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Im Dorf ihrer Kindheit hatte sie sich immer schon fremd gefühlt. Nachzüglerin einer Bubenfamilie, gezeugt, als die Mutter frühmorgens ins Schlafzimmer oberhalb der Gastwirtsstube wankte und der Vater schon auf dem Weg hinunter in den Weinkeller war, um sein Tagwerk zu beginnen. »Nicht geplant« sei sie gewesen, das hatte sie als kleines Mädchen nur zu oft gehört. Ihre Existenz hatte sie einem kurzen Begehren auf einer Holzstiege zu verdanken.

So fühlte sich Bella in dem Dorf und in der Familie mit fünf älteren Brüdern: Zufällig hineingeboren. Als sie 14 Tage alt war, ließ die Mutter den Kinderwagen samt Säugling wegschaffen. Aufgezogen wurde Bella von ihrer Tante, die sie Mama nannte und über alles liebte.

Bella, warum schaust du so böse? Auf Familienfotos sah man ihre dunkelbraunen Augen unter dem brünetten Pagenkopf richtig funkeln.

Bella, wo warst du schon wieder so lange? An manchen Tagen hüpfte Bella auf den Steinen im Bach das ganze Tal hinein bis zum großen Wasserfall. Sie fing mit bloßen Händen Forellen aus dem kalten Wasser und schlug sie auf einem Stein tot.

Bella, was schreibst du da? In einem kleinen Büchlein notierte sie sich interessante Worte, um sie später in ihren Aufsätzen zu verwenden. Sie wollte schon mit zehn Jahren Schriftstellerin werden.

Im Wirtshaus der Eltern wurde viel gesungen, getanzt und getrunken. Bella dachte lange, Betrunkensein sei ganz normal und Nüchternheit der bedauernswerte Zustand nach dem Genuss von Alkohol. Wie Leihpersonal wurde die kleine Bella regelmäßig abgeholt, nicht einmal die geliebte Tante konnte das verhindern, dann musste sie im Wirtshaus Teller waschen, Aschenbecher putzen, Wein ausschenken, beim »Bunten Abend« im Dirndl Heimatlieder singen. Und wenn die begeisterten Gäste eine Runde spendierten, da musste auch sie Schnaps trinken. Obstler, Williams, Kirsch. Mit den Jahren wurde sie immer trinkfester. Alkohol entfaltete bei ihr nie die übliche Wirkung. Nur bei Champagner stellte sich später jene süße Benommenheit ein, die Menschen dazu verleitet, viel zu viel zu trinken.

Wäre sie kein Mädchen gewesen, sondern ein Bub, dann hätte sie wie ihre Brüder ins Gymnasium gehen können und später auf die Uni und außerdem einen BMW mit Sportfelgen fahren. So sollte sie den Kronenwirt des Nachbardorfes ehelichen und dann von ihrer Mutter, der singenden Sonnenwirtin, das durch Heirat vergrößerte Gastro-Imperium übernehmen. Das war fix geplant mit dem Kind, das zwar nicht geplant, aber sehr musikalisch war.

Bella musste noch heute schmunzeln, wenn sie daran dachte, denn der Kronenwirt war ein wirklich begehrenswerter Mann gewesen. Sie hatte sich für eine Nacht mit ihm entschieden, aber gegen den Rest.

Als Isabella die Tür zu ihrer Altstadtwohnung aufsperrte, bereitete Marcelo in der Küche gerade French Toast zu. Der Duft von gebräunter Butter, Eiern, knusprigem Weißbrot und frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer stieg ihr in die Nase. »Auch einen für dich?«, fragte Marcelo und schwenkte die Pfanne. Isabella nickte dankbar, legte ihre Magazine und Mappen auf dem großen Holztisch ab, warf den gelben Mantel über einen Stuhl und begrüßte ihre Tiger. Der kohlrabenschwarze Mogli schnurrte laut, die ungarische, getigerte Prinzessin strich ihr in Achtern um die Beine. Sie füllte die Katzenschüsseln, dann schenkte sie sich und ihrem spanischen Mitbewohner zwei Gläser kühlen Sancerre ein.

Aus dem CD-Player klang Haydns Paris-Symphonie Nummer 82, C-Dur. Der French Toast schmeckte wunderbar. Und in Gesellschaft von Marcelo noch besser. Mit jedem Jahrzehnt genoss sie es mehr, junge, aufgeschlossene Menschen um sich zu haben, sich inspirieren zu lassen von ihren Visionen und der Kraft, mit der sie diese Visionen vertraten. Isabella hatte schon mit Studenten aus Uruguay, Japan, Finnland, Holland, Italien, Spanien und Ungarn und einem Flüchtling aus Syrien gewohnt.

Sie fühlte Genugtuung darüber, dass sie sich damals ins Gymnasium gekämpft, schreiben gelernt und fortan selbst entschieden hatte, wie und wo und mit wem sie leben, für wen sie arbeiten und wofür sie ihre Kräfte einsetzen wollte.

Isabella wollte noch Mails checken, Nachrichten schauen, sich gedanklich auf den nächsten Interviewpartner für ihr Sonntagsformat einstimmen und ein heißes Bad mit Rosenöl nehmen. Das machte so schön müde. Und eine zarte, weiche Haut.

Herzschweißen

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