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HETTY OVEREEM


DIE WANDERPFARRERIN

„Wissen Sie … ich bin völlig vom Hocker. Ich habe so lange nichts mehr mit Gott zu tun gehabt. Und nun, hier, plötzlich sind Sie da. Aber so anders. So einfach. Nur da. Nur mit einem Esel. Nur Kaffee machen und was reden und sonst nichts … Das haut mich um. Wenn Gott so ist … Ja, dann sollte ich mich vielleicht doch mal wieder an ihn wenden.“ Während die junge Frau so zu der Pfarrerin in Treckinghose und Wanderschuhen spricht, krault sie die langen Eselsohren. „Und – wie schnell läuft der Esel?“ „Zwei Kilometer pro Stunde Spitzenleistung.“

Wie oft hat Hetty Overeem diese Antwort in den vergangenen drei Jahren schon gegeben, seit sie mit Esel Speedy und Hund Barou durch die Schweiz wandert? Das ungewöhnliche Dreiergespann „on tour“ ist überall ein Hingucker.

Das mit dem „Geht in alle Welt“ hat Hetty Overeem ganz wörtlich genommen: Geht – nicht fahrt! Die Wanderpfarrerin ist so gemächlich unterwegs, dass andere sich für ein oder zwei Kilometer auch mal dazugesellen können. Ein Stück des Weges mitlaufen.

Ihr Tipi baut Hetty überall dort auf, wo sie mit Esel und Hund hinkommt. „Kirche kommt zu dir. So wie Jesus zu dir kommen will.“ So oder so ähnlich sagt es die Pfarrerin schon mal zu einem Menschen, der sich in ihr Tipi locken lässt. Manchmal reicht sie auch „nur“ einen Kaffee, den sie auf dem Gaskocher kocht, oder lädt zu einem Käsefondue ein.

Es gibt Tage, da platzt das Tipi aus allen Nähten, manchmal sitzen da nur zwei Menschen, wenn die Pfarrerin eine Andacht hält. Lieder, Gebete, uralte Texte von den Wüstenvätern, besondere Texte, die Hetty in Ägypten entdeckt hat. Die Wanderpfarrerin erlebt mit ihnen immer wieder Erstaunliches: dass sie auf eigentümliche Weise dem Menschen von heute ins Herz sprechen.

Manchmal sagen die Leute: „In die Kirche will ich nicht, aber über Gott reden, das will ich. Jetzt mit Ihnen.“ Lange hatte sie als „normale“ Pfarrerin in Lausanne gearbeitet. Dann hat’s „gekribbelt im Bauch“ und sie beschloss aufzubrechen und sich auf diesen ungewöhnlichen Weg zu machen. Ihre provokante Botschaft: Jesus ruft uns heraus, aus dem Luxus, der Kontrolle, dem Komfort, den Gottesbildern, die uns wegbringen von ihm.

Und es funktioniert: Im Tipi ist kein Amt zwischen ihr und den Leuten. Hier fühlt Hetty sich auf eigentümliche Weise den Menschen näher. Wenn Unbekannte ihr Zelt betreten, bringen sie manchmal einen tiefen Schmerz mit. Zuhören ist Hettys erste Aufgabe, aber auch Fragen stellen. Hetty vertraut auf Gottes Geist, der auch ihre Worte gebrauchen möchte.

Im Winter bewohnt die Pfarrerin in der Metrostation Lausanne eine kleine Hütte, an der Leute rastlos vorbeihasten. Aber auch hier bleibt Hetty Hetty: isst, singt, betet, hört zu, fragt nach. Ist wach für Gottes Inspiration. Und spricht in die Herzen der Menschen.

Durch ihre eigenen Fragen und Ungewissheiten ist die Pfarrerin ganz nah bei denen, die sie in ihrem Tipi, in ihrer Hütte besuchen. Mit ihren Zweifeln im Gepäck.

(CF)


HETTY OVEREEM,

geb. 1956, ist eine niederländische

evangelische Theologin und Autorin.

Weltbewegerinnen

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