Читать книгу Des Orakels Richterspruch - Clemens Anwander - Страница 7
Royale Schwärze
ОглавлениеNaileen betrachtete sich im Spiegel, steckte sich zur Krönung eine einzige, himmelblaue Lilie in ihr pechschwarzes Haar und war mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Sie war schon seit jeher hübsch gewesen, aber dank der königlichen Schneider, die ihr die exquisitesten Stoffe speziell an ihren Leib anpassten und der begnadeten Dienerin Ruika, die ihr zwar dezent aber wirkungsvoll mit Zinkoxid den vornehmen, blassen Teint verschaffte, um mit Hilfe von Koschenille und Sandelholz ein intensives Rot auf ihre Lippen zauberte, war sie einfach atemberaubend schön. Und dies fand nicht nur sie selbst. Schon bevor sie von Degaar umworben worden war, hatten sich etliche Männer um sie bemüht, deren Wollust ihnen direkt ins Gesicht geschrieben gewesen war. Sie hatte lediglich an ihnen vorbei gehen müssen, dabei den süßen Duft von Rosen verströmend, ihr langes, schwarzes, glattes Haar, auf das sie übrigens sehr stolz war, schwingend, und schon hatten sich alle Köpfe nach ihr gedreht. Naileen lächelte. Sie hatte Geduld bewiesen. Anders als die Mädchen, die einst ihre Freundinnen gewesen waren, hatte sie sich nicht dem erstbesten Kerl hingegeben, der ihr Komplimente gemacht und um ihre Hand angehalten hatte. Sie hatte immer irgendwie gewusst, dass der besondere, für sie perfekte Mann, irgendwo auf sie wartete. Dass ihr Pendant, das ihr so immens wichtig war, ausgerechnet der König Sekoyas war, hatte sie sich aber selbst im Traum nicht vorgestellt. Doch Degaar hatte ihr Herz gewonnen, und sie war Königin Sekoyas geworden. Ja, das Glück war ihr hold gewesen, einzig eines fehlte noch zu ihrer vollkommenen Freude. Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie hatte die Frauen der Fürsten, die zum Kolloquium erschienen waren, lange genug warten lassen. Es war Brauch, dass während die Fürsten in ihrem Kreise zusammensaßen, auch deren Frauen dies taten und sich ebenfalls über Dinge des Reiches austauschten. Zwar hatten diese Gespräche zumeist nicht dieselbe politische Tragweite wie jene, welche die Männer führten, doch auch die Frauen waren nicht ohne Macht und Einfluss. Während der König und seine Fürsten den großen Fragen des Staates nachgingen, beschäftigte sich die Frauenrunde normalerweise mit Einzelfragen. So war es im letzten Jahr beispielsweise einmal passiert, dass die Damen entschieden hatten, dass in Fdajkar unbedingt eine neue Schule gebaut werden musste, nachdem Hjolga, Frau Harson Jannicks, die zusammen Fdajkar und die umliegenden Gebiete verwalteten, von dem katastrophalen Zustand der alten erzählt hatte. Das interessante dabei war, dass die Männer sich aus finanziellen Gründen eigentlich gegen den Bau neuer Bildungseinrichtungen ausgesprochen hatten. Nach einer kurzen Diskussion zwischen den beiden Gesprächskreisen war dann aber doch das benötigte Gold zur Verfügung gestellt worden. Naileen war auf diesen Erfolg noch heute stolz, hatte es sie doch einiges an Überzeugungskraft gekostet, Degaar dazu zu bringen, die Staatskasse zu öffnen. Naileen war so sehr in Gedanken vertieft, dass es sie überraschte, als ihr plötzlich die Luft wegblieb.
»Sanfter Ruika, oder willst du mich umbringen?«
Die junge Dienerin, welche ungefähr zur gleichen Zeit wie sie selbst auf den Königshof gekommen war, lockerte die Schnüre etwas.
