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‚Poetik des Rituals‘: Anliegen und Vorgehensweise der Arbeit

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Der Titel ‚Poetik des Rituals‘ ist in Anlehnung an die eingeführte Rede von der ‚Poetik der Kultur‘ formuliert.19 Er deutet darauf, daß die Vorgehensweise der folgenden Untersuchungen sich an theoretische und methodische Voraussetzungen des ‚kulturwissenschaftlichen‘ Forschungsparadigmas anschließt.20 Diese Öffnung legt der Gegenstand der Arbeit nahe: Kulturwissenschaft versteht sich erstens als ein transdisziplinär angelegter Ansatz, als eine Metaebene des Dialogs,21 auf die sich eine Arbeit zum Ritual von vornherein einzulassen hat. Kulturwissenschaft stellt zweitens die Materialität von Kultur in den Mittelpunkt ihres Interesses; sie fragt, ausgehend vom symbolischen Material einer Kultur und ihren Handlungs- und Interaktionsmustern, nach Arten und Bedingungen der Konstruktion von sozialen Wirklichkeiten und Bedeutungen.

Das Phänomen rituellen Handelns scheint mit diesem Ansatz adäquater erfaßt werden zu können als – um das im Zuge der theoretischen Profilierung von Kulturwissenschaft zum ‚Gegenbegriff‘ erklärte Paradigma einzuspielen – mit traditionell ‚geisteswissenschaftlich‘ orientierten Ansätzen, in denen kulturelle Formen primär als Objektivationen von (vorgängigen) Ideen erscheinen.22 Die Beschäftigung mit dem Ritual war in dieser Hinsicht, wie vor allem BELL aufgezeigt hat, lange einer vorherrschenden Dichotomie zwischen vorrangigen Glaubensinhalten oder Ideologien und dem ihnen nachgeordneten Handeln als sekundärer Kulturform unterworfen.23 Rituale galten in diesem Sinne überwiegend bloß als Abbild ideologischer Strukturen und gesellschaftlicher Ordnungen, die vor und außerhalb ihrer angesetzt wurden, und weniger als Handlungen und Modelle, mittels deren jene konstruiert und transformiert werden.

Die Arbeit wendet sich mittelalterlichen Ritualen unter einer zweifachen Perspektive zu. In Anlehnung an das Konzept der ‚poetics of culture‘ wird im ersten Teil der Arbeit eine kulturelle Poetik des Rituals nachgezeichnet (Poetik des Rituals I). Rituale werden unter kulturwissenschaftlicher Perspektive als spezifischer Ausschnitt und Teil eines semiotischen Konzepts von Kultur angesehen. Kultur wird dabei, um den mittlerweile „zum kulturwissenschaftlichen Kirchenvater avancierte[n]“24 CLIFFORD GEERTZ zu Wort kommen zu lassen, als „Montage“, als „Ensemble von Texten“, als ein vom Menschen „selbstgesponnene[s] Bedeutungsgewebe“ verstanden.25 Als „Ensemble von Überzeugungen und Praktiken“26 bildet Kultur ein komplexes Gefüge von ‚Texten‘ verschiedenster Art: von sprachlichen Texten, und zwar literarischen wie nicht-literarischen, von nicht-sprachlichen Artefakten (Bilder, Skulpturen, Architektur) und von sozialen Institutionen und Praktiken, darunter Gesten und Ritualen. Rituale sind also – ebenso wie die Texte, in denen sie zur Sprache kommen – Teil dieses übergeordneten Textzusammenhangs, sie können als ‚Fäden‘ jenes ‚Kulturgewebes‘ verstanden werden. Als solche sind sie ihrerseits selbst ‚gesponnen‘ und stellen für sich komplexe Systeme dar, die in engem wechselseitigem Austausch mit den anderen Teilsystemen der Kultur, beispielsweise der Literatur, stehen. Sie bündeln in sich bereits verschiedenste Einflüsse, Ansprüche und Werte. Innerhalb des umfassenden ‚Metatextes‘ Kultur können Rituale also als „ein durch symbolische Handlungen ausgestalteter, in Handlungen repräsentierter und durch Handlungen strukturierter Text“27 verstanden und interpretiert werden. Analog etwa zu literarischen Texten sind sie als Modelle von und für gesellschaftliche Ordnung ‚gemacht‘.

