Читать книгу Stille Nacht - Dana Müller-Braun - Страница 5
ОглавлениеKapitel 1
23. Dezember 2020, 17.34 Uhr
Lydia
Mama? Du? Was … Wieso … äh …« Ich kann fühlen, wie das Blut aus meinem Kopf in die Tiefe sackt und sich mein Magen nach innen wölbt. Sprechen kann ich dafür nicht.
»Ja, Mäuschen. Ich bin es!« Wortfetzen dringen an mein Ohr. Kommen von weit, weit her. Jedenfalls empfinde ich das so.
»M … ama?«, bringe ich noch einmal hervor. Mein Puls rast und meine Beine sind nicht mehr in der Lage, die läppischen 52 Kilogramm zu tragen, die ich nach einem halben Jahr als Gleichstellungsbeauftragte der Eintracht mit Mühe auf die Waage bringe. Ich blicke mich fast panisch nach einer Sitzgelegenheit um. Als ob ich mich direkt vor meinem Elternhaus nicht bestens auskennen würde. Aber: Ich fürchte, mein Orientierungsvermögen ist gerade außer Kraft gesetzt. Ich schaue rechts, schaue links, aber da ist nichts. Ob ich reingehen soll? Es sind nicht mal 50 Meter bis zur Haustür. Besser nicht! 50 Meter können weit sein. Also gleite ich wie ein Plumpsack zu Boden. Sollen die Nachbarn doch denken, was sie wollen, wenn sie die Eintracht-Vizepräsidentin wenige Meter vor ihrem Elternhaus kreidebleich auf dem Bürgersteig hocken sehen.
Vielleicht sollte ich die Maske aufsetzen, schießt es mir durch den Kopf. Dann erkennt mich nicht gleich jeder. Im gleichen Atemzug beantworte ich mir die Frage selbst: »Lydia Heller. Hast du sie eigentlich noch alle!«, entfährt es mir hörbar. Ich nehme das Handy wieder ans Ohr. »Nein. Mama. Du warst nicht gemeint. Obwohl: Äh. Verzeih, aber: Hast du sie noch alle?«
»Ach Mäuschen. Es spielt keine Rolle, was mit mir ist. Glaub mir. Es geht um dich. Sonst würde ich mich wohl kaum so aus dem Nichts heraus bei dir melden.«
»Aus dem Nichts heraus trifft es ziemlich gut.«
Ich habe ein Stück Fassung zurückgewonnen und kann sogar diesen leicht schnippischen Ton, den ich im Kommunikationsseminar für Pressesprecher erlernt habe, in diesen Satz legen. Das hilft auch bei Presseleuten, eine Art dunkelgelbe Karte zu zeigen, wenn sie immer wieder die gleichen blöden Fragen stellen.
»Weihnachten ist doch erst morgen, Mama. Und normalerweise bringt der Briefträger eine Ansichtskarte irgendwo aus Afrika oder was weiß ich woher, mit zwei Wörtern: Frohes Fest!« Ich lege eine kleine Pause ein. Das mit den lieblosen Karten soll erst einmal bei ihr ankommen. Dann hole ich aus.
»Dein letzter Anruf war …«
»Ich weiß. Aber dieses Jahr ist eben alles anders. Ich erkläre es dir. Alles«, unterbricht mich ihre Stimme merkwürdig schroff.
Plötzlich schießt es mir durch den Kopf. Corona! Meldet sie sich bei mir telefonisch … einfach nur, weil sie krank ist, und Angst davor hat zu sterben, ohne vorher noch ein paar Dinge ins Reine gebracht zu haben?
»Bist du mit diesem Virus infiziert?«
»Nein, Mäuschen. Ich bin nicht infiziert.«
»Okay. Was willst du dann? Und hör auf, mich Mäuschen zu nennen. Ich bin schon lange nicht mehr dein Mäuschen!« Ein kurzer Moment der Stille entsteht. Offenbar muss sie meine Antwort erst verdauen.
