielen dem Besucher die hektische Röte, die glänzenden Augen des Rats auf. Sie unterhielten sich gut miteinander, Politik bildete das Hauptgespräch. Ramer hatte für einen Offizier ein ziemlich klares Urteil, wie es den Menschen eigen ist, die nicht als Herdentier, sondern ein wenig abseits, für sich allein leben. Dallmer freute sich, das Echo seiner Gesinnung zu finden. Die brennendsten Tagesfragen, die Stichworte flogen hin und her. Derweilen lehnte Nelda am Fenster. Sie hatte sich zurückgezogen. Es war kein Gespräch für ein junges Mädchen — mit zwanzig Jahren lassen die Fragen der Politik recht kühl — aber sie neigte doch den Kopf vor und liess kein Wort ungehört vorüberstreifen. Mochte Deutschland untergehn, alles über den Haufen fallen — in diesem Augenblick wäre es ihr nichts gewesen. Wenn er nur da sass, gegenüber dem Vater, und ein so angeregtes, heitres Gesicht machte wie sonst nie!
„Ein sehr netter Mensch,“ sagte Regierungsrat Dallmer zu seiner Frau, als diese zwei Stunden später aus ihrem Bostonkränzchen nach Hause kam.
„Mein Gott, was will der hier?!“
„Aber Lorchen, muss er denn gleich was wollen? Ich habe mich vorzüglich mit ihm unterhalten; er hat eine selbständige Meinung und vertritt sie auch, das ist etwas wert in der Welt.“
„Ja, Papa, wenn der Leithammel ‚Bäh‘ schreit, schreien sie sonst auch alle ‚Bäh‘!“ Nelda war ganz übermütig und lachte ausgelassen.
„Nelda, Nelda!“ Frau Rätin setzte sofort im Klageton ein. „Diese entsetzliche Ausdrucksweise! Hörst du so etwas von einer deiner Altersgenossinnen? Ich hatte schon gehofft, du liessest es jetzt, du warst in letzter Zeit etwas weiblicher.
„Geh jetzt mal gleich hinunter und sieh, was die Laura tut. — Und ich sage dir, Dallmer, mir ist das gar nicht angenehm, dass der Leutnant hier Besuch gemacht hat — wozu?! Du sitzest immer in deiner Stube bei den Akten, du siehst von Gott und der Welt nichts, du solltest aber mal im Kaffee hören! Ein junger Mann macht unaufgefordert in einer Familie Besuch, wo ein junges Mädchen ist, ohne dass er Absichten hat! Und er hat ja nichts, rein nichts! Die Schmidt sagt, für die geisteskranke Mutter in Endenich bezahlen die Verwandten. Was das kosten mag! Und die Zänglein sagt — — na!“ Sie schüttelte den Kopf und hob das spitze Näschen in die Luft, als wittre sie Unheil; ihre Stimme erhielt den tragischen Ton einer Sibylle: „Ich sage dir, Dallmer, mir ist es sehr unangenehm — und nicht mal einen anständigen Namen! O — o! Könnte es nun nicht anders sein?! Nie etwas Angenehmes!“
„Nun höre aber auf, Lorchen,“ sagte der Regierungsrat fast gereizt, „das sind die reinen Hirngespinste. Davon kann ja gar keine Rede sein, dazu ist der Mensch viel zu verständig und Nelda auch!
Viel zu verständig —?! Nelda liess die Tür hinter sich zuklappen — sie hatte bis dahin lauschend auf der Schwelle gestanden — es gab ihr einen Stich durchs Herz. Aber als sie die Treppe hinunterschritt, warf sie trotzig den Kopf in den Nacken.
„Warum denn nicht? Nun gerade!“
Dachte Nelda Dallmer noch an jenes ‚viel zu verständig‘, als jetzt Orgelklänge sie umbrausten und sie, als erste der Brautjungfern, dicht am Altar hinter der Freundin stand?! Die Leute waren erstaunt über ihr Erscheinen; man hatte eigentlich gar nicht an Nelda Dallmer gedacht.
