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Mutation und Selektion

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Charles Darwin

Charles Darwin hat das evolutionäre Grundprinzip in seinem Werk Die Entstehung der Arten im Jahre 1850 dargelegt. Über die Evolution spekuliert hatte schon sein Großvater Erasmus Darwin, ebenso wie etwa Jean-Baptiste de Lamarck. Entsprechende Gedanken finden sich sogar noch früher, etwa bei Empedokles, Buffon oder Saint-Hilaire, aber vor Charles Darwin hat niemand eine plausible Theorie eines Evolutionsmechanismus formuliert. Darwins Verdienst besteht also nicht darin, die Artengenese in die Welt gebracht, sondern als Erster die Ursachen der Evolution angegeben zu haben. (Vollmer 2002)

Darwin geht dabei von drei Hauptfaktoren aus: Vererbung, Mutation und Selektion. Durch Mutationen kommt es zu Varianten; die Individuen unterscheiden sich also. Die Selektion erfolgt durch eine Umwelt, die nicht alle Individuen überleben lässt und einigen bessere Chancen einräumt. Evolution entsteht damit dadurch, dass ein Replikator nur unvollkommene Kopien herstellt, was man auch als »Unausweichlichkeit« der Evolution bezeichnet hat (Blackmore 2005, 38), sofern diese Startbedingungen einmal gegeben sind.

Entwicklung und Stabilität

Darwins ursprüngliche Theorie der Selektion basierte auf dem Gedanken der gegenseitigen Konkurrenz und gegebenenfalls der Vernichtung. Diese Theorie ist heute wissenschaftlich nicht mehr zu halten. Im Gegensatz zur zufälligen Mutation geht man heute vielmehr von einer Selbstveränderung der Organismen durch »im biologischen System selbst angelegte Prinzipien« (Bauer 2008, 66) aus. Anstatt ihr genetisches Substrat wahlloser Veränderung im Sinne der darwinschen Mutation auszusetzen, schützen Organismen den für die Stabilität notwendigen Bestand. Der Freiburger Genforscher Joachim Bauer nennt zwei Grundprinzipien biologischer Systeme: zum einen das der »durch externe Stressoren angestoßenen Entwicklung und zum anderen das der aktiven Bewahrung von biologischer Stabilität« (2008, 67), was nicht nur auf den ersten Blick den systemischen Grundsätzen von struktureller Störung und operationaler Geschlossenheit zu entsprechen scheint.

Die Entstehung neuer Arten geht demnach auf Umbauprozesse innerhalb des Genoms selbst zurück, es organisiert die Veränderungen selbst aktiv, indem beispielsweise genetische Elemente neu kombiniert oder erweitert werden. Ein Beispiel hierfür sind etwa Bakterien, die die Architektur ihres Genoms verändern, um der Vernichtung durch Antibiotika zu entkommen: »Wären Bakterien gemäß der darwinistischen Doktrin in ihrer Abwehr gegen Antibiotika auf in ihrem Genom zufällig auftretende Mutationen angewiesen, hätten wir heute in den Krankenhäusern keine Probleme mit sogenannten nosokomialen Keimen, stattdessen wären Bakterien dort schon lange ausgerottet.« (Bauer 2008, 87)

Selbstorganisation der Gene

Diese Selbstorganisation der Gene unterliegt in einem zweiten Schritt zwar der Selektion, sie fungiert hier allerdings, wie auch der Chaosforscher Stuart Kauffman ausführt, nicht als Ordnungsprinzip erster Ordnung, sondern lediglich als »Veto« gegenüber Organismen, die sich als nicht überlebensfähig erweisen. Die Ablehnung zufälliger Mutationsprinzipien versteht Bauer nicht als Determinismus, er spricht vielmehr von »intrinsischen biologischen Regeln« (Bauer 2008, 118). Sowohl Mutation als auch Selektion behalten demnach durchaus einen Beitrag zur Artenentwicklung in der modernen Evolutionsbiologie, beide bekommen jedoch einen anderen, nämlich sekundären, Stellenwert.

Im Sinne der Systemtheorie ist Leben demnach schon vor Mutation und Selektion durch den operationalen Aufbau bestimmt, Ordnung im Sinne einer spezifischen Selbstorganisation schon vor jeder Mutation vorhanden: »Das genomische Programm, welches den Urbauplan bewahrte, blieb in seiner Grundordnung die gesamte seitherige Evolution hindurch stabil.« (Bauer 2008, 132)

Ordnung ist bereits da

Mit der Mutation als spezifischer und deshalb nicht zufälliger Varianz treten danach ebenso wie mit der Selektion zwei Prinzipien hinzu. Ordnung kommt aber nicht erst mit diesen in die Welt, sondern ist immer schon vorhanden. Die Natur lässt dabei mehr überlebensfähige Varianten entstehen, als durch Selektionsdruck erklärt werden könnte, ein Prinzip, das auch als »Exaption« (Brosius 2005; Cooper et al. 2007) bezeichnet wird. Die Vielzahl neuer Gene und Genkombinationen geht damit weit über das hinaus, was zum unmittelbaren Überleben notwendig wäre, weil sich dies zu einem späteren Zeitpunkt noch als nützlich erweisen kann. Um Überlebensfähigkeit zu gewährleisten, dürfen genetische bzw. epigenetische Veränderungen dennoch wahrscheinlich nicht sehr groß sein, wenn man daran denkt, wie langsam organische Evolution erfolgt. So wird der mögliche Spielraum sicher ausgenutzt, drastische Änderungen würden den Organismus aber wahrscheinlich die Reproduktionsfähigkeit kosten. (Diettrich 1989)

Geht man einmal von einer Stabilität des genomischen Programms während der bisherigen Evolution aus (Bauer 2008), so kann man sich in der Tat fragen, warum der Ursprung dieses Ordnungsprinzips auf die Zeit der Erdentstehung datiert wird. Es ließe sich berechtigterweise, wenn auch noch ohne jegliche naturwissenschaftlich empirische Fundierung fragen, ob dieses Ordnungsprinzip nicht schon zehn Milliarden Jahre vorher, bei der Entstehung des Universums, vorhanden gewesen sein könnte. Das Ordnungsprinzip in der Natur wie auch in den daraus entstehenden Organismen wäre das gleiche und die Gegenüberstellung von Mensch und Natur damit unsinnig. In diesen makrokosmischen Verhältnissen stellt sich die Frage von Anpassung im Sinne von Repräsentanz der Umwelt gar nicht mehr, denn sie wäre durch eine Analogie der Entstehungs- und Ordnungsprinzipien von Organismus und Welt schon immer gegeben.

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