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10. Wie unser Schiff gelotst wird – der kosmische Plan

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Zwar konnte ich mich noch gut an Nells Worte erinnern, doch jahrelang tat ich nichts dafür. Meine Werbe- und Filmfirma nahm meine Aufmerksamkeit sieben Tage in der Woche in Anspruch.

Damals praktizierten in den meisten Ländern nur Mitglieder der spiritistischen Freikirchen (Spiritualist Church) geistiges Heilen. Das fühlte sich besser an. Ich ging ab und an zu ihren Treffen.

Mir fiel nicht auf, dass ich bei diesen Treffen wahrgenommen wurde.

Doch nach den wenigen Besuchen fragte mich eine junge Dame, die ich kaum kannte, ob ich ihr ein „Healing“ geben könne.

Sie erzählte mir, dass ihre Schilddrüse nicht funktionierte und in der darauffolgenden Woche operativ entfernt werden sollte. Puh! Ich hatte und habe bis heute keine Ahnung davon, was eine Schilddrüse ist. Doch in meiner naiven Unwissenheit dachte ich mir: Wenn das Ding lediglich nicht funktioniert, aber nicht verdorben ist und zu stinken anfängt, kann man es dann nicht drinlassen?

Wie auch immer. Weil sie solche Angst hatte, verabredeten wir uns für den nächsten Tag bei mir zu Hause. Mir blieb keine Zeit für einen Rückzieher.

Bevor sie kam, stellte ich einen gewöhnlichen Küchenstuhl mit gerader Lehne mitten in mein Wohnzimmer. (Es war mir zu peinlich, ihr vorzuschlagen, sich hinzulegen, auch wenn das für sie viel bequemer gewesen wäre.)

Ich bat sie, ihre Augen zu schließen (– diesen Teil der Übung wusste ich immerhin schon) und wedelte irgendwie mit meinen Armen, um ihre Aura zu reinigen, … so dachte ich jedenfalls.

Ich trat einen Schritt zurück und wartete auf ein dankbares Seufzen. Sie bewegte sich nicht. Eine Minute. Zehn Minuten. Nichts. Funktioniert Heilung so? Ohne Ausbildung hatte ich keinen Lehrer, den ich hätte anrufen können. Ich hatte doch nur mit meinen Händen um sie herumgefuchtelt.

In mir stieg Panik hoch. Sie schien in einer Art Koma zu sein. Vielleicht in einer Trance. Rühr‘ sie nicht an!, sagte mir meine innere Stimme.

Sollte ich einen Krankenwagen rufen? Und wenn er kam? Was sollte ich den Sanitätern sagen? „Diese Dame, die ich nicht kenne, kam herein, setzte sich hin und bekam diesen Anfall …“?

Wenn die medizinische Wissenschaft sagt, es sei unmöglich, jemand auf diese Weise zu beeinflussen, kann ich dann für diese Tragödie verantwortlich gemacht werden?

Viel zu lange verharrte sie in diesem Zustand, doch plötzlich zuckte sie zusammen und riss ihre Augen auf, wie nach einem elektrischen Schlag. „Vielen, viiieeelen Dank!“, sagte sie. „Ich fühle mich sooo wohl!“

Ich mich nicht. Ich lotste sie rasch zur Tür, bevor noch mehr geschehen konnte. Wenn sie das noch einmal macht, dann aber bitte nicht in meiner Nähe!

Reichlich erschüttert (bei diesem Termin hatte ich nicht das Gefühl, ich hätte Geld verlangen sollen!), beschloss ich augenblicklich, dass meine Laufbahn als Heiler sich meiner Karriere als Filmdirektor genauso wie die Schilddrüse dieser Dame anschließen sollte: operativ entfernt – ohne jeden Widerspruch!

In der darauffolgenden Woche versteckte ich mich die meiste Zeit wie ein Verbrecher, aus Angst, der Sheriff käme mit einem Suchtrupp, würde sich gewaltsam Zutritt verschaffen und mich am nächsten Baum aufknüpfen.

Dann klingelte das Telefon. Sie rief an. Wieder geriet ich in Panik.

Wie freundlich sie klang: „Der Chirurg untersuchte mich vor der Operation noch ein letztes Mal“, sprudelte es aus ihr heraus. „Seiner Meinung nach muss es sich um eine Fehldiagnose gehandelt haben, meine Schilddrüse arbeitet sogar besser als normal für eine zweiunddreißigjährige Frau.“

Zurück ans Reißbrett, wie wir damals sagten. Ein neuer Anfang!

Mir entfuhr ein tiefer Seufzer der Erleichterung und Dankbarkeit, nicht nur ihr gegenüber für ihre Eingebung, ausgerechnet mich blutigen Anfänger auszusuchen, sondern meine Erleichterung und Dankbarkeit reichten weit hinaus in den Raum und in das Universum jenseits menschlicher Erkenntnis.

Was können wir aus dieser Geschichte lernen?