Unter diesen Prämissen werden Rituale im ersten Teil der Arbeit als kulturelle Konstrukte beschrieben, denen drei zentrale Konstituenten zugrunde liegen: Form (Kapitel 1), Substanz (Kapitel 2) und Funktion (Kapitel 3). Damit ist weder intendiert, ein allgemeingültiges Handlungs- und Symbolsystem nachzuweisen, noch ein geschlossenes Modell von Ritual28 oder eine ‚Metatheorie‘ zum Ritual zu entwerfen, sondern die Konstruktionsprinzipien von Ritualen, die Regeln ihres ‚Gemachtseins‘ zu beschreiben. In Abgrenzung von klassifikatorischen Ritualdefinitionen wird ein dynamischer Ritualbegriff anvisiert, der von der grundsätzlichen Interferenz der genannten Konstituenten und ihrem komplexen Zusammenspiel ausgeht. Die Beschreibung orientiert sich dabei an den mit den Konstituenten verbundenen Aspekten und Problemen in Auseinandersetzung mit allgemeinen Ritualtheorien. Dies erfolgt maßgeblich unter einer vom Textkorpus geforderten spezifisch historisierenden Perspektive: Gefragt wird, welche Probleme sich mit herkömmlichen Bestimmungen und Vorstellungen vom Ritual in der Anwendung auf das Mittelalter ergeben, welche Aspekte hier von Relevanz sind und welche weniger.

Trotz dem Plädoyer für einen offenen Ritualbegriff ist es ein Anliegen dieses Teils, den Begriff nicht, wie GOODY einmal warnte, ad infinitum und somit ad absurdum zu führen.29 Das Vorhaben, das Ritual in den wichtigsten seiner Schattierungen, in der Vielfalt seiner Typen und seiner offenen Strukturierungsfunktion für unterschiedliche Felder sozialer Interaktion zu beschreiben, legt es nahe, im Vorfeld nicht nur starre Klassifikationen und Vereindeutigungen, sondern auch unspezifische Nivellierungen zu vermeiden.

Ausgehend von der Tatsache, daß Rituale nicht nur als ‚Texte‘ innerhalb eines umfassenderen kulturellen ‚Kon-Textes‘ nach Regeln der Textinterpretation les- und beschreibbar sind, sondern daß mittelalterliche Rituale uns als eine primär nicht-sprachliche und nicht-diskursive Praxis immer nur in schriftlichen Texten vermittelt sind, werden die Ausführungen nach Möglichkeit deshalb – nicht nur ihrer Anschaulichkeit wegen – an konkreten Textbeispielen, an beschriebenen Ritualen expliziert. Die schriftsprachlichen Kontexte, in denen diese Rituale überliefert sind und die ihrer Interpretation bereits Vorgaben setzen, werden somit indirekt berücksichtigt, doch stehen sie in diesem Teil der Arbeit, in dem der Fokus auf dem Ritual und seinen Konstruktionsbedingungen liegt, nicht im Vordergrund. Auch in dieser Hinsicht sind die Überlegungen im ersten Teil der Untersuchung nicht im strikten Sinn theoretisch, sondern bereits eine interpretierende Beschreibung von Einzelfällen, eine Ansammlung aspektorientierter Miniaturstudien zu Ritualen in mittelalterlichen Texten.

Um das komplexe und vielschichtige Phänomen ‚Ritual‘ zur Anschauung zu bringen, wurde eine Vielzahl von Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen herangezogen, doch sollten die Textausschnitte andererseits auch so ausgewählt sein, daß sie auf eine überschaubare Menge beschränkt bleiben, so daß auf einmal angesprochene Rituale zumeist mehrfach, jeweils unter einem anderen, weiterführenden Gesichtspunkt zurückgegriffen wird. Neben diesem Kriterium war zudem die besondere Anschaulichkeit der Textausschnitte für ihre Auswahl maßgebend. Daß der eine Leser dieses oder jenes instruktive Beispiel vermissen, der andere bei der Wiederbegegnung mit einem bereits genannten Ritual auf den ersten Blick das Gefühl von Redundanz gewinnen mag, wird dabei zugunsten einer größeren Geschlossenheit der Beschreibung bewußt in Kauf genommen.

