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2. Der Pilot und sein Logbuch

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Die folgende Geschichte eröffnete ein ganz neues Kapitel in meinem Leben.

Als junger Mann hatte ich drei Leidenschaften: Fotografie, Kunst und Flugzeuge. (Klar, später kamen noch ein paar andere Leidenschaften hinzu …)

Für eine Fluglizenz musste man unter anderem vom Heimatstandort zu einem mindestens 80 Kilometer entfernten Flughafen fliegen, dort landen, eine halbe Stunde warten und dann wieder nach Hause fliegen.

Als ich um acht Uhr morgens abhob, spürte ich schon diesen Zauber der ersten Frühlingstage, mit leichtem Bodenfrost und wolkenlosem Himmel.

Ich drehte nach Süden, unter der rechten Tragfläche meiner geliebten kleinen Piper PA18 glitzerte prachtvoll der Schnee der neuseeländischen Südalpen. Zur Linken bildete das herrliche Blau des Pazifik einen Flickenteppich mit irisch-grünen Schafweiden und dem satten Schwarz frisch gepflügter Felder.

Dann änderte sich etwas: Nach zwanzig Minuten Flugzeit blieb meine Armbanduhr stehen.

Das stellte an sich kein Problem dar. Ich flog weiter und landete ganz normal.

Dann fiel mir auf, dass ich kein anderes Flugzeug in der Luft gesehen hatte. Auf dem Parkplatz standen keine Autos. In den Büros hätten Menschen sein sollen. Die Flugzeughallen waren wie ausgestorben – als wären alle zum Mond geflogen.

In der gespenstischen Stille erschien es mir sinnlos, die geplante halbe Stunde zu warten, deshalb flog ich nach zehn Minuten wieder los.

Wieder in der Luft und die Sonne im Rücken, schien alles wieder normal zu laufen.

Doch das tat es nicht. Nach meiner Landung kam der Chef der Flugschule in Riesenschritten quer über das Rollfeld auf mich zu. „Wo warst du denn so lange?“, wollte er wissen. „Du bist so spät dran, dass wir die Suchmannschaft und das Rettungsteam alarmiert haben. Das ist ein 90-Minuten-Flug und du bist seit mehr als einer Stunde überfällig!“

Das war meine erste persönliche Erfahrung eines „Herausrutschens“ aus der Zeit, mein persönliches „Bermudadreieck“. Daran war nichts zu deuteln.

Wie merkwürdig! Wie interessant!

Schließlich trug ich mit einem feinen Lächeln ganz selbstverständlich die „richtige“ Zeit in mein Logbuch ein!

Natürlich zögerte ich von da an, andere Personen beim Fliegen mitzunehmen!

Solche Dinge haben wir alle schon erlebt. Normalerweise ignorieren wir sie und verscheuchen sie wie Fliegen im Sommer, oder aber wir fürchten, verrückt zu werden. Manche behaupten felsenfest, ihnen sei so etwas noch nie passiert – können Sie sich das vorstellen?

Das brachte mich zwangsläufig auf die Frage: Wenn irgendetwas jemals irgendjemandem widerfahren ist, muss es dann nicht einem allgemeingültigen Gesetz folgen? Ein Gesetz kann doch nicht nur für einige gelten oder funktionieren und für andere nicht!

Es kann keine Ausnahmen von dieser Regel geben. Niemand reist erster Klasse. Wir sind alle in der Touristenklasse zusammengepfercht.

Falls Sie ausprobieren wollen, ob so etwas Ihnen auch passiert, oder wenn es Ihnen schon passiert ist und Sie das häufiger erleben wollen, schlage ich Ihnen Folgendes vor:

→ Besorgen Sie sich ein gutes Notizbuch; eines, das Sie immer bequem in Ihrer Hosentasche oder in einem Beutel bei sich tragen können.

Die Lieblingsnotizbücher von van Gogh, Matisse, Hemingway und Chatwin waren die legendären „Moleskines“. Wenn man die eigene Kreativität entwickeln will, ist man mit ihnen also in guter Gesellschaft. Sie haben ein kleines Gummiband und ein praktisches Innenfach zum Aufheben aller spontan hingekritzelten Gedankenfetzen, die einem in den Sinn kommen, wenn man über das Leben, das Universum und alles mögliche nachdenkt.

Ich gehe nie ohne ein Notizbuch aus dem Haus.

Um Ihr Notizbuch wirklich zu nutzen, müssen Sie anderen damit auf die Nerven gehen: während einer Mahlzeit, während eines Telefongesprächs, sogar im Bett. Denn Sie müssen sich angewöhnen, jederzeit Notizen zu machen. Selbst an den unpassendsten und ungeeignetsten Orten. Wehe, Sie erwischen einen Gedanken nicht sofort – am nächsten Morgen ist er weg, hat er sich in Luft aufgelöst!

Dabei ist das der Ausgangsstoff, der wahrgenommen, geordnet, neu bewertet und dann in Ihr Notizbuch geschrieben werden will.

Wir müssen ein wenig Platz für Ruhe schaffen im Gewimmel und Geplapper unseres Lebens.

Es ist nicht wichtig, was uns gerade einfällt. Keine Auseinandersetzungen, keine weltbewegenden Offenbarungen, keine Anstrengung. Sitzen Sie einfach da mit dem Notizbuch in der einen und einem Stift in der anderen Hand.