Durch die bunten Kirchenfenster flutete ein warmer Lichtstrom. Er tänzelte über die teppichbelegten Quadrate des Steinbodens, über die hohen Lorbeer- und Myrtenbüsche, über die Blumensträusse in den Händen der jungen Damen, über die leuchtende Glatze des hochwürdigen Oberkonsistorialrats Zänglein und über den weissen Schleier der Braut. Der warme Strahl legte sich auf Nelda Dallmers Haar, dass es goldig glänzte.
‚Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Buch Ruth, Kapitel I, Vers 17.‘
Das war der Trautext, die junge Braut hatte ihn selbst gewählt. Schauer auf Schauer überlief Neldas Rücken; sie hörte nicht den salbungsvollen Ton, nicht die blühenden Floskeln des Kanzelredners, vor ihre Augen trat die Gestalt der treuen Moabitin, greifbar, lebendig. Die biblische Landschaft verwandelte sich in wohlbekannte Gefilde, der Rhein floss, die Häuser lagen diesseits und jenseits. Die Moabitin verschwand — es war die eigne Gestalt, die dort wanderte. Sie sah sich selbst, Nelda Dallmer, im schlichtesten Kleid — Menschen hasteten vorüber ohne Gruss — sie ging mit zuversichtlichem Schritt, sie lächelte. Und neben ihr wanderte einer — sie ergriff seine Hand, sie sah ihn an mit dem Blick höchster Liebe: „Wo du hingehst, will ich auch hingehen; wo du bleibst, bleibe ich auch!“ — — —
„Und so tretet nun hinaus ins Leben, ihr Neuvermählten!“ schloss eben Oberkonsistorialrat Zänglein. „Tritt hinaus, du holdselige Braut, an der Seite des Erwählten, des herrlichen Gatten! Tretet hinaus in den blühenden Paradiesgarten, den Gott der Allmächtige für euch geschaffen hat! Ihr werdet darinnen wandeln, Hand in Hand, rein wie die Engel. Eure Liebe wird sein wie der köstliche Demant, der, je mehr man ihn schleift, in desto wunderbareren Strahlen spielt. Tretet hinaus im Sonnenglanz eures Glücks! Und der Segen Gottes, die Gemeinschaft der Heiligen sei mit euch — Amen!“
Oberkonsistorialrat Zänglein hatte gut gesprochen; er wusste das, die Wirkung seiner Traureden kannte er ganz genau. Er hatte deren drei Arten: eine für die wenig Begüterten, eine andere für die Bemittelteren, und die dritte — nune, die war hier am Platz.
Die Frau Oberkonsistorialrätin, auf dem Ehrenplatz inmitten der Geladenen, atmete befriedigt. Es war eine allgemeine Ergriffenheit. Für eine Weile hörte man nichts als das Rauschen der Seidenkleider, das Räuspern der Herren, das dumpfe Schnauben in die Taschentücher. Ein mächtiger Eindruck.
Nelda Dallmer war sehr bleich geworden. Sie wendete für einen Augenblick den Kopf vom Altar ab, ihre Blicke überflogen suchend die Kirche — ob er hier war? Er hatte davon gesprochen, sich die Trauung anzusehen. Für ihn nur hatte sie sich mit besondrer Sorgfalt gekleidet, für ihn nur den Veilchenstrauss an die Brust gesteckt, für ihn flatterte jetzt plötzlich das jähe Rot über ihre Wangen. Sie presste ihr Riesenbukett fester in den Händen — sie konnte ihn nicht sehen. Wenn er jetzt hier war, ob er das gleiche empfand wie sie? Ob es seine Seele auch mit Macht zu der andren Seele drängte? Ob es ihn auch so inbrünstig verlangte, Hand in Hand zu schlingen und Auge in Auge zu senken?!
Ein zitternder glücklicher Seufzer drängte sich über ihre Lippen; sie fühlte, wie ihr das Herz in der Brust zuckte und das Blut in den Fingerspitzen prickelte. Sie schämte sich dessen nicht. Da war kein unreiner Gedanke in ihr. Aber so vor dem Altar stehen können, sein vor Gott und den Menschen, das müsste eine Seligkeit sein, so gross, so überschwenglich, um daran zu sterben!
Wo du hingehst, will ich auch hingehn.
Dein Volk sei mein Volk,
Dein Gott mein Gott!
Es überlief sie.