»Was ich will? Das lässt sich nicht so einfach in drei Worten sagen. Du musst zu Papa und ihm mitteilen, dass ich angerufen habe. Er weiß dann, was zu tun ist. Und bitte, Mäuschen: Tu einfach, was ich sage. Es ist wichtig. Vielleicht sogar überlebenswichtig!«
Ihre Stimme klingt plötzlich so, als hätte ich mein Zimmer mal wieder nicht aufgeräumt. Und das ›überlebenswichtig‹ macht mir Angst.
»Hallo! Mama! Du erinnerst dich doch, oder? Es ist ein paar Tage her, dass wir uns zuletzt gehört haben. Gefühlt: ein paar Jahre. Und du willst das mit deinem Gouvernantenton mal eben aus meinem Gedächtnis streichen? So, als wäre nichts gewesen. Denkst du wirklich, ich glaube noch an den Weihnachtsmann? Ich bin kein Kind mehr … und du hast irgendwann entschieden, nicht mehr meine Mutter sein zu wollen.«
»Nein. Mäuschen. Will ich nicht. Und würde ich ja auch nicht, wenn es nicht so wichtig wäre. Also, ich meine das Aus-der-Welt-schaffen. Nicht das Muttersein. Ach, egal. Du bist in Gefahr.«
»Klar, Mama. Ich sitze hier auf dem Bürgersteig in einer reinen Anliegerstraße und bin ziemlich aufgelöst. Aber: Ich sitze. Also umfallen kann ich nicht, und es sieht auch nicht so aus, als käme der Gruber aus der 79 hier mit seinem aufgemotzten Flitzer um die Ecke gebogen, um mich über den Haufen zu fahren!«
Meine Stimme ist ziemlich am Ende ihrer Kapazitäten angelangt.
Mama scheint das aber überhaupt nicht zu beeindrucken. »Du musst mir einfach nur vertrauen. Ich rufe nicht an, um dir … äh … euch ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen. Ich melde mich, um dich zu warnen!«
»Jetzt? Vor was denn? Wie wäre es mit einem Anruf gewesen vor meiner Blinddarm-OP, vor der Abi-Prüfung oder meinem ersten Tag bei der Eintracht? Das mit dem Telefonieren soll weltweit funktionieren, habe ich gehört!«
»Ja, das wollte ich auch immer mal wieder, aber …«
»Was aber! Mama! Willst du mich verarschen?! Wir leben seit einem Jahr in Corona-Zeiten – gut. Weltweit – auch gut, aber da kann man doch völlig gefahrlos telefonieren. Oder nicht?«
»Ach, Mäuschen! Wenn das alles so einfach wäre.«
»Sicher einfacher, als seinen Koffer zu packen und sich auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden. Weißt du was, Mama: Leck mich!«
Das hat gesessen. Zumindest herrscht jetzt Stille am anderen Ende der Leitung. Vielleicht, weil diese Art Gefühlsausbruch so gar nicht zu mir zu passen scheint. Ich bin selbst überrascht. Leck mich … ? Aber – was soll’s. Ihre Sprachlosigkeit gibt mir Gelegenheit, ein bisschen auszuholen: »Weißt du, es kann ja sein, dass dich Papa mit seiner Eintracht nur noch genervt hat. Aber was war denn mit mir?«
»Hat es dir Papa nicht gesagt?« Mit sechs Wörtern bringt sie mich wieder aus dem Konzept.
»Was hat mir Papa nicht gesagt?«
Es ist alles so irreal. So völlig aberwitzig. Ich habe die Stimme meiner Mutter beim ersten Ton wiedererkannt. Sie war so vertraut. So völlig vertraut. Als wäre sie niemals weg gewesen. Als wäre da nicht mehr als ein Jahr vergangen, dass ich sie zum letzten Mal am Telefon gehört habe. Und gleichzeitig klang dieses ›Ach Mäuschen‹ so fremd. So entfernt. So schuldig. Eine Träne kullert meine Backe hinunter zu meinem Mundwinkel. Sie schmeckt salzig. Salziger als normal, habe ich das Gefühl.