Das kultursemiotisch ausgerichtete Konzept führt heuristisch dazu, daß die klassische Trennung in historiographische und literarische Quellen in diesem ersten Teil der Arbeit aufgegeben wird. „Geschichte kann nicht länger als feststehende Antithese oder als beständiger Hintergrund dem literarischen Text entgegengesetzt werden, und die ängstliche Isolierung dieser Texte muß einem Sinn für deren Interaktion mit anderen Texten und für die Durchlässigkeit ihrer Grenzen weichen.“30 Berücksichtigt werden hier also historiographische und literarisch-fiktionale Texte in gleicher Weise.31 Hier gilt es möglichen Mißverständnissen vorzubeugen: Weder sollen literarische Texte als Quellen zur Rekonstruktion eines bestimmten, aufgrund seines fiktionalen Status zwar gebrochenen, aber mittelbar doch eruierbaren historischen Rituals herangezogen werden,32 noch sollen historiographische Texte als Abbild eines solchen Rituals verstanden werden. Vielmehr gelten mir Ritualdarstellungen in beiden Texttypen prinzipiell als interessegeleitet und als spezifische Interpretationsentwürfe zu einem konkreten Ritual. Es geht im folgenden also – dies gilt es vor allem für die historiographischen Texte zu betonen – nicht um die Frage, ob ein Text ein Ritual so abbildet, wie es tatsächlich stattgefunden hat, sondern um die Rekonstruktion der grundsätzlichen Möglichkeiten einer ‚Poetik des Rituals‘, um das Eruieren prinzipieller Regeln ihres Gemachtseins, die die Texte in einem gemeinsamen Bestand an immer wiederkehrenden formalen Handlungsmustern, sich wiederholenden inhaltlichen Vorstellungen und Funktionalisierungen erkennen lassen.

Sowohl der nicht autonome Status literarischer Texte im Mittelalter als auch der für neuzeitliche Vorstellungen oftmals befremdlich fiktionale Charakter historiographischer Quellen erlaubt es aus kultursemiotischer Sicht, beide Texttypen für die Frage auszuwerten, wie Rituale prinzipiell konstruiert sind und wie mit ihrer Hilfe Bedeutung generiert wird.

Denn inzwischen ist die Einsicht gewachsen, daß auch die angeblich realitätsnahen Quellen nicht ganz so rein Wirklichkeit sprudeln, wie das die Quellmetaphorik glauben machen möchte; während andererseits die fiktionalen Texte sich zwar von geschichtlichen Ereignissen weitgehend lösen, den Vorstellungswelten und Kommunikationsgewohnheiten ihrer Zeit jedoch nicht in gleicher Weise entflohen sind – es vielleicht auch gar nicht wollten oder konnten. Auf diesem Gebiet argumentieren vielmehr auch die Dichter unter Umständen sehr realitätsbezogen, selbst wenn sie Realitäten attackieren, ironisieren oder außer Kraft zu setzen versuchen.33

Schriftsprachliche Texte sind als ein Faktor des übergeordneten kulturellen Kontextes zu betrachten, sie bleiben kontextgebunden und nehmen Elemente der ‚Wirklichkeit‘ in sich auf. Die Darstellung von Ritualen in einem Text (als konstruierte Wirklichkeit), zumal diejenige in ganz verschiedenen Texten und Textreihen, läßt deshalb mittelbar Rückschlüsse auf eine rituelle Praxis des Mittelalters zu, denn sowohl der Chronist als auch der Dichter bedienen sich, wenn sie Bedeutung generieren, eines Repertoires formalisierter und zeichenhafter Handlungen und der Vorstellungen ihres Funktionierens aus dem kulturellen System ihrer Zeit. Dabei bleibt auch zu beachten, daß nicht nur ein spezifisch textvermittelter Entwurf eines Rituals als Konstruktion von Wirklichkeit, sondern auch die konkrete Performanz eines Rituals als kulturelles Konstrukt betrachtet werden kann.