Moment! Moment! Ich habe gerade einen Gedanken … nein, er ist schon weg.

Bleiben Sie noch ein paar Minuten so sitzen.

Nichts?

Keine Sorge.

Wir haben viel Zeit.

Immer noch nichts?

Stecken Sie das Notizbuch wieder ein. Graben Sie den Garten um, machen Sie das Auto sauber, kochen Sie ein gutes Essen … Ihre Bitte ist schon im riesigen „Logbuch“ im Himmel registriert. Innerhalb von Tagen oder gar Stunden werden Sie sich an eine gute Geschichte aus Ihrem reichen Erfahrungsschatz erinnern.

Üben Sie, üben Sie! Bleiben Sie wachsam und aufgeschlossen für Neues! Es erfordert Mut, Ihren gebildeten Verstand umzukrempeln. Er wird ständig und überall dagegen aufbegehren.

Hallo, einen Augenblick noch, ich hatte gerade eine tolle Idee: Warum versuchen Sie nicht gleich, ein echtes Pilotenlogbuch zu finden?!

Flug Nr. 101: Flugplan, Cockpit-Check und Flugbericht

Vor jedem Flug muss jeder Pilot beim Kontrollturm einen Flugplan einreichen. Die versammelten Spezialisten dort oben geben Sturmwarnungen weiter, teilen Ihnen die geeignete Flughöhe zu und lotsen Sie durch jede erdenkliche Schwierigkeit hindurch. Als Nächstes müssen Sie vor dem Flug Ihr Cockpit überprüfen. Schließlich führt jeder Pilot nach der Landung seine „Nachbesprechung“ durch – und notiert einen kurzen Bericht der Ereignisse während des Fluges.

1. Halten Sie Ihr Logbuch und Ihren Lieblingsstift bereit.

2. Vergewissern Sie sich, dass Sie entspannt sind und sich wohlfühlen. Legen Sie in Gedanken den Sicherheitsgurt an.

3. Kopfhörer über die Ohren, damit Sie die Sphärenmusik hören oder die Anordnungen des höheren Selbst.

4. Ihre Geistführer haben ihren freien Tag, deshalb entscheiden Sie selbst, welche Richtung Sie einschlagen.

5. Klappen Sie Ihr brandneues Logbuch auf.

6. Kleben Sie auf die linke Innenseite ein Foto von sich selbst. Ein Foto von einer Situation, als Sie besonders glücklich waren. Von nun an werden Sie von Ihrem wunderbaren Selbst begrüßt, wann immer Sie Ihr Logbuch aufschlagen.

7. Lächeln Sie sich selbst zu. Gut aussehend, wunderschön. Sooo glücklich!

8. Lassen Sie zwei Seiten leer – sie erinnern Sie an den grenzenlosen Raum aller Möglichkeiten und an die Entscheidungen, die Sie treffen können.

9. Auf die nächste Seite (eine rechte) schreiben Sie Ihren Namen. Nein, nein, nicht einfach mit einem stumpfen Bleistift oder einem schmierenden Kuli. Nutzen Sie die ganze Seite und lassen Sie sich eine oder zwei Stunden dafür Zeit. Farbstifte, Wasserfarben, Ihre liebsten getrockneten Blätter, leuchtende Wollfäden. Einen Menschen, der kein Künstler ist, gibt es nicht. Niemand bewertet das, es sei denn sie selbst.. Sie tun das allein für sich selbst. Ihr Name soll die ganze Seite einnehmen.

10. Inzwischen leuchten alle Anzeigen im Cockpit startbereit auf.

11. Greifen Sie zum Stift und beginnen Sie zu schreiben.

12. Schreiben Sie das Datum und die genaue Uhrzeit auf.

13. Was hat Sie als Kind fasziniert? Ein paar seltsame Ereignisse vielleicht?

14. Schreiben Sie, soviel Sie können, und lassen Sie Ihren Stift für Sie sprechen.

15. Erinnern Sie sich an einen Ihrer Tagträume.

16. Haben Sie jemals ein Herausrutschen aus der Zeit erlebt?

17. Welche Hindernisse, Widerstände fallen Ihnen auf?

18. Irgendwelche anderen Gedanken?

19. Nehmen Sie sich so lange Zeit, wie Sie wollen, legen Sie dann Ihr Logbuch auf den Schoß, schließen Sie die Augen und lauschen Sie auf alle Geräusche in Ihrer äußeren Umgebung. Lassen Sie meine CD Mind Music laufen [Näheres dazu weiter hinten und am Schluss des Buches. Anm. d. Verlags], um Ihre Erinnerungen ins Gleichgewicht zu bringen.

20. Später, wenn Sie wieder gelandet sind, nehmen Sie Ihr Logbuch noch einmal zur Hand und notieren Sie körperliche, emotionale, spirituelle und ausgedachte Veränderungen.

Glückwunsch! Sie haben soeben zum ersten Mal erfolgreich einen Alleinflug absolviert. Heben Sie sich den Kunstflug für später auf; jeder beginnt mit seinem geschlossenen Stromkreis im Kopf und seinem Rundflug des Verstands. Noch keine internationalen Flüge, nur ein kurzer Start mit Landung.

Loslassen ... und heilen

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