»Warum ich gegangen bin. Hat Papa es dir nicht gesagt?«
»Nein. Papa hat nicht ein Wort dazu verloren. Er ist damals in seinem Kabuff verschwunden und erst nach vielen Stunden wieder aufgetaucht. Gesagt hat er nichts. Was hätte er denn auch sagen sollen? Dass er dich mit seiner allumfassenden Eintracht-Liebe letztlich fortgetrieben hat? Und dass dir dabei dein Kind völlig egal war? Mama! Hätte er mir das sagen sollen?«
»Ich kann dir nicht sagen, was er hätte machen sollen. Es war seine Entscheidung.«
Und wieder bollert das Blut durch meine Halsschlagader. »Seine Entscheidung!«, brülle ich wie nach dem 5:2 gegen die Bayern letztes Jahr: »Seine Entscheidung! Ich fürchte, du bringst da ein bisschen was durcheinander.«
»Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu streiten. Du musst mir einfach vertrauen. Wo bist du gerade? Im Stadion? Am Riederwald? In Kronberg?«
»Vor Papas Haustür.« Ich versuche, die Worte Papas Haustür möglichst lang zu ziehen. Jeder Buchstabe soll sie daran erinnern, was sie aufgegeben hat. Dass sie mich aufgegeben hat. Schmierentheater, ich weiß, aber das ist mir in diesem Moment egal. Seit vergangenem Mittwoch haben wir wieder einen Lockdown und ich noch immer nicht alle Weihnachtsgeschenke. Leider haben aber keine Geschäfte mehr auf. Also muss ich Gutscheine schreiben und mir irgendwelche Kleinigkeiten einfallen lassen. Außerdem ist heute eine Mini-Weihnachtsfeier bei der Eintracht, zu der ich eigentlich nicht will, weil ich Heiligabend mit Papa verbringen möchte und Angst habe, mich bei dieser Feier anzustecken und ihn dann gleich mit. Er gehört mit seinem scheiß Schlaganfall auch noch zur Risikogruppe. Und weil ich auf Nummer sicher gehen will, werde ich nicht zu dieser Feier gehen und zusätzlich noch einen Test machen. Außerdem hat sich Sev heute abgemeldet, weil er mit seinen ›Buddys‹ aus dem Greifvogel natürlich den Todestag von Mic begehen möchte. Ohne mich. Was ja okay ist, wenn ich nicht genau wüsste, dass er vor Sonntag wahrscheinlich kein Lebenzeichen mehr von sich geben wird. Was mir eigentlich ganz egal sein könnte – wir sind ja schließlich kein Paar –, was mir aber eben verflucht nochmal nicht egal ist. Ich sag’s mal so: Es ist einfach alles wirklich sehr, sehr, sehr viel. Und dann ruft mich meine Ex-Mutter an und will mich vor was auch immer warnen. Mal ehrlich. Fröhliche Weihnachten fühlt sich dann doch irgendwie anders an.
Ich spüre, wie die Galle in meiner Speiseröhre Zentimeter für Zentimeter nach oben klettert.
»Kannst du jetzt bitte einfach tun, was ich sage?«
Wieder so ein Schlüsselwort, das mich innerlich verbluten lässt. Mama meldet sich nach Monaten und wenn ich nicht spure, setzt es Stubenarrest, oder was? Ja, wo sind wir denn?
Es fällt mir schwer, mich zu beherrschen. »Aus welchem fernen Land rufst du eigentlich an?« Sarkastischer hätte nicht einmal Böhmermann diese Frage betonen können.