Erst im zweiten Teil der Arbeit werden die besonderen Konstitutionsbedingungen von Ritualen in literarischen Texten in den Mittelpunkt gestellt. Der Fokus der Untersuchungen verschiebt sich hier vom Ritual und seinen grundsätzlichen Konstruktionsprinzipien zum schriftsprachlichen Text und der Art seiner Ritualdarstellung und deren Funktionalisierung innerhalb des übergeordneten Textzusammenhangs (Poetik des Rituals II). In Kapitel 4, das in Hinblick auf die beiden folgenden Kapitel vorbereitenden Charakter besitzt, wird dabei Grundlegendes zur ‚Textvermitteltheit‘ mittelalterlicher Rituale zu sagen sein, die der Interpretation dieser Rituale spezifische Vorgaben setzt. Historiographische und literarische Texte instrumentalisieren Rituale für ein übergeordnetes Interesse des Textes und reflektieren dabei auch die Funktionsbedingungen von Ritualen. Darin stehen historiographische Texte den literarischen grundsätzlich nicht nach, sowie umgekehrt literarische Texte oftmals genauere Einblicke in die Regeln des Rituals erlauben als historiographische. Doch werden in diesem Kapitel zugleich unterschiedliche Arten von Instrumentalisierungen und ‚Verhandlungen‘ von Ritualen, zumal die besonderen Möglichkeiten der Reflexion in literarischen Texten (etwa durch mehrperspektivische Darstellung), anzudeuten sein.34

Dies wird in Kapitel 5 und 6, die ausschließlich literarischen Texten vorbehalten sind, weitergeführt werden. Somit zielt der zweite Teil der Arbeit letztlich auf die Spezifik literarischer Ritualdarstellungen. In diesem Teil geht es vor allem um die Wechselwirkungen und Austauschprozesse zwischen den verschiedenen kulturellen Teilsystemen ‚Ritual‘ und ‚Literatur‘. Literarische Texte stellen einen in sie ‚eingespeisten‘ Bestand an Ritualen prinzipiell weder nur mimetisch dar, noch funktionalisieren sie ihn ausschließlich für einen übergeordneten ästhetischen Zusammenhang oder ‚spielen‘ mit aus einer sozialen Praxis vorgegebenen Verhaltensmustern. Um wiederum mit GREENBLATT zu sprechen, werden Rituale, indem sie als kulturelle Praxis in einen anderen Kontext, in den der Literatur, verschoben werden, verändert, es geschieht ‚etwas‘ mit ihnen:

In jeder Kultur gibt es einen allgemeinen Symbolhaushalt, bestehend aus den Myriaden von Zeichen, die Verlangen, Furcht und Aggression der Menschen erregen. Durch ihr Vermögen, einprägsame Geschichten zu konstruieren, ihre Beherrschung effektvoller Bildlichkeit und vor allem ihr Gespür für die größte kollektive Schöpfung jeglicher Kultur: die Sprache, sind literarische Künstler dazu befähigt, diesen Haushalt zu manipulieren. Sie nehmen symbolisches Material aus einer kulturellen Sphäre und bewegen es in eine andere, vergrößern dabei seine emotionale Wirkungskraft, wandeln seine Bedeutung ab, verbinden es mit weiterem Material aus einem anderen Bereich und verändern so seinen Ort in einem umfassenden gesellschaftlichen Entwurf.35

So ist es das Ziel des zweiten Teils zu verfolgen, ‚was‘ mit Ritualen bei ihrer Integration in den Kontext eines literarischen Textes ‚geschehen‘ kann. Dabei gilt es nicht nur zu zeigen, daß die kulturellen Konstruktionsbedingungen von Ritualen (Poetik des Rituals I) von literarischen Texten in besonderer Weise reflektiert werden, sondern auch, daß Rituale für die Poetik des Textes, der sie zur Darstellung bringt, funktionalisiert werden können und ihre Darstellung umgekehrt von der Poetik des literarischen Textes bestimmt sein kann. ‚Poetik des Rituals‘ wird in diesem Teil der Arbeit somit doppelsinnig gefaßt, zum einen als eine kulturelle, zum anderen als eine im engeren Sinn literarische Poetik. Beide Aspekte sind dabei nicht voneinander zu trennen: Die erzählerische Inszenierung reflektiert und diskutiert ein Ritual und seine Funktionsweisen einerseits, entfaltet andererseits aber auch narrativ eine spezifische Signifikanz für den Text, kann seinen Verlauf strukturieren und deuten oder die Handlungslogik der erzählten Welt mit einer punktuell greifenden rituellen Handlungslogik konfrontieren.36