»Verzeihung. Doch der Mieder muss streng sitzen, sonst sieht er nichts gleich.«
Naileen nickte geistesabwesend, es war schon höchste Zeit aufzubrechen. Schnell zog sie das lavendelfarbene Hemd, dessen Kragen ihr Ruika flachlegte, über und schlüpfte vorsichtig in den schleppenden Rock. Sie strich die dabei entstandenen Falten flach, genauso wie sie es einst gelernt hatte, nur mit dem Unterschied, dass sie die edlen Gewänder nun selbst trug. Anschließend stieg sie in ihre offenen Halbschuhe und machte sich auf den Weg zu ihrem Treffen, und das, obwohl sie sich eigentlich nicht gut fühlte. Seit ein paar Tagen hatte sie bereits diesen Schwindel und ausgerechnet heute war ihr auch noch leicht übel geworden. Doch dies galt es jetzt zu vergessen und ihre Aufmerksamkeit auf das folgende Treffen zu lenken. Nach einigen Treppen abwärts, der Wohnbereich des Königs und der Königin lagen in den oberen Stockwerken des Palastes, war sie auch schon in dem großen Saal angekommen. Ruika, die ihr respektvoll in einigem Abstand gefolgt war, eilte an ihr vorbei und öffnete die Tür. Die Fürstinnen standen im Raum und unterhielten sich, doch diese Gespräche verebbten sofort, als die Königin eintrat. Die Damen verneigten sich tief und Naileen, der das Ganze immer noch etwas unangenehm war, deutete schnell auf die Sessel, die rund um einen großen Tisch aufgestellt worden waren.
»Aber, aber, meine Freundinnen, bitte nicht so förmlich, setzt euch.«
»Freundin hin oder her, du bist nun mal die Königin Naileen, und wenn wir dich schon in so vertrauter Weise ansprechen sollen, wie du es uns schon des Öfteren ins Gedächtnis gerufen hast, dann gehört es sich doch zumindest, auf dein Eintreffen gebührend zu reagieren.«
Wutja, die Fürstin Seestadts, lächelte auf ihre unvergleichliche Art und Weise, während sie auf Naileen zuging und sie herzlich in die Arme schloss. Diese erwiderte die Umarmung gerne. Wutja war ein Urgestein in den Reihen der anwesenden Damen, da sie mit ihren inzwischen über 60 Jahren schon in der dritten Generation dieser Treffen anwesend war. Als sie das erste Mal hier gewesen war, als junges, unschuldiges Mädchen, gerade erst ihrem Mann zur Frau gegeben, war dies noch unter der Herrschaft Tchiyo Xardics gewesen, Degaars Großvaters. Während ihres ersten Treffens war sie so nervös gewesen, dass sie die ganze Zeit über, nicht ein einziges Wort gesagt hatte und unendlich froh gewesen war, als sie endlich wieder die Heimreise antreten durfte. So zumindest hatte Wutja sie getröstet, als Naileen vor zwei Jahren das erste Mal dieses Treffen, zumindest nominell, leiten hätte sollen und auf Grund ihrer blank liegenden Nerven nichts als Gestammel zustande gebracht hatte. Bereits zu dem Zeitpunkt hatte die Königin die Fürstin Seestadts ins Herz geschlossen. Sie blickte diese eindringlich an. Mochte sie früher auch von anmutiger Schönheit gewesen sein, so war heute nicht mehr viel davon zu sehen. Sie war mittel großen Wuchses, doch man mochte sie durchaus für klein halten, auf Grund ihrer nach vorne gekrümmten Haltung. Außerdem hatte sie einen kugelrunden Wanst, in den sie normalerweise während der Treffen ohne Unterlass eine Leckerei nach der anderen schob. Doch dies hinderte sie nicht im Geringsten daran, zumeist die Gespräche zu führen, hatte sie sich als älteste anwesende Person doch schon lange als inoffizielle Leiterin dieser Treffen heraus kristallisiert. Naileen konnte es sich nicht erklären, aber neben ihr fühlte sie sich einfach wohl. Und schon ergriff die Fürstin Seestadts auch wieder das Wort.