»Aus Afghanistan! Könntest du mir vielleicht zehn Minuten gönnen?«
Ihr Ton erinnert mich an die Mama, die ich erleben durfte, als ich Kläuschen von nebenan ein blaues Auge verpasst hatte, weil er gesagt hat, die Bayern wären viel besser als die Eintracht. Da war ich sieben und er hatte wahrscheinlich sogar recht. Aber das war mir egal. Ich hätte niemandem erlaubt, so etwas ungestraft zu sagen. Klaus schon gar nicht. Der wollte schließlich mein Freund sein. Und Mama hat mir dann für das blaue Auge in aller Schärfe zwei Wochen Hausarrest aufgebrummt. Was unter dem Strich betrachtet auch pädagogisch nicht wirklich wertvoll war. Zwei Wochen lang hatte ich schließlich keine Gelegenheit, mich mit Kläuschen zu versöhnen. Aber bei Mama gab es da kein Pardon. Und schwups – ein Satz in dieser Tonart reichte, schon stand die kleine Lydia wieder vor ihr. Das funktionierte selbst aus 5.000 Kilometer Entfernung.
»Geh rein zu Papa. Kannst du das für mich tun, bitte!«
Eigentlich hätte ein Fragezeichen ans Satzende platziert werden müssen, aber ich höre nur ein Ausrufezeichen. Und dann dieses Geräusch, das ein Telefon von sich gibt, wenn der Gesprächspartner am Ende der Leitung aufgelegt hat.
Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis ich das Handy von meinem Ohr nehmen kann. Hunderttausend Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Ungeordnet, zusammenhanglos, chaotisch. War das tatsächlich meine Mutter, mit der ich eben telefoniert habe? Oder hat mir mein Kleinhirn einen bitterbösen Streich gespielt? Morgen ist schließlich Weihnachten. Da kann sich das Unterbewusstsein schon mal dazu aufraffen, seltsame Geschichten zu produzieren. Es gab Zeiten, da habe ich sogar ans Christkind geglaubt. Und an den Osterhasen.
Mit aller Macht versuche ich, mir diesen blödsinnigen Gedanken aus dem Kopf zu schütteln und blicke nach oben. Direkt in zwei rehbraune Augen. Und wieder knallt mein Puls auf weit über 100. Diesmal ist es nur der Schreck. »Was um Himmels willen!«
»Lydia? Bist du das? Was sitzt du denn hier auf dem Bürgersteig herum? Auch wenn wir heute noch 11 Grad haben, was ja am 23. Dezember nicht wirklich kalt ist, willst du ja wohl Weihnachten nicht mit einer Erkältung im Bett liegen?«
Ich schwenke meinen Blick von den beiden rehbraunen Augen knapp zwei Meter nach oben und blicke fassungslos in die Augen von Eric Presfeth.
»Eric? Du? Was …«
Der Lange grinst und streckt mir seine Hand entgegen. »Frau Vizepräsidentin! Würden Sie mal Ihren Hintern von der Straße heben. Als meine Stellvertreterin kann ich doch wohl ein wenig Contenance einfordern. Auch wenn Sie am Telefon sicherlich gerade erfahren haben, dass ich nächstes Jahr nicht nur auf 3.000 Großflächenplakaten für die Meinungsfreiheit eintreten werde, sondern auch nächstes Jahr so wie es aussieht in Oberursel vom Hochtaunuskreis einen Sonderpreis für das Engagement gegen Rassismus und für Vielfalt und Integration erhalten werde, gibt es keinen Grund, vor mir auf den Knien herumzurutschen.«
»Eric. Scheiße. Nein. Sorry. Glückwunsch! Zu den Plakaten und zu diesem Preis.«
Irgendwie scheint mein Kopf nicht mehr wie üblich zu funktionieren. Ich starre abwechselnd den Präsi und Country, seine englische Bulldogge, an. Die beiden Gesichter ähneln sich immer mehr, finde ich, und muss lachen.
»Immerhin. Lydia Heller. Du kannst schon wieder lachen«, grinst Eric Presfeth gut gelaunt zurück. Aber das hält nicht lange an. Schon klingt er besorgt: »Was war denn nun wirklich? Brauchst du einen Arzt?«
Um gleich wieder in seine hemmungslos humorige Art zurückzufallen: »Corona? Oder wartest du hier immer, bis die Gäste deines Vaters das Haus verlassen haben. Damit keiner merkt, dass du wieder bei ihm wohnst? Mit 30!«
»Ach, Eric. Nein. Meine Mutter hat mich gerade angerufen. Du weißt, dass sie das nicht sehr häufig tut. Das hat mich ein wenig aus der Rolle gebracht.«
Ich weiß, dass ich ihm das sagen kann. Er war schließlich auch mit ihr befreundet. Nicht nur mit Papa. Aber er hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr er sie dafür verachtet, einfach gegangen zu sein.