Es steht außer Frage: Falls das Prinzip je gewirkt hat, muss es im Rahmen eines unveränderlichen Naturgesetzes wirken. So sicher, wie sich die Schwerkraft nicht nach Lust und Laune des Schülers an- oder abschalten lässt. Oder nach der Fähigkeit des Anwenders.

In meinem Fall: Ich hatte keine richtige Ausbildung – nur den Wunsch, einem Menschen in Schwierigkeiten zu helfen.

In einem Zustand, in dem ich nicht wusste, was ich tat, war etwas Einschneidendes geschehen.

Ganz beiläufig hatte ich eine Wendung benutzt, die mir später sehr wichtig wurde, wann immer ich um Hilfe gebeten wurde: „Lassen Sie uns mal sehen, was wir tun können.“

Die Betonung liegt auf dem „Wir“. Das schiebt völlig zu Recht das Ego des „Heilers“ beiseite und fordert gleichzeitig den „Patienten“ auf, ein Stück Verantwortung für die Besserung des Zustands mit zu übernehmen. Das Wichtigste aber ist, dass diese Formulierung die momentane Erfahrung fühlbar macht und geschickt aufräumt mit der Erwartung eines einmaligen Wunders durch einen Wunderheiler.

Nachdem ich mich von dieser qualvollen Woche erholt hatte, willigte ich zaghaft ein, wenn andere kamen, um ihre eigene „Schilddrüsengeschichte“ zu erleben. Es ging nicht nur um körperliche Beschwerden, sondern auch um emotionale Verstimmungen, um Beziehungsgeschichten und Probleme wie Asthma oder Zusammenbrüche.

Nach und nach bekam ich immer mehr zu tun und war nicht länger auf die unwissentliche Hilfe der Regierung angewiesen.

Schon bald wurde ich „aus heiterem Himmel“, wie man so sagt, von Leuten eingeladen, die in Sydney eine Gruppe zur Information und Unterstützung für Krebskranke gründeten.

Das war ein riesiger Sprung für mich. Ich hatte nie einen Krebskranken gesehen. Wie sehen die aus?

Können sie sprechen, gehen, essen, überhaupt irgendetwas?

Mir war noch nicht klar, dass wahres Heilen die Krankheiten nicht unterteilt in „die schwierigen“ und die „leichten“. Behalten Sie das im Hinterkopf. Krebs wird als eine schlimme Krankheit dargestellt weil die Medizin solche Schwierigkeiten damit hat.

Sind Sie bereit für eine weitere Synchronizität oder Fügung, die ich erlebte?

Als ich die Gruppe das allererste Mal in Hunter’s Hill traf, stand ich am Empfang hinter einem Mann, dem die Krebsklinik in Bristol, England, eine Heilersitzung pro Woche gegen seinen inoperablen Gehirntumor verordnet hatte. Die Selbsthilfegruppe kenne keinen Heiler, erklärte die Dame an der Rezeption. Mit einem verlegenen Hüsteln trat ich näher und bot meine Hilfe an.

Bevor wir mit Davids erstaunlicher Geschichte fortfahren, möchte ich etwas abschweifen und erklären:

„Heilen“ ist eine ganz natürliche Erweiterung unseres Mitgefühls für andere.

Es gibt keinen Grund zu glauben, dass nur wenige Auserwählte heilen können. Mit diesem ganzen Buch möchte ich Ihnen zeigen, dass Sie selbst eine Menge tun können, um Ihr Leben sehr viel glücklicher zu gestalten, auch wenn Sie nicht Ihr ganzes Leben dem Heilen widmen wollen. – Verbinden Sie sich einfach mit dem natürlichsten aller Zustände: mit der Gesundheit.

Unser ganzes Leben lang sind wir irgendwie „Heiler“. So werden wir geboren. Unsere DNA besteht darauf!

Wir sollten alle unseren Tag beginnen mit der Wiederholung: „Khoroshooor … khoorooshooor …“

An Davids Geschichte wollen wir akzeptieren, dass sie nur ein Beispiel dafür ist, was immer und überall möglich ist.

Ich bin mir ziemlich sicher, David kam eher aus Verzweiflung zu mir als im Vertrauen auf meine beeindruckenden Fähigkeiten, er hatte nur noch wenige Möglichkeiten.

Seine Frau Barbara schien noch weniger beeindruckt: „Du fährst zweimal in der Woche 80 Kilometer, um diesen Menschen zu treffen! Du musst verrückt sein!“

Dennoch kam er ein drittes, ein viertes Mal. Beim fünften Besuch kam seine Frau mit. Ich vermutete, sie wollte mir die Hölle heißmachen.

Er saß ruhig da und schaute mürrisch drein. Dann blickte er mir fest in die Augen und sagte: „Clif, ich hatte vor zwei Tagen eine Computertomografie“, … dramatische Pause …, „und die Ärzte sagten: Da ist kein Tumor!“ Die beiden kugelten sich vor Lachen. Ich hatte Tränen in den Augen, so viel ist sicher.

