Читать книгу Kamasutra reloaded - Cora Schmidt - Страница 4
1. Allgemeiner Teil § 1. Übersicht über das Buch.
ОглавлениеDem Dharma, Artha und Kāma Verneigung!
Weil sie in dem Lehrbuche immer wiederkehren.
Ja, so machte man das. Das ursprüngliche Manuskript wird dem dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zugeordnet (Analyse von Schriftproben). Heute findet man solche Danksagungen noch im muslimischen Gebet oder auch der Thanksgiving-Tradition.
Dharma ist also keine Figur einer TV-Serie, sondern das hinduistisches Lebensziel Geistlichkeit, Artha ist das Weltliche (Erwerb) und Kama (nicht Karma) die körperliche Erfüllung und Lust, deshalb heißt das Buch Kama Sutra,
In den Kommentaren von Yaśodhara, der das Manuskript im 13. Jahrhundert bearbeitet hat, wies er (sich ebenfalls vor dem Allwissenden verneigend) darauf hin, da es so viele Gottheiten gibt, dass diese drei (Lebensziele) wegen ihrer Wichtigkeit für das Buch herausgehoben wurden.
Verneigung auch den Lehrern, die das Wesen derselben zur Erkenntnis gebracht haben (avabodhaka).
Wegen der Verbindung damit.
Hier bezieht sich der Autor auf seine Quellen, obwohl es Urheberrechte damals wirklich nicht gab, und konkretisiert es im weiteren:
Prajāpati nämlich trug, nachdem er die Geschöpfe erschaffen hatte, vor ihnen die Satzungen der drei Lebensziele, als die Grundbedingung ihrer Erhaltung, in hunderttausend Kapiteln vor.
Davon sonderte Manu Svāyaṃbhuva einen Teil ab, der den Dharma betraf.
Bṛhaspati den Teil, der den Artha betraf.
Und des Mahādeva Diener Nandin lehrte gesondert in tausend Kapiteln das Lehrbuch der Liebe.
Dasselbe aber verkürzte auf fünfhundert Kapitel Auddālaki Svetaketu.
Dasselbe aber verkürzte wiederum auf anderthalbhundert Kapitel Bābhravya Pāñcāla in sieben Abschnitten, einem allgemeinen, einem über den Liebesgenuß, einem über den Verkehr mit Mädchen, einem über die verheirateten Frauen, einem über fremde Weiber, einem über die Hetären und einer Upaniṣad (Geheimlehre).
Davon behandelte Dattaka auf eine Aufforderung der Hetären von Pāṭaliputra hin den sechsten Abschnitt, den »über die Hetären«, gesondert.
Liest sich wie das alte Testament, aber es ist gleich vorbei.
Im Zusammenhang damit behandelte Cārāyaṇa den allgemeinen Teil besonders; Suvarṇanābha den Abschnitt über den Liebesgenuß; Ghoṭakamukha den Abschnitt über den Verkehr mit Mädchen; Go nardīya den Abschnitt über die verheirateten Frauen, Goṇikāputra den Abschnitt über fremde Weiber, Kucumāra die Upanisad. So ward dieses Lehrbuch von vielen Meistern stückweise abgefaßt und sein Zusammenhang unterbrochen.
Naja, das mit dem Zusammenhang ist auch so eine Sache, es geht ja nicht nur ums Poppen - das der rote Faden wäre -, sondern um die Lebensziele Dharma, Artha und Kama, das sind schon drei auch noch ineinander verwobene Fäden.
Weil nun dort die von Dattaka usw. verfaßten Abschnitte des Lehrbuches nur Bruchstücke sind, das des Bābhravya aber wegen seines Umfanges schwer zu studieren ist, wurde der ganze Stoff (von Vātsyāyana) zu einem kleinen Texte zusammengefaßt und so dieses Kāmasūtram geschrieben.
Aha, jetzt wissen wirs. Die Brüder Grimm waren nicht so ausführlich, wie und wo sie ihre Märchen zusammengetragen haben (auch weil es noch deutlich komplizierter gewesen wäre).
Es folgt das Inhaltsverzeichnis, wie es 1912 in (der fünften Ausgabe) der deutschen Übersetzung aussah:
Hier die Darlegung seiner Abschnitte und Paragraphen:
Übersicht über das Buch;
Erreichung der drei Lebensziele;
Darlegung des Wissens;
Leben des Elegants;
Erörterung über die Freunde und die Befugnisse der Botin des Liebhabers.
- So weit der erste, allgemeine Teil: fünf Paragraphen.