»Es tut gut, dich wieder zu sehen. Du siehst blendend aus! Also dass du mit diesem Aussehen noch immer keinen zukünftigen Thronfolger in dir trägst, verwundert mich über alle Maßen. Du wirst dir wohl bald einen Liebhaber ins Bett holen müssen.«
Während Wutja noch lachte, stach es Naileen innerlich. So sehr sie die alte Dame auch mochte, Feingefühl war nicht ihre Stärke. So hatte sie genau Naileens wunden Punkt getroffen, und dies sicherlich ohne es zu wollen. Denn allen Bemühungen zum Trotz, war es der Königin noch nicht gelungen, Degaar ein Kind zu schenken. Naileen hatte wirklich schon beinahe alles versucht. Sie hatte verschiedene Ärzte kommen lassen um herauszufinden, was mit ihr nicht stimmte, doch niemand konnte es ihr sagen. Sie hatte auch einen angeblich mit magischen Kräften ausgestatteten Heiler zu sich gerufen, doch auch dessen Mühen waren umsonst gewesen, ganz abgesehen davon, dass sie wohl nie erfahren würde, ob der Mann nicht doch ein Schwindler gewesen war. Als einzig übrige Möglichkeit verblieb noch, sich einem anderen Mann hinzugeben, doch dies zog sie nicht einmal in Erwägung. Sie war die Königin Sekoyas und als solche galt es ein Vorbild zu sein und nicht mit irgendwelchen Männern ins Bett zu steigen. Außerdem würde sie das nie tun. Sie erwartete von ihrem Ehemann ja schließlich auch absolute Treue, und sie war sich sicher, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Und so mussten sie es auf herkömmliche Weise weiter versuchen, und obwohl sie die so verbrachte Zeit sehr genoss, lag doch immer dieser dunkle Schatten über ihrem Liebesspiel. Vielleicht würde sie einfach einsehen müssen, dass Degaar inzwischen schon zu alt war, um Nachkommen zu zeugen, doch noch war sie nicht gewillt aufzugeben.
»Ganz im Gegensatz zu dir, meine liebste Wutja, empfinde ich es als großes Vergnügen, bei meinem Ehemann zu liegen. Ich bin auf das Lendenfeuer anderer nicht angewiesen!«
Diese instinktive Antwort war um einiges gemeiner und wesentlich weniger neckisch ausgefallen als beabsichtigt. Wutjas Aussage hatte sie wohl mehr in Rage gebracht als sie vermutet hatte, und der Schwindel machte es auch nicht gerade leichter, kluge Sätze zu formulieren. Ein solch plumper Satz zu einer Fürstin konnte ein mehr oder weniger großes Unheil heraufbeschwören. Die anderen Fürstinnen, deren Gespräche alle abrupt abgerissen waren, starrten gespannt auf die beiden.
»Verbring du erst einmal über 40 Jahre mit demselben Mann, und wir werden sehen, ob es nicht auch dich nach ein bisschen Abwechslung gelüstet. Auch wenn ich diese Zeit wohl nicht mehr erleben werde.«
Die Fürstin Seestadts zwinkerte der Königin zu, wohl um ihr klar zu machen, dass sie keinerlei Grohl ihr gegenüber hegte.
»Also dann meine Damen, zu Tisch, zu Tisch!«
Wutja scheuchte die anderen Fürstinnen mit wedelnden Bewegungen ihrer Hände in Richtung der großen Tafel. Naileen steuerte mehr schlecht als recht den Platz der Königin an. Zwar gab es an dem runden Tisch keinen Vorsitz, doch der Herrscherin Sekoyas gebührte der Stuhl, der etwas über all die anderen ragte. Und genau dort nahm sie nun auch Platz, was auch bitter notwendig wurde, denn gerade eben war ihr noch unwohler geworden, als ihr ohnehin schon die ganze Zeit über war. Sie hatte irgendwie das Gefühl zu ersticken, ihr war heiß und kalt gleichzeitig und der Raum hatte begonnen sich wie wild zu drehen. Nur am Rande ihrer Aufmerksamkeit nahm sie wahr, wie sich die Frauen setzten und zu sprechen begannen. Patrizia sprach, wie sollte es auch anders sein, irgendetwas von der Rodung von Bäumen, doch Naileen musste sich darauf konzentrieren nicht das Bewusstsein zu verlieren. Sie atmete bewusst langsam und versuchte sich wieder zu fangen. Es half nichts. Ihr wurde nicht besser sondern höchstens schlechter. Jetzt tauchten auch noch helle, vor ihren Augen tanzende, Punkte auf. Auf diese Art und Weise hatte ihr Dasein in dem Kolloquium wirklich keinen Sinn. Sie erhob sich und schaffte es wohl dabei nicht wie ein Tölpel auszusehen.
