Читать книгу Weltbewegerinnen - Claudia Filker - Страница 19

Оглавление

JULIANE VON KRÜDENER


DIE NETZWERKERIN

Juliane ist eine echte „Hochgeborene“, eine Baronesse aus Riga in Lettland. Ihr Vater, Baron Otto Herrmann von Vietinghoff, gilt als einer der reichsten Männer Russlands. Tochter Juliane besticht durch ihre ungewöhnliche Auffassungsgabe. Sie erhält eine exzellente Bildung.

Aber noch liegen die Zeiten, in denen eine junge Frau mit diesen Voraussetzungen ein Studium hätte absolvieren dürfen, in ferner Zukunft. So ereilt Juliane dasselbe Schicksal wie vielen anderen Altersgenossinnen ihrer Zeit: Sie wird mit 17 Jahren verheiratet. Ihr Ehemann, der russische Botschafter Baron von Krüdener, ist 20 Jahre älter als sie und hocherfreut über die großzügige Hochzeitsgabe seines Schwiegervaters: den Gutshof Kosse in Estland. Gutsherrin Juliane steht nun über 1 000 Leibeigenen vor. Doch sie verabscheut dieses System der Ungleichheit und Ungerechtigkeit.

Der Beruf des Ehemannes lässt Juliane und ihre Familie – bald hat sie zwei Kinder – in wichtigen europäischen Städten leben: Venedig, Kopenhagen, Berlin. 1802 stirbt ihr Mann nach 20 Jahren unglücklicher Ehe. Bald darauf veröffentlicht Juliane ihr erstes Buch: Valérie. Ein Riesenerfolg! Mit dem autobiografischen Liebesroman wird Juliane zur europaweit bekannten Bestsellerautorin.

1804, Juliane ist inzwischen 40 Jahre alt, nimmt ihr Leben eine starke Wendung. Durch den Einfluss eines einfachen Schuhmachers der Herrnhuter Brüdergemeine erlebt sie, die reiche, bewunderte, berühmte, vielleicht auch exzentrische Adelige, eine intensive Hinwendung zum christlichen Glauben und begegnet Gottes Liebe. Hat sie auch vorher nicht die Augen vor der brutalen Armut vieler Landsleute verschlossen, setzt sie sich nun entschieden für soziale Gerechtigkeit ein.

Barmherzigkeit prägt ihr Denken und Handeln. Evangelium in Wort und Tat. Sie verbessert die Lebenssituation „ihrer“ Leibeigenen, wo sie nur kann. Durch ein Gesetz, das Zar Alexander I. schon 1803 erlassen hatte, wird schließlich sogar ihr Traum wahr: Sie kann ihren Leibeigenen die Freiheit schenken. Während einer großen Hungersnot verkauft Juliane ihre Diamanten im Wert von 30 000 Franken zur Finanzierung von Hilfsaktionen.

Doch Juliane will noch mehr. In den Jahren 1816 bis 1818 begibt sie sich auf Missionsreisen durch Süddeutschland und die Schweiz. Networking gelingt Juliane mühelos und in Salons ist sie ein gern gesehener Gast.

Für oberflächlichen Small Talk ist sie allerdings nicht mehr zu haben. Diese Frau polarisiert. Die einen sind fasziniert, die anderen halten sie für verrückt und gefährlich. Wie kann sie es wagen, sich als Frau politisch zu äußern, ja sogar politische Forderungen zu stellen? Schon ihre schriftstellerische Tätigkeit galt für Frauen als „unschicklich“. Wie viel mehr ihr politisches Engagement!

Juliane lässt sich von Widerständen nicht aufhalten und setzt sich weiter für die Unterdrückten ein. In Kriegslazaretten organisiert sie die Pflege der Kriegsverletzten. Sie besucht Gefängnisse, in denen grauenhafte Zustände herrschen, und scheut weder Schmutz, Gestank, Krankheit oder Tod. Wieder einmal sorgt sie für Aufsehen.

So bleibt Juliane von Krüdener zeitlebens eine Grenzgängerin, eine Wanderin zwischen den Welten. Sie ist überzeugt: „Liebe einatmen und Liebe aushauchen, das ist das ganze Christentum und das lernt man nur zu Jesu Füßen.“

(CF)


JULIANE VON KRÜDENER,

1764–1824, Schriftstellerin, Salondame,

Missionarin, Sozialreformerin.

Weltbewegerinnen

Подняться наверх