David war kein junger Mann mehr und starb ein Jahr später an einer Lungenentzündung. Ich würde ja lieber sagen, er habe sie sich beim Skifahren zugezogen. Aber Sie wissen schon, dass es in Australien nicht so oft schneit.

Das war vor 24 Jahren; Barbara, die eine gute Freundin von mir wurde, heiratete wieder und wir sind seitdem in Kontakt, meist über E-Mails.

Meine Arbeit lief wirklich nicht immer glatt. Eine Zeit lang ritt ich auf der Welle des geistigen Heilens mit, das immer noch sehr populär ist. Diesen Weg fand ich damals ganz gut.

Geistiges Heilen ist zweifellos sehr wirkungsvoll, aber ich konnte all diese flüchtigen geistigen Helfer bei meiner Arbeit nicht spüren.

Um Tulip zu wissen war zwar sehr beruhigend, doch klaffte da immer noch eine Lücke zwischen dem vernünftigen Verstand und der Tatsache, dass ich solche überwältigenden Ereignisse erleben konnte.

Irgendwo in diesem Feld der Information entfaltete sich für mich ohne meine bewusste Zustimmung genau der Lernprozess, den ich brauchte und den ich verkraftete.

Nicht durch Zufall (ist das nicht eine nette, absolut treffende Wendung?) wurde ich dem Sozialarbeiter am St. George Hospital vorgestellt, der größten Krebsklinik von Sydney. Er organisierte Vorträge für mich und alle zwei Wochen traf ich die Selbsthilfegruppe im Krankenhaus, um zu helfen und ein paar Tränen zu trocknen.

Über diesen Kontakt wurde ich zu einem schwerkranken Mann gebeten, der das Haus nicht mehr verlassen konnte.

Ich hielt mich an die Methode, die sich als so erfolgreich bewährt hatte. Er sollte sich hinlegen, ich saß hinter seinem Kopf und ich schenkte ihm so viel Aufmerksamkeit, wie ich nur aufbringen konnte. Es tat sich nichts.

Mehr Energie geben!, sagte ich zu mir selbst. – Nichts passierte.

Plötzlich schoss mir ein fürchterlicher Gedanke durch den Kopf. Da ich oft ehrenamtlich arbeitete, hatte ich immer sehr wenig Geld. In meiner Eile, zu diesem Mann zu kommen, hatte ich in einer 20-Minuten-Zone geparkt. Das könnte 50 Dollar Bußgeld kosten …!

Können Sie sich diese Situation vorstellen? Ich kann mich nicht von der Stelle bewegen! Ich muss so lange bei diesem Mann bleiben, bis meiner Vorstellung von dem, was er braucht, Genüge getan ist.

Gehen oder bleiben? Gehen oder bleiben?

Da erschauerte er gleichsam unter meinen Händen. „Was war das, was ist da passiert?“, sagte, ja schrie er fast: „Das war so heiß, so heftig!“

Mir war fast danach, zurückzuschreien …: „Heureka! Ich hab‘s! Ich glaube, jetzt hab ich‘s.“ Blitzartig hatte ich verstanden, dass die lodernde Fackel einschlug, als ich meinen kleinen Verstand aus dem Weg geräumt und mich auf mein Problem konzentriert hatte!

Wenn Sie wirklich verstehen, was da geschehen war, können Sie das Buch an dieser Stelle zuklappen. Denn der ganze Rest des Buches handelt vom Weg des Loslassens, wie man dem unglaublichen Universum das Flugzeug überlässt.

Halt, einen Moment! Das mit dem Zuklappen habe ich so ernst nicht gemeint!

Wir sind miteinander zu einer bemerkenswerten Reise aufgebrochen. Bitte gehen Sie nicht während der Fahrt von Bord des Schiffs, springen Sie nicht aus unserem Flugzeug.

Stellen Sie sich vor, wie angstfrei unser Leben wäre, wenn wir es als Schiffsreise ansehen würden, etwa von London nach New York. Es gibt einen Kapitän und eine Besatzung, die diese Fahrt schon etliche Male gemacht haben und absolut kompetent sind, sodass wir uns keine Sorgen machen müssen.

Das Schiff fährt fahrplanmäßig von London nach New York – und wir können in der Zwischenzeit tanzen, an den Pokerautomaten spielen, Kinder zeugen, streiten, Affären haben und all die anderen Dinge tun, die in einem Menschenleben so möglich sind. Dann legt das Schiff in New York an.

Bevor Sie sich versehen, ist es Zeit, von Bord zu gehen (hoffentlich mit möglichst wenig angesammeltem Kram).

Bevor wir mit diesen tiefsinnigen und ernsten Gedanken über Bord fallen, kommt hier noch eine Lektion, die mir mein Leben in der Welt beschert hat. Sie handelt von einem Mönch in Burma.

Loslassen ... und heilen

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