»Meine Damen, ich fürchte ich muss mich zurückziehen, meine körperliche Verfassung ist heute leider nicht die beste. Ich empfehle mich.«
Diese zwei Sätze stammelnd, von den Besserungswünschen und Verabschiedungen der anderen Damen begleitet, die sie nicht mehr wirklich realisierte, steuerte sie in Richtung Tür, welche wiederum von Ruika geöffnet wurde. Sie ging hindurch und zwang sich nicht stehen zu bleiben. Sie wollte nur noch in ihre Gemächer und sich hinlegen. Sie setzte einen Schritt nach dem nächsten, quälend langsam arbeitete sie sich die Treppen hinauf. Endlich in den Privaträumen angekommen, fiel sie nur noch auf ihre Seite des großen Bettes, das sie mit ihrem Mann teilte, und augenblicklich umfing sie unruhiger Schlaf.
Degaar war mit sich zufrieden, was vielleicht durchaus an dem vielen Alkohol lag, den er in dieser Nacht zu sich genommen hatte. Er war eigentlich kein großer Trinker, doch dieses Mal war es einfach mit ihm durchgegangen. Wenn Leon nicht darauf bestanden hätte, das neueste hochprozentige Erzeugnis aus seinem Ionika zu probieren, wäre er jetzt sicherlich wesentlich fitter. Doch köstlich war es gewesen, das glasklare Gebräu, welches trotz des hohen Alkoholgehalts nicht scharf war, und dessen Geschmack es dem beigemengten Waldbeerenextrakt verdankte. Ja, die Faires wussten schon, was gute Getränke waren. Während er, von einer Seite des Ganges zur anderen wankend, auf dem Weg in seine Privaträume war, dachte er nochmals über seinen Abend nach. Nach der üblichen Begrüßung der Fürsten waren die Männer zusammen gesessen und hatten miteinander gespeist. Degaar fand, dass es viel leichter war, sich mit allen zu unterhalten, wenn es keine knurrenden Mägen mehr gab, und die Fürsten hatten ihm da schon immer zugestimmt. Er hatte wieder allerlei Köstlichkeiten auftischen lassen, darunter auch gekochte Soprogta-Eier, eine Delikatesse, auf deren Geschmack Degaar bereits vor langem gekommen war. Es bereitete dem König keine Freude, seinen ohnehin bereits geschrumpften Vorrat an diesen kostbaren und schwer zu besorgenden Eiern zu opfern, aber dies gehörte nun mal zu den Annehmlichkeiten, die er seinen Fürsten zur Verfügung stellen musste. Er befriedigte sich mit dem Gedanken, selbst den Großteil davon verzehrt zu haben. Ob er wohl genügend Nachschub auftreiben würde können? Sein üblicher Händler meinte, dass die Greifvögel heuer besonders angriffslustig auf Eindringlinge in ihren hochgelegene Revieren in den Queyt Bergen reagierten, was zweifelsohne den bereits jetzt an Piraterie grenzenden Preis in die Höhe treiben würde. Leider fehlte es Degaar an dem nötigen Fachwissen, um in Erfahrung zu bringen, ob der Halunke lediglich mehr Gewinn machen wollte, oder ob seine Schilderung tatsächlich den Tatsachen entsprach. Sei’s drum, auf die paar Münzen mehr kam es ihm nun wirklich nicht mehr an. Nach dem Essen, bei dem auch bereits reichlich Wein geflossen war, hatten sie über eine engere innerstaatliche Zusammenarbeit sinniert, vor allem in einem Punkt, der schon länger diskutiert wurde: Die Volkszählung. Für das Königreich war es essentiell zu wissen, wie viele Bürger es gab, um daraus die voraussichtlichen Steuereinnahmen zu kalkulieren, um zu sehen, ob manche Gebiete besonders hart von tödlichen Krankheiten betroffen waren und in welchen schrumpfenden Ortschaften wieder gezielt Leute angesiedelt werden sollten. Nun zählten die einzelnen Fürsten in ihren Gebieten aber so, wie sie es für richtig hielten, Wim Morgenson beispielsweise alle zwei Jahre, Antario Silberstein alle fünf Jahre, Otto Roth gar lediglich alle zehn Jahre und das sowieso zu vollkommen verschiedenen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Methoden. Es