Читать книгу Amalie von Stubenrauch (1805-1876) - Cornelia Oelwein - Страница 16
Für ein Jahr nach Stuttgart
ОглавлениеVor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass Amalie ihr Glück zunehmend in der Fremde suchte. Lange Briefe gingen zwischen München und Stuttgart, zwischen Amalie von Stubenrauch und Hoftheaterintendant von Lehr hin und her.127 »Nichts konnte mir angenehmer seyn, als von Herrn Pauli die Versicherung zu vernehmen, daß Eur Hochwohlgeboren nicht, wie man mir es glauben machen wollte, über mich aufgebracht sind«, schrieb Amalie am 16. Mai 1828 aus München an den Hoftheaterintendanten in Stuttgart. Und sie versicherte ihm wiederum, dass sie »mit allem Ernste« ein Engagement an der Königlichen Hofbühne in Stuttgart wünsche und dieses auf der Stelle annehmen würde, wenn auf der anderen Seite ihre Vorschläge angenommen würden. Und zu ihrem Anstellungsverhältnis beim Münchner Hoftheater ergänzte sie: »Ich stehe hier in keinem Engagement, sondern bin förmlich und zwar gegenwärtig mit 1400 fl. [Gulden] und vom nächsten Oktober an mit 1800 fl. Jahresgehalt angestellt.« Falls von Seiten der württembergischen Intendanz ein fester Vertrag angeboten würde mit einem Jahresgehalt von 2 000 Gulden in Verbindung mit einem Benefizium, also einer Vorstellung, deren Erlös zu ihren Gunsten wäre, würde sie ab Oktober gerne nach Stuttgart kommen, um dieser Bühne für immer anzugehören. Falls der Vorschlag jedoch nicht annehmbar wäre, so wäre sie auch bereit, ein dreijähriges Engagement einzugehen, allerdings mit einer jährlichen Gage von 2 500 Gulden. Dabei verpflichtete sie sich, ein doppeltes Fach zu spielen, nämlich das der ersten Liebhaberin und das der Damen (Heldinnen, Mütter etc. mittleren Alters), da »ich mich gerade in Jahren befinde, die mich für Rollen beiderley Art nicht ungeeignet machen.« Amalie schloss ihren Brief mit den Worten: »Wie sehr, Herr Intendant, würde es mich freuen, wenn Sie auf dem Grund dieser Bedingungen hier mit Sr. Maj. dem König über mich sprechen wollten und mir das Glück zu Theil werden sollte, recht bald unter der Zahl Ihrer Untergebenen aufgenommen zu werden.«
In der Folge scheinen mehrere, nicht erhaltene Briefe zwischen Stuttgart und München expediet worden zu sein, da der Hoftheaterintendant von Lehr am 8. Juli bereits auf einen Brief vom 1. Juli antwortete, aus »welchem ich mit rechtem Vergnügen die Nachricht von der bereits getroffenen Einleitung zur Entlassung aus Ihrem bisherigen Verband und von der Hoffnung solche zu erhalten, entnommen habe.« Damit schien der Bühnen-Wechsel konkrete Formen anzunehmen. Nur die Frage nach dem Benefiz war noch ausstehend, doch von Lehr fürchtete, dass der König, der gerade auf zwei Monate abwesend war, einen diesbezüglichen Nachtrag nicht gewähren würde, »als Sr. König. Majestät Ihren Gehalt von 2500 fl. Ihnen nicht ohne Schwierigkeit bewilligt haben«, da er über der sonst üblichen Gage lag. Wie sehr man in Stuttgart darauf bedacht war, Amalie zu engagieren, beweist jedoch der weitere Inhalt des Briefs:
»Da indessen aus Ihrem letzten Schreiben vom 1. d. M. erhellt, daß Sie auf ein Benefice mit Sicherheit gerechnet haben […], so will ich die Sache auf mich nehmen und bewillige Ihnen daher das verlangte jährliche Benefice.«128
Nun musste auch die Hoftheaterintendanz in München aktiv werden und »das Gesuch der Hofschauspielerin Amalie Stubenrauch um Urlaubs-Bewilligung auf ein Jahr zur ferneren praktischen Ausbildung« an den König weiterleiten, der sich ja allgemein die Gewährung von Urlaub ausbedungen hatte. Intendant von Poißl befürwortete das Urlaubsgesuch auf ein Jahr. König Ludwig I. hatte nichts dagegen und schrieb am 26. Juli höchst eigenhändig auf den Rand des Gesuches:
»Diesen Antrag insoweit derselbe die Schauspielerin Stubenrauch betrifft, genehmigt, der ich für’s zweckmäßigste halte, während ihrem Urlaub einen Theil ihres Gehaltes auf Zahlung fremder ausgezeichneter Schauspielerinnen zu verwenden.«129
Nun erfuhr auch das Münchner Publikum von der bevorstehenden Veränderung aus der Zeitung, wenn sich das Gerücht nicht schon vorher hinter vorgehaltener Hand verbreitet hatte. Allerdings war man nicht ganz überzeugt, ob ihre Entscheidung die richtige sei.130 Amalie erhielt zunächst, laut ihrem Schreiben vom 24. August, von König Ludwig I. Urlaub auf ein Jahr, doch:
»Die hiesige Hoftheaterintendanz ist vollkommen davon unterrichtet, daß mir Eurer Hochwohlgeboren ein Engagement für 3 Jahre angeboten hat, und ich darf daher hoffen, meinen Urlaub verlängert zu sehen, wenn ich in meinen Kunstleistungen den kgl. Hofe und dem Publikum in Stuttgart zusagend, darum einkommen sollte. Ja, auch unverzüglicher Entlassung würde nichts im Wege stehen, sollte mir nach dem Verlauf dieser 3 Jahre oder schon früher von Ihrer Seite der Wunsch ausgedrückt werden, Ihrer Anstalt für immer anzugehören.«131
Die Antwort erfolgte postwendend am 29. August 1828. Demnach habe König Wilhelm I. die Anstellung der Demoiselle Amalie Stubenrauch aus München als Hofschauspielerin am Stuttgarter Theater gnädigst zu genehmigen geruht. Als Dauer des vorläufigen Engagements wurde der Zeitraum vom 1. Oktober 1828 bis 30. September 1829 angegeben. Dafür erhielt sie 2 500 Gulden sowie eine »jedoch nicht kostenfreie Benefiz-Vorstellung«. Allerdings haben die Schwaben andere Kosten auf sie abgewälzt. Daher erlaubte sie sich »dagegen eine Vorstellung zu machen, nehmlich die mir gemachte Forderung, für die Moderne Garderobe und Chaussure selbst Sorge zu tragen« sowie die Bitte zu äußern, als erste Rollen Donna Diana und Olga spielen zu dürfen. Amalie schloss ihr Schreiben mit dem Hinweis auf ihre unaussprechliche Freude, den Augenblick immer näher rücken zu sehen, »der mich meiner neuen Bestimmung entgegenführt.« Die Freude dürfte höchstens dadurch etwas getrübt worden sein, dass die Intendanz auf dem Punkt der »französischen Kleider-Beschaffung« bestand, da er angeblich allgemein bei allen Schauspielern in Stuttgart Teil der Vereinbarungen war, die über 1 500 Gulden verdienten. Die Kosten für die Garderobe wollte Amalie aber nicht übernehmen und hakte nochmals nach. Ob mit Erfolg oder nicht, verschweigen die Akten. Auch der Urlaub auf ein Jahr war bewilligt, einem Neuanfang in Stuttgart stand nichts mehr im Weg.132