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Prolog

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Die Wasserflut des Warrego war nach Tagen des bedrohlichen Ansteigens endlich um einige Zentimeter zurückgegangen. Die Scheitelwelle schien vorüber zu sein. Nur langsam senkte sich dagegen der Pegelstand in den nächsten Stunden. Noch immer bedeckte die ausladende Flut das Land rechts und links des ansonsten tief eingeschnittenen Bettes des Warrego bis an den Rand des höher gelegenen Ortsgebietes von Charleville. Die Menschen atmeten befreit auf, da das Schlimmste nun offensichtlich überstanden war. Noch würden sie sich ein paar Tage gedulden müssen, bis das Wasser abgelaufen, noch mehrere Wochen allerdings, bis das kostbare Weideland wieder für das Vieh uneingeschränkt zu nutzen war.

Benjamin Morley schickte seinen Vorarbeiter Ian aus, um das Ausmaß des diesjährigen Hochwassers zu überprüfen. Der ritt das Gebiet der ausgedehnten Station ab und blieb immer hart an der Grenze des aufgeweichten Bodens, den die Flut hinterlassen hatte. Als er die weithin sichtbare, hölzerne Konstruktion der Eisenbahnlinie über den Fluss erreichte, die bereits in den Abmessungen von ihren Konstrukteuren so vorausschauend gebaut worden war, dass die unregelmäßig wiederkehrenden, gewaltigen Wasserfluten des Warrego und seiner Nebenflüsse ihre Aufgabe kaum beeinträchtigen konnten, entdeckte der Reiter etwas Auffälliges im Uferschlamm des unweit einmündenden Angelalla Creek.

Das, was sich dort zwischen den Bäumen bewegte und die Aufmerksamkeit des Vormannes erregt hatte, entpuppte sich als ein menschliches Wesen. Ian näherte sich auf seinem Pferd vorsichtig dem Unbekannten. Der Körper steckte etwa zur Hälfte im Morast. Und der Teil, der schlaff daraus hervorragte, war komplett mit Schlamm bedeckt. Die Gestalt bewegte sich, hob langsam den Kopf. Sie lebte.

Ian stieg ab, überwand die Distanz, die ihn noch von diesem Wesen trennte, vorsichtig jeden seiner eigenen Schritte setzend, um selbst nicht stecken zu bleiben. Der Unglückliche hatte ihn inzwischen bemerkt und wendete den Kopf in die Richtung, aus der sich das Geräusch näherte.

Der Vormann ließ die Gestalt nicht aus seinem Fokus. Ihr Gesicht, ihre Augen, die Nase, der Mund schienen von einem dichten Bart eingerahmt. Alles von Schlamm bedeckt. Seine zottelig langen, verklebten Haare hatten vermutlich schon länger keinen Schnitt mehr erfahren. Die Person sah sehr verwahrlost aus. Ian war inzwischen bis auf wenige Meter an sie herangekommen. Unter der morastigen Schicht wurde die Kleidung erkennbar. Sie wirkte zerrissen und sah so aus, als hinge sie an manchen Körperstellen nur noch in Fetzen herab. Der Stationsarbeiter fragte den Unbekannten nach seinem Namen und erntete zunächst nur ein stummes Kopfschütteln. Als der Mann sich, scheinbar danach suchend, an den Kopf fasste, half Ian ihm, sich aufzurichten. Mehr ließen seine Kräfte in diesem Augenblick nicht zu. Seine Beine versagten ihm den Dienst. Also zog der Vormann ihn unter großen Anstrengungen auf den trockenen Waldboden. Dort lehnte er ihn an einen der Bäume, die den Uferbereich sehr zahlreich säumten.

Der Mann schien sich zwar nichts gebrochen zu haben, aber er machte einen sehr entkräfteten Eindruck und benötigte dringend Hilfe. Mit einem Stofftaschentuch, das Ian aus seiner Tasche gezogen hatte, ließ sich der Unbekannte notdürftig den Schlamm aus dem Gesicht wischen. Der Vorarbeiter nahm die Feldflasche vom Sattel seines Pferdes, schraubte den Verschluss auf und reichte sie dem Mann. Zitternd griff der danach. Ian beobachtete ihn, wie er gierig trank. Er musste zur Station zurückreiten und Verstärkung holen. Allein konnte er ihn nicht mitnehmen. Immerhin verstand der Unbekannte ihn, wenn er auch noch immer keine Silbe über seine Lippen gebracht hatte. Er nickte dankbar und schloss müde seine Augen, als der Reiter auf sein Pferd gestiegen war und davontrabte.

Jonathans Erbe – Expedition in die Vergangenheit

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