Читать книгу Carl Laemmle - Cristina Stanca-Mustea - Страница 3

Einleitung

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»Carl Laemmle ist das personifizierte Hollywood. Niemand hat die Filmindustrie mehr beeinflusst als er. (...) Er ist der eine, der den damals verachteten Film im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in die Hand nahm und ihn mit Adjektiven wie kolossal, erstaunlich und gewaltig versah. (...) Carl Laemmles Geschichte ist die Geschichte der Filmindustrie.«1 So beschrieb die New York Times im Februar 1936 die erfolgreiche Karriere von Hollywoods erstem Filmmogul, dem deutschen Einwanderer und Gründer von Universal Pictures – Carl Laemmle. In ihren Superlativen über Laemmle waren sich die amerikanische und internationale Presse mit der Filmindustrie einig. Sie erklärten Laemmle zum Symbol der Branche schlechthin. Insbesondere galt er als entscheidende Figur bei der Entstehung der Traumfabrik in den Bergen Hollywoods und wurde zum Befreier im Kampf für die Unabhängigkeit des Filmgeschäfts hochstilisiert.

Die Los Angeles Times schrieb in einem Nachruf zu seinem Tode im September 1939: »Carl Laemmle war mehr als ein Pionier, er hat etwas erschaffen. Ein netter, höflicher Mann, der für die Filmindustrie zu einer Zeit kämpfte, als sie schwach war und auf wackeligen Beinen stand. Durch seinen Mut konnte er den landesweiten Kampf für die Unabhängigkeit der Filmindustrie gewinnen, der damals von nationaler Bedeutung war.«2

Der Zeitpunkt, an dem sich Laemmle ins Filmgeschäft einmischte, im Frühjahr 1906, markierte die Geburt des Films als Massenmedium. Dabei war er der Erste, der dieses Potential erkannte. Seine Taten waren es, die entscheidend dazu beitrugen, dass sich Hollywood zu jener amerikanischen Traumfabrik entwickelte, die wir heute alle kennen. Er baute das erste große Filmstudio in Hollywood, Universal City, erfand das Star-System, indem er aus unbekannten Stummfilmschauspielern Filmstars machte, schaltete transkontinentale und transatlantische Werbekampagnen für seine Filme und kämpfte gegen die Monopolbildungen in der jungen Filmindustrie.

Doch obwohl in den 1920er und 1930er Jahren Carl Laemmles Leben und die Geschichte der Filmindustrie untrennbar miteinander verbunden schienen, ist davon über 80 Jahre später sehr wenig geblieben. Niemand im Filmpublikum kennt seinen Namen, und auch in der Filmindustrie erinnert man sich kaum an ihn. In Universal City, der von ihm geschaffenen Filmstadt, die heute noch wie damals ein Themenpark für Filmfans ist, weist lediglich eine kleine Vitrine im wenig besuchten Raum zur Entstehung des Studios auf Laemmle hin. Zwar hat er einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame, doch da dieser Ehrenweg erst Ende der 1950er Jahre errichtet wurde, gab es keine feierliche Verleihung an Lammle selbst. Sein Name und die Erinnerung an ihn sind aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit verschwunden, wurden teilweise gar gelöscht.

Während die anderen frühen Filmmogule wie Samuel Goldwyn, Louis B. Mayer, die Warner-Brüder oder David O. Selznick noch heute allgemein bekannt sind, und die Namen ihrer Studios an sie erinnern, gibt es keinen Hinweis auf Carl Laemmle. Er hat seinen Namen nicht in seinem Studio Universal verewigt – und bislang gibt es keine Biografie, die diesen Namen verdient, während seit Jahrzehnten fleißig über die anderen frühen Filmmogule geschrieben wird. Dass Laemmle vergessen ist, verwundert um so mehr, wenn man bedenkt, welche Filmklassiker er schuf und wie bekannt er zu Lebzeiten war.

Zwischen 1906 und 1939 war Carl Laemmle permanent in der amerikanischen und internationalen Presse zu finden. Seine Jubiläumsfeier wie der 50. Jahrestag seiner Ankunft in Amerika, der 20. Jahrestag der Gründung von Universal und sein Ausstieg aus dem Filmgeschäft am Ende seiner Karriere waren Ereignisse, die im ganzen Land gefeiert oder zumindest wahrgenommen wurden. Zu seinem Geburtstag gratulierten ihm internationale Politiker und Künstler, und zur Eröffnung von Universal City im Jahre 1915 reisten nationale Größen nach Kalifornien, unter ihnen Berühmtheiten wie Buffalo Bill und Thomas Alva Edison.