war ein heilloses Durcheinander, das es zu entwirren gab. Degaar hatte bereits beim vorigen Treffen versucht eine Einigung zu erzielen, war aber gescheitert. Er hätte eine einheitliche Regelung zwar auch befehlen können, ihm war es aber lieber, wenn er sich mit seinen Fürsten auf etwas einigen konnte. Und heute war es ihm endlich gelungen, alle auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Zwar hatten wohl auch der Wein und die hervorragenden neuen Tänzerinnen ihren Teil dazu beigetragen, den einen oder anderen vom Mehraufwand für sich abzulenken, sodass schließlich alle zugestimmt hatten, zu fixen Zeitpunkten alle vier Jahre Volkszählungen durchzuführen, doch er fand, dass dies seine Leistung keinesfalls schmälerte. Er hatte sich vielmehr im Stillen selbst dazu gratuliert, diese beiden Faktoren so geschickt ins Spiel gebracht zu haben. Nachdem endlich ein Konsens gefunden worden war, war der Alkohol in Strömen geflossen. Es hatte weiterhin Wein gegeben, aber auch Bier und der liebliche Honigschnaps, für den Ionikas berühmt war, waren seinen Gästen und ihm aufgetragen worden. Die Stunden waren vergangen, und nachdem der König einmal das Gefühl gehabt hatte, sich auf seinen wunderschönen Marmorboden zu übergeben, auf dem Jannick Harson bereits eingeschlafen war, hatte er sich so schnell, wie dies in seinem Zustand noch möglich war, davon gemacht. Die Übelkeit war verflogen nachdem er erst aus dem nach Schweiß, Alkohol und Erbrochenen riechenden Saal getreten war, doch der Rausch war ihm geblieben. Vor allem war der König auch unendlich müde. Endlich erreichte er seine Privaträume, wo er sich rasch seiner Kleidung entledigte. Eine Aufgabe, die zu erfüllen sich seine Frau wohl außer Stande gesehen hatte, wie er mit einem schielenden Blick feststellte. Auch sie schien dem Alkohol an diesem Tage nicht abgeneigt gewesen zu sein, und anscheinend war er nicht der einzige im Raum, der sich am nächsten Tag schlecht fühlen würde. Erschöpft kroch er in das königliche Bett. Er wollte sich zwar eigentlich noch an Naileen herantasten, doch irgendwie war ihm das jetzt einfach zu mühsam. Seine Königin würde ihm schon nicht weglaufen…
Degaar erwachte und wünschte sich augenblicklich, er hätte es nicht getan. Ihm war elendiglich übel, und sein Kopf tat ihm beinahe genauso weh wie damals, als er von seinem Pferd gefallen und mit seinem Haupt am Pflaster aufgeschlagen war. Er versuchte wieder Schlaf zu finden, aber jedes Mal, wenn er die Augen schloss, war es, als würde sich der Raum immer schneller und schneller um ihn drehen. Er brachte sich in eine aufrechte, sitzende Lage und warf dabei einen Blick auf Naileen. Sie lag auf der Seite, den Rücken zu ihm gedreht. War sie nicht gestern Nacht auch genau in dieser Position gelegen? Er streckte seine Hand nach ihr aus und erschrak. Ihre Kleidung war triefend nass, ebenso das Bettlaken rund um sie herum.
»Naileen?« Seine Stimme war nur ein leises Flüstern, er schüttelte sie leicht, um sie sanft zu wecken, doch sie regte sich nicht. Jetzt war er wirklich alarmiert. Er drehte sie auf den Rücken, ihr glutrotes Gesicht schockierte ihn. Der Schweiß stand der Königin auf der Stirn und sie atmete nur flach. Degaar schüttelte sie erneut, immer fester und fester, er rief immer wieder ihren Namen, und dennoch kam sie einfach nicht zur Besinnung! Panisch stürzte der König aus dem Bett, seinen eigenen, üblen Zustand vergessend, rannte zur Tür und begann lauthals um Hilfe zu rufen. Binnen weniger Minuten war der gesamte Hofstaat auf den Beinen und ein Bote preschte auf einem drahtigen Pferd in Windeseile aus dem Schloss, um den Hofarzt zu alarmieren.