Читать книгу Spielen und Lernen verbinden - mit spielbasierten Lernumgebungen (E-Book) - Cornelia Rüdisüli - Страница 11
5 Statt Gegensatz zwischen Spielen und Lernen: Spielen als Kontinuum
ОглавлениеIm Gegensatz zur Unterscheidung zwischen Spiel und Nichtspiel und zwischen freiem Spiel versus Instruktion, richtet sich der Blick neu auf das Spiel als «Kontinuum» (Zosh et al. 2018). Das vom «play ethos» befeuerte Klagen über das Verschwinden des Freispiels oder gar das «Verschwinden der Kindheit» kann nun durch einen produktiven Diskurs über die verschiedenen Arten des Spiels zum Verstummen gebracht werden. Das Kontinuum (Tabelle 2) ermöglicht es, Spielen als verschiedenartige Tätigkeit von Kindern zu verstehen und zu beschreiben. Es ermöglicht auch, dass spielerische und instruktive Elemente kombiniert und abwechslungsweise in den Lernprozess eingebettet werden. Das Kontinuum ist darum nicht von links nach rechts als entwicklungspsychologisches Aufbauprogramm zu verstehen. Es mag aber helfen, den Übergang vom spielbasierten zum systematischen Lernen angepasster zu gestalten.
Unter Initiierung wird «in die Wege leiten» verstanden. Konkret bedeutet das, dass die Erwachsenen eine Umgebung beziehungsweise einzelne Spielangebote für die Kinder vorbereiten. Im freien Spiel hingegen beschäftigen sich die Kinder mit der vorhandenen Umgebung und dem Material, das sie vorfinden und das nicht speziell für sie vorbereitet wurde. Unter Steuerung wird die inhaltliche Steuerung des Spielprozesses verstanden und die freie Wahl gibt an, inwiefern diese gegeben beziehungsweise eingeschränkt ist. Im geführten Spiel (z. B. die Spielsequenz im Kindergarten) wählen die Kinder zwar selbst aus, was sie spielen möchten, aber die Lehrperson kann die Auswahl des Angebotes durch die Initiierung der Lernumgebung beliebig einschränken. In Lernspielen (z. B. vorgegebene didaktische Spiele oder spielerische Einheiten in geführten Sequenzen, wie Sing- und Kreisspiele) ist die Wahlfreiheit jedoch nicht gegeben. Die Reihenfolge der einzelnen Abstufungen (Kontinuum) vom freien Spiel bis hin zur direkten Instruktion bildet die Intensität der Steuerung des Kindes von aussen (z. B. durch die Lehrperson) beziehungsweise die Involviertheit von Erwachsenen ab. Will heissen: je stärker Lernziele im Fokus stehen, desto stärker ist die Steuerung von aussen. Kinder erreichen im geführten Spiel mit grösserer Wahrscheinlichkeit ein spezifisches Lernziel als Kinder, die im Freispiel verweilen. Es gibt auch einige Hinweise, dass bei jüngeren Kindern das geführte Spiel der direkten Instruktion überlegen ist (Weisberg et al. 2018; Hauser et al. 2014). Für die Förderung von schulischen Inhalten wäre demnach eine Verbindung zwischen dem natürlichen Verhalten von Kindern («Lerntrick der Natur»), dem Spielen, und dem lernzielorientierten Erwerben von Wissensbeständen hilfreich (Kübler 2015). Dies erfordert eine Kombination von spielerischem Lernen (das den Kindern Autonomie und Selbststeuerung zugesteht) und zielgeleitetem Lernen (welches eine von Erwachsenen vorbereitete Lernumgebung und eine entsprechende Spielbegleitung vorsieht) (Weisberg et al. 2016). Die bewusst inszenierte Verbindung von Spielen und Lernen, um das Erreichen von Lehrplanzielen wahrscheinlicher zu machen, scheint vielversprechend. Damit ist in keiner Weise das häufig in der Schule praktizierte Spielen gemeint, das lediglich als Entspannung in den Pausen dient. Sondern der Einsatz des Spiels als Lernform, die neben anderen wirksamen Lernformen wie etwa Lernen durch Beobachtung, Versuch und Irrtum, Exploration sowie Instruktion bestehen soll (Crowley 2017).
Tabelle 2 Spielkontinuum in Anlehnung an Wood & Attfield (2005); Fisher et al. (2011); McInnes et al. (2011); Gasteiger et al. (2015); Hassinger-Das et al. (2017); Pyle et al. (2017); Zosh et al. (2018); Hirsh-Pasek et al. (2018)
Das Kontinuum bildet im Kern ab, dass es zwischen dem freien Spiel und der direkten Instruktion viele Zwischenstufen gibt, die insgesamt unter «playful learning» (spielbasiertes Lernen) subsummiert werden können (Fisher et al. 2011; Toub et al. 2016; Hassinger-Das et al. 2017; Hirsh-Pasek et al. 2018). Dabei wird nicht argumentiert, dass die einzelnen Abstufungen «rein» ausgeführt werden müssten, sondern, dass direkte Instruktion und spielerische Phasen miteinander verknüpft werden können, je nach Voraussetzungen der Kinder und Lernziel. Das Kontinuum bildet demnach vielmehr ein Methodenrepertoire ab. Immer noch geht es aber darum, eine förderliche Balance zwischen angeleiteten Elementen und der kindlichen Autonomie im Spiel zu finden (Siraj-Blatchford et al. 2002, Duncker 2015; Weisberg et al. 2016). Nichtsdestotrotz: Erwachsene spielen gemäss diesen Erkenntnissen eine wichtige Rolle in der Vorbereitung, der Initiierung und der Begleitung von kindlichem Spiel.