Darstellung des Koitus nach Maß, Zeit und Temperament;
Arten der Liebe;
Untersuchung über die Umarmungen;
Mannigfaltigkeit der Küsse;
die Arten der Nägelwunden;
Regeln für das Beißen mit den Zähnen;
Gebräuche in den einzelnen Ländern;
Arten der Lagerung während des Beischlafes;
absonderliche Weisen des Koitus;
Anwendung von Schlägen und die dabei gebräuchlichen Ausführungen des sīt-Machens;
der umgekehrte Liebesgenuß;
Stellungen des Mannes beim Liebesgenuß;
das Auparistakam;
Anfang und Ende des Liebesgenusses;
verschiedene Arten der geschlechtlichen Liebe;
Liebesstreit.
- So weit der zweite Abschnitt, über den Liebesgenuß: siebzehn Paragraphen.
Regeln für das Freien;
Prüfung der Verbindungen;
Gewinnen des Vertrauens des Mädchens;
das Herangehen an ein Mädchen;
Erklärung des Äußeren und der Gebärden;
die Bemühungen eines einzelnen Mannes;
das Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes;
Erlangung des Mädchens infolge der Annäherung;
Hochzeitsfeier.
- So weit der dritte Abschnitt, über den Verkehr mit Mädchen: neun Paragraphen.
Benehmen der einzigen Gattin;
Wandel während der Reise des Mannes;
Benehmen der ältesten Gattin gegenüber den Nebenfrauen;
Benehmen der jüngsten Gattin;
Benehmen der Witwe, die wieder geheiratet hat;
Benehmen der Zurückgesetzten;
Leben im Harem;
des Mannes Umgang mit vielen Gattinnen.
- So weit der vierte Abschnitt, über die verheirateten Frauen: acht Paragraphen.
Darstellung des Charakters von Mann und Frau (und die) Gründe der Zurückhaltung;
die bei den Frauen vom Glück begünstigten Männer;
die mühelos zu gewinnenden Frauen;
das Anknüpfen der Bekanntschaft;
die Annäherungen;
die Prüfung des Wesens;
die Taten der Botin;
das Liebesleben großer Herren;
das Treiben der Frauen im Harem;
die Bewachung der Frauen.
- So weit der fünfte Abschnitt, über die fremden Weiber: zehn Paragraphen.
Musterung der Besucher;
Gründe des Besuchens;
Zurückweisen der Besucher;
Hingebung an den Geliebten;
Mittel für den Erwerb von Vermögen;
Kennzeichen eines Gleichgültigen;
Erkennen der Gleichgültigkeit;
Verfahren bei dem Fortjagen;
Wiederannahme eines Ruinierten;
Arten des Gewinnes;
Prüfung der Aussichten auf Gewinn und Verlust und des Risikos;
Arten der Hetären.
So weit der sechste Abschnitt, über die Hetären: zwölf Paragraphen.
Bezaubern der Frauen;
Gefügigmachen;
Stimulantien;
Wiedererweckung der erstorbenen Leidenschaft;
Mittel, den Penis zu vergrößern;
besondere Praktiken.
- So weit der siebente Abschnitt, die Upanisad: sechs Paragraphen.
Das letzte Kapitel, die Upanisad oder Geheimschrift, stammt nicht von Vātsyāyana, sondern wurde von Jaśodhara im 13. Jahrhundert angefügt.
So ergeben sich sechsunddreißig Kapitel, vierundsechzig Paragraphen und sieben Abschnitte (Teile). Tausend Sloken nebst einem Viertel.
Das ist die Übersicht über das Buch.
Nachdem diese kurze Übersicht desselben gegeben worden ist, wird nun die ausführliche Darstellung folgen: denn erwünscht ist den Wissenden hienieden eine gedrängte und (zugleich) eine breite Darstellung.
Dass das Inhaltsverzeichnis eher eine fließende Zusammenfassung des Buches (es ist durch die Zeilenumbrüche schon deutlich lesbarer gemacht) und seine Reihenfolge, wie wir sie heute erwarten, umgekehrt ist, liegt in der Schreibweise des Manuskripts begründet. Das ist nämlich ohne 'Punkt und Komma':
Abbildung aus dem Digitalarchiv (open source) der Chunilal Gandhi
Vidyabhavan (College), Surat (Gujarat, Indien)
Die Anmerkungen sind zu Anfang recht umfangreich, da die Zusammenhänge und (damalige) Gepflogenheiten der indischen Kultur erklärt werden, werden aber später kürzer, weil diese dann ja bekannt sind.