»Deine Mutter?! Welch überaus seltener Gast!« Seine Stimme konnte schon immer innerhalb eines Wimpernschlags von warm auf kalt wechseln. Er schüttelte den Kopf: »Sie konnte schon immer Menschen aus der Fassung bringen!«
Mit einem kurzen Schweigen lassen wir diesen Gedankengang kommentarlos stehen. Ich ergreife seine noch immer ausgestreckte Hand und ziehe mich hoch. Auf meine Beine zurück ins Leben. Und schon tickt mein Hirn wieder im Hellerschen Rhythmus.
»Was machst du eigentlich hier? Bei Papa?«, will ich wissen. Eigentlich lässt der Lockdown freundschaftliche Annäherungen schließlich nicht zu.
»Deinem Papa einen Weihnachtsbesuch abstatten. Was glaubst du denn?«
»Ja. Aber Corona! Was, wenn du ihn jetzt angesteckt hast?«
»Ach, Lydia. Ich gehöre zum erweiterten Kreis der Mannschaft und werde doch ständig getestet. Traust du mir tatsächlich zu, dass ich ausgerechnet bei deinem alten Herrn ein Risiko eingehe?« Er zückt eine FFP2-Maske und wedelt triumphierend damit herum.
»Sorry. Ich bin noch ein bisschen neben der Spur. Der Anruf. Tut mir leid.«
»Macht nichts. Kommst du denn zu unserer kleinen improvisierten Feier in die Geschäftsstelle? Ich fahr da jetzt hin.«
»Nee, Mr. President. Ich will Weihnachten mit Papa verbringen und kein Risiko eingehen. Außerdem muss ich die Sache mit meiner Mutter klären. Sie meinte, ich solle Papa dazu fragen. Aber bei der Art und Weise, wie der gewöhnlich die Dinge ausschmückt, weiß ich wahrscheinlich am Ersten Weihnachtsfeiertag immer noch nicht, um was es eigentlich geht. Also sei so lieb: Grüß alle, wünsch ihnen frohe Weihnachten von mir. Wir sehen uns am Montag in der Präsidiumssitzung. Die findet doch statt? Per Zoom – wie üblich?«
»Wie du willst! Und – bevor ich es vergesse: Du kannst am Montag dann ruhig öffentlich machen, dass du in Kronberg ausgezogen bist und wieder zu Hause wohnst. Es wissen doch eh alle.«
Damit breitet Eric seine Arme aus und gibt mir einen Moment der völligen Geborgenheit. Direkt gefolgt von Panik – coronakonform geht anders.
»Danke, Eric. Hab ein frohes Fest!«
Er murmelt ein »Du auch« und ich blicke ihm einen Moment versonnen hinterher. Drahtig, geht mir durch den Kopf, als er in einer geschmeidigen Bewegung in seinen 911er flutscht. So ganz anders als Papa, wenn er sich mühevoll aus seinem Rolli quält. Klar: Auch bei Eric geht das nicht mehr so flüssig wie noch vor 20 Jahren, als ich seinen Flitzer das erste Mal vor unserer Haustür gesehen habe. Damals habe ich gedacht: Das kann nicht sein, dass ein so großer Mann in einem so kleinen Auto Platz hat. Und damals war Papa auch noch fit wie ein Turnschuh.
Manchmal ist das Leben schon fies, denke ich und bereite mich innerlich auf die amüsante Begegnung der dritten Art vor, die jetzt vor mir liegen dürfte. Bei Papa etwas über Mama herauszufinden, war schon immer so gut wie unmöglich. Allein beim Wort ›Mama‹ geht er für gewöhnlich zu wie eine Auster. Mal sehen, wie das jetzt ausgeht.
Ich atme zweimal tief durch und stecke den Schlüssel in die Tür.