Im schwäbischen Laupheim, Laemmles deutscher Geburtsstadt, war die Situation nicht viel anders. Auch hier fand er die meiste Zeit seines Lebens ringsum Anerkennung. Die regionalen Zeitungen berichteten über ihn, feierten seine Jubiläen, seinen Geburtstag und sein Mäzenatentum. Doch trotz dieser unübersehbaren Beweise seiner Bedeutung für die damalige Zeit ist die Erinnerung an ihn verblasst. Die TV-Doku des deutschen Filmemachers Hans Beller führte immerhin in den frühen 1980er Jahren dazu, dass sich ein paar Filmfreunde sowie ein kleiner Kreis aus seinem Geburtsort Laupheim seiner seitdem wieder erinnern. Dennoch kennt fast niemand den Mann, der das Filmgeschäft nachhaltig prägte und das neue Medium zu einem Massenphänomen werden ließ. Laemmle war der erste Filmmogul, der ein großes Studio in Hollywood baute, doch eine Reihe von politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen machte ihn zu einer vergessenen Größe Hollywoods.

Seine Geschichte spielt sich zwischen Chicago, Los Angeles, New York und Laupheim und in der Zeit des Ersten Weltkriegs, den Roaring Twenties und dem Aufkommen des Nationalsozialismus ab. Stets saß er aufgrund seiner Herkunft zwischen den Stühlen. Vor und während des Ersten Weltkriegs wurden die Deutsch-Amerikaner in den USA öffentlich verfolgt. Viele ignorierten ihre Muttersprache und ihre deutsche Herkunft, um nicht anzuecken. Nach dem Weltkrieg geriet die Filmindustrie in die Weltwirtschaftskrise, und Laemmle wurde in seinem geliebten Heimatort Laupheim durch die Nationalsozialisten zur persona non grata.

Er gründete mit Universal Pictures das erste große Hollywoodstudio, erstritt in unzähligen Gerichtsfällen gegen den sogenannten Filmtrust von Thomas A. Edison das Recht, dass auch unabhängige Filmemacher in den Vereinigten Staaten Filme produzieren durften, er produzierte über 9000 Filme, darunter Klassiker wie Dracula, Frankenstein, Das Phantom der Oper, Im Westen nichts Neues und 20 000 Meilen unter dem Meer. Nicht zuletzt erhielt er zusammen mit seinem Sohn für Im Westen nichts Neues den Oscar für den besten Film bei der 3. Oscarverleihung im Jahre 1930.

Während seiner Zeit als Leiter von Universal holte Laemmle viele deutsche Filmschaffende nach Hollywood. Unter ihnen waren sein Neffe William Wyler, Conrad Veidt, Paul Leni, Erich von Stroheim und viele weitere Filmschaffende. Mehr als die Hälfte der Belegschaft von Universal sprach deutsch. Dabei war Laemmle eine Größe unter den Deutsch-Amerikanern im »Weimar am Pazifik«, wie sich die deutsche Künstlergemeinde in den 1920er Jahren in Los Angeles nannte, sowie unter den geflüchteten Exildeutschen in den dreißiger Jahren. Während zwei Weltkriege die Erinnerung an die Deutsch-Amerikaner und besonders an die deutschen Ursprünge Hollywoods ausgelöscht haben, stellt sich trotzdem die Frage, warum Carl Laemmle heute vergessen ist.

Die vorliegende Biografie beruht auf den Forschungsergebnissen meiner an der Universität Heidelberg verfassten Dissertation über Carl Laemmles Leben. Sie stützt sich auf ein Korpus aus veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen aus Archiven auf beiden Seiten des Atlantiks. Hinzu kommen zahlreiche deutsche und amerikanische Tageszeitungen, die über Laemmle berichteten oder ihn interviewten, Briefwechsel von Laemmle mit Angestellten, Freunden und Filmschaffenden seiner Zeit und eigene Publikationen Laemmles wie beispielsweise das Filmmagazin Universal Weekly.

Carl Laemmle

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