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§ 2. Die Erreichung der drei Lebensziele.
ОглавлениеDer Mann, dessen Lebensdauer hundert Jahre beträgt, teile seine Zeit und beschäftige sich mit der Dreizahl der Lebensziele, eins an das andere anknüpfend, ohne daß sie sich dabei untereinander beeinträchtigen.
Man kann sich denken, dass diese Angabe eine Wunschvorstellung war, doch ist zu überlegen, dass sich das Buch an die männlichen Mitglieder der obersten Kaste, den Brahmanen, richtet, und da war die medizinische Versorgung und Lebenserwartung (Klima, keine Industrie) bereits vor 2000 Jahren höher als in der westlichen Hemisphäre im vorletzten Jahrhundert (Degeneration, Industrialisierung). Die drei Lebensziele sind bereits benannt, und bitteschön eins nach dem anderen:
In der Kindheit (beschäftige man sich) mit der Erlangung des Wissens und ähnlichen Gegenständen des Artha.
Und in der Jugend mit der Liebe.
Im reifen Alter mit Dharma und Erlösung.
Die Reihenfolge ändert sich aber je nach Situation:
Oder man beschäftige sich mit ihnen, wegen der Unbeständigkeit des Lebens, wie es sich gerade trifft.
Genau, deshalb bieten heute Versicherungen und Kreditinstitute variable Konditionen an - als hätten sie das Kamasutra gelesen.
Man bleibt aber Brahmanenschüler bis zur Erlangung des Wissens.
In jeder Kaste gab es gemäß der Kommentare vier Stufen: den Brahmanenschüler, den Hausherrn, den Einsiedler und den Bettler. Heute ist diese Aufteilung der Jatis (Unterkasten) überholt, auch wenn das Kastenwesen noch existiert. Jaśodhara gibt eine verbindende Reihenfolge für die drei Lebensziele an: 'und zwar ist dabei nach der Meinung der Liebeskundigen die Liebe (Kama) als Ergebnis von Frömmigkeit (Dharma) und Erwerb (Artha) das erhabenste Ziel und die Krone des Ganzen.'
Dharma ist das lehrbuchsmäßige Anbefehlen von Opfern und ähnlichen Handlungen, die (aber) unterbleiben, weil sie nicht dieser Welt angehören und man (darum) keinen Erfolg sieht; sowie das lehrbuchsmäßige Abhalten vom Fleischgenuß und ähnlichen Handlungen, die (aber) geschehen, weil sie dieser Welt angehören und man den Erfolg sieht.
Was für eine Umschreibung für Sex, Drugs and Rock'n'Roll - weil sie dieser Welt angehören. Es stellt also Dharma dem Kama gegenüber - weil man bei Askese und Zölibat nicht weltlich belohnt wird, darüber sollte man sich aber vorher klar sein. Vātsyāyana lebte, wie er selbst am Ende des Buches angibt, in Keuschheit.
Diesen gewinne man aus der heiligen Überlieferung und dem Verkehr mit Rechtskundigen.
Erwerb von Wissen, Land, edlem Metall, Vieh, Getreide, Geschirrvorrat, Freunden usw. und Mehrung des Erworbenen ist Artha.
Diesen erwerbe man von dem Auftreten der Aufseher, den Kennern der Satzungen der Überlieferung und den Kaufleuten.
Das in der gehörigen Ordnung und je auf ihrem Gebiete stattfindende Wirken der in dem zur Seele gehörenden Empfinden zusammengefaßten (Sinne): Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch ist Kāma.
Die fünf großen G - an dieser Stelle mag man nicht glauben, wie es später noch abgeht, was man alles mit den fünf G des Kama anfangen kann.
Das erfolgreiche, infolge der besonderen Berührungen von der Wonne des Selbstbewußtseins begleitete richtige Empfinden derselben aber ist hauptsächlich Kāma.
Diesen lerne man aus dem Lehrbuche der Liebe und aus der Verbindung mit der Lebewelt.
Bei einer Kollision derselben ist immer der Vorangehende der Wichtigere.
Jaja, als wenn man einen Schritt zurückginge, wenn was schiefläuft. Das 'Lehrbuche der Liebe' ist das Kamasutra und die 'Verbindung mit der Lebewelt' die Erlaubnis 'probieren geht über studieren'.
Für den König der Artha, weil darin der Gang der Welt wurzelt; und ebenso für die Hetäre. – Soweit die Erreichung der drei Lebensziele.
Es soll so sein, dass die Oberbonzen und die Edelhuren sich angesprochen fühlen, für die die Erreichung der drei Lebensziele gilt, weil die anderen es gar nicht schaffen können.
Für den Dharma, der ja nicht dieser Welt angehört, ist ein Lehrbuch, welches darüber handelt, angebracht (und ebenso für den Artha), da er nur unter Beobachtung gewisser Regeln glücklich zustande gebracht wird. Die Regeln (aber) ersieht man aus dem Lehrbuche.
Es gibt also kein Dharma- oder Artha-Sutra. Als Hinweis meint Vātsyāyana vorzuschlagen, es genauso zu machen wie er.
Da jedoch sogar bei den Tieren der Kāma von selbst geübt wird und angeboren ist, so ist mit einem Lehrbuche (darüber) nichts anzufangen, sagen die Lehrer.
Also braucht es keinen Sexratgeber für Tiere …
Da (der Kāma) in der fleischlichen Vereinigung von Mann und Frau besteht, verlangt er ein Hilfsmittel.
… aber für Menschen, weil die sonst nicht wissen, wie es geht.
Und die Kenntnis dieser Hilfsmittel schöpft man aus dem Lehrbuche der Liebe, sagt Vātsyāyana.