Um diese Aspekte zu verfolgen, sind Kapitel 5 und 6 über weite Strecken von ‚immanenten‘ Textinterpretationen geprägt, doch wird eine Kontextualisierung ihrer Gegenstände bereits durch die ausgewählten Ritualtypen angestrebt: Mit den in Kapitel 5 untersuchten Begrüßungsritualen und dem in Kapitel 6 fokussierten Ritual der ‚deditio‘ werden exemplarische Beispiele für die Darstellung und Ausübung mittelalterlicher Herrschaft in den Blick genommen, die auch das Interesse der Geschichtswissenschaft auf sich gezogen haben. Die Beobachtungen einschlägiger Arbeiten zu historiographischen Quellen werden dabei an entsprechender Stelle zu berücksichtigen und Verbindungen zu diesen Texten herzustellen sein. Allerdings

können diese Verbindungen die immanente Lektüre (close reading) nicht ersetzen. Eine kulturbezogene Analyse hat von der sorgfältigen Formanalyse literarischer Texte viel zu lernen, denn diese Texte sind nicht bloß dadurch auf Kultur bezogen, daß sie auf die Welt jenseits ihrer selbst referieren; sie sind kulturbezogen vermöge der sozialen Werte und Kontexte, die sie selbst erfolgreich in sich aufgenommen haben. Die Welt ist voller Texte, von denen die meisten praktisch unverständlich sind, sobald man sie aus ihrer unmittelbaren Umgebung entfernt […]. Im Gegensatz dazu enthalten Kunstwerke ein Gutteil dieser Situation ausdrücklich oder implizit in sich selbst, und diese gespeicherte Aufnahme ist es, was viele literarische Werke den Zusammenbruch der Bedingungen überleben läßt, die zu ihrer Herstellung führten. Eine kulturbezogene Analyse ist folglich nicht per definitionem eine nicht-immanente Analyse im Gegensatz zu einer immanenten Formanalyse von Kunstwerken. Allerdings muß sich eine kulturbezogene Analyse einer rigiden Unterscheidung zwischen dem, was innerhalb und was außerhalb eines Textes liegt, prinzipiell widersetzen.37

Die Begrüßungsrituale (Kapitel 5) stehen dabei repräsentativ für einen Teil von Ritualen, die zum ‚alltäglichen Bereich‘ politischen Handelns gehören, die aber – zumal in literarischen Texten – eine wichtige Funktion für die Herrschaftsausübung und die Identität der adeligen Gesellschaft erfüllen. Das Ritual der ‚deditio‘ (Kapitel 6) steht stellvertretend für den Bereich größerer Rituale im Kontext mittelalterlicher Konfliktbewältigung.

Diesen zwei Typen von Ritualen aus verschiedenen Bereichen mittelalterlicher Herrschaft sind jeweils wiederum exemplarisch ausgewählte literaturwissenschaftliche Fragen angegliedert. In Kapitel 5 wird der Frage nachgegangen, wie sich das Ritual als wichtiges Strukturelement eines poetischen Textes bzw. eines Ausschnittes daraus erweisen kann; als besonders instruktives Beispiel wurde hier die Munleun-Episode aus Wolframs ›Willehalm‹ ausgewählt. In Kapitel 5 wird anhand des Versöhnungsrituals der Schlußepisode in der ›Herzog Ernst‹-Überlieferung den Fragen nachgegangen, wie sich ein Ritual im Kontext unterschiedlicher Texte eines stoffgeschichtlichen Komplexes verhält, welche Konstanzen in seiner Darstellung zu beobachten sind, in welchem Maße es erzählerischer Variation und damit Alternativen der Deutung unterliegt und inwieweit diese Konstanzen und Variationen in einer Beziehung zur Ausprägung anderer Stationen des jeweiligen Handlungsganges und zur Gattungstransformation stehen. Die Zuordnung der beiden Ritualtypen zu diesen Fragestellungen folgt dabei keiner sachlichen Notwendigkeit, sondern ist durchaus kontingent und ebenso wie die Auswahl der Textbeispiele im ersten Teil auf die Kriterien der Ergiebigkeit und besonderen Anschaulichkeit hin ausgerichtet.

Poetik des Rituals

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