Bei den Tieren dagegen findet die Ausübung (der geschlechtlichen Funktionen) ohne Hilfsmittel statt, da die Weibchen nicht versteckt gehalten werden, der Geschlechtstrieb während der Brunstzeit bis zur Befriedigung gebracht wird und (der Akt) von keiner Überlegung begleitet ist.
Na sowas, Tiere verstecken ihre Weibchen nicht und denken nicht über Sex nach, sondern haben ihn einfach. Also verschleiern sich muslimische Frauen und verlassen das Haus nicht, damit sie nicht wie Tiere auf offener Straße von den wilden Männchen bestiegen werden.
Man vollbringe keine Taten des Dharma, da der Lohn dafür erst künftig kommen soll und wegen der Zweifelhaftigkeit.
Denn welcher Nichtkindische würde wohl das in der Hand Befindliche einem andern einhändigen?
Besser heute eine Taube als morgen ein Pfau.
Besser als ein zweifelhafter Brustgoldschmuck ist ein unzweifelhaftes Goldstück - Das sind die Ansichten der Materialisten.
Das ist doch mal was anderes. Warum hat sich hier bloß dieser blöde 'Lieber ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach'-Vergleich durchgesetzt? Vermutlich, weil bei den wenigsten Leuten Pfauen im Garten spazieren und sie sich nicht mit Goldschmuck behängen - es war wie erwähnt ein Lehrbuch für die damalige High Society.
Da das Lehrbuch zum Mißtrauen keine Veranlassung geben kann; da man sieht, daß Behexung und Beschwörung bisweilen Erfolg hat; da man sieht, daß die Mondhäuser, der Mond, die Sonne und der Kreis der Planeten gleichsam mit Überlegung für die Welt wirken;
Später wird die besondere Bedeutung des Mondes noch benannt.
da das Treiben der Welt durch das Leben nach den Satzungen der Kasten und Stadien gekennzeichnet wird, und da man sieht, daß man den in der Hand befindlichen Samen um des künftigen Getreides willen auswirft, so vollbringe man die Handlungen des Dharma. So lehrt Vātsyāyana.
Ist das sowas wie 'Simon befiehlt'? Wenn er es nicht schreibt, gilt es nicht?
Man vollbringe keine Taten des Artha: denn selbst mit Mühe erstrebt werden Gelder (bisweilen) niemals erlangt; sogar ohne daß man danach strebt, kommen sie ganz von selbst.
Das alles wird vom Schicksal bewirkt.
Das Schicksal nämlich bringt die Menschen zu Reichtum und Armut, Sieg und Niederlage, Glück und Unglück.
Wenn man Artha nur als weltlichen Wohlstand betrachtet, ergibt es keinen Sinn, dass man nicht aktiv Einfluss nehmen kann, aber gemeint ist die innere Genugtuung als spirituelle Erfahrung seines äußerlichen Reichtums. Aber zwei Absätze tiefer nennt er den Ausweg.
Vom Schicksal wurde Bali zu Indra gemacht, vom Schicksal wurde er gestürzt; eben das Schicksal wird ihn auch wieder erhöhen. - Das ist die Meinung der Fatalisten.
Die Grundlage aller Betätigungen sind die Hilfsmittel, da sie von der menschlichen Wirksamkeit abhängen.
Auch ein notwendig erfolgendes Vermögen ist durch Hilfsmittel bedingt: ein Untätiger hat kein Glück. – So lehrt Vātsyāyana.
Man vollbringe keine Taten des Kāma, wegen ihrer Rivalität mit den beiden Hauptsachen Dharma und Artha und anderen trefflichen Menschen. Sie bewirken bei dem Menschen Verkehr mit Niedrigen, schlechte Unternehmungen, Unreinlichkeit und Vernichtung der Zukunft.
Ferner Nachlässigkeit, Leichtsinn, Mißtrauen (bei Anderen) und Meidung (seitens der Mitmenschen).
Man hört von vielen der Liebe Ergebenen, die sogar samt ihrer Begleitung untergegangen sind.
So ging der Bhoja namens Dāṇḍakya, welcher die Tochter eines Brahmanen beschlafen hatte, infolge der Liebe samt Sippe und Reich unter.
Der Götterkönig, der die Ahalyā; der übermächtige Kīcaka, der die Draupadī, und Rāvaṇa, der die Sītā (entehrte) und noch viele andere, die später lebten, sieht man, der Liebe ergeben, untergehen, - So ist die Meinung der Opportunisten.
Die Taten des Kāma stehen auf gleicher Stufe mit dem Essen, da sie das Gedeihen des Leibes bedingen; und sind die Frucht von Dharma und Artha.
Wie an den Nachteilen muß man lernen. Denn man unterläßt die Bereitung der Topfspeisen nicht, weil es Bettler gibt (die sie wegessen könnten); man unterläßt die Aussaat des Getreides nicht, weil es Gazellen gibt (die es abweiden könnten). - So lehrt Vātsyāyana.
Hier folgen einige Sloken:
Der Mann, der so dem Artha, dem Kāma und dem Dharma obliegt, der erlangt hier wie dort dornenloses, unendliches Glück.
Bei einer Tat, wo die Befürchtung nicht entsteht, was anderswo geschehen mag, und wo ein Glück erlangt wird, welches den Artha nicht tötet, bleiben die Edlen stehen.
Was die drei Lebensziele erreichen hilft, zwei oder auch nur eines, die Tat vollbringe man, aber nicht eine, die die beiden anderen schädigt.
Puh, wir haben also die Meinung der Materialisten, der Fatalisten, der Opportunisten und dazwischen ein paar Lehrsätze von Vātsyāyana. Man suche sich aus, was einem am nächsten ist.