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Kapitel 2

23. Dezember 2020, 17.39 Uhr

Severin

Was zum Henker tust du da, Sev?«

»Geht dich nichts an«, gebe ich zurück, ohne Tim anzuschauen.

»Du durchsuchst meine Schränke. Ich finde schon, dass mich das etwas angeht.«

»Psst, Mobby Dick.«

»Severin!«, brummt er und packt meinen Arm, um mich zu sich zu drehen. »Was tust du da?«

»Ich suche nach einem passenden Geschenk.«

»In meinen Schubladen?« Er zieht seine Brauen hoch. »Und für wen soll das Geschenk sein?«

»Für Lydia.«

»Du hast komplett den Verstand verloren«, murmelt er kopfschüttelnd vor sich hin und setzt sich resigniert auf seinen dämlichen Ledersessel.

»Warum denkst du, dass du bei mir ein Geschenk für Lydia finden wirst?«

»Ich habe keine andere Wahl. Die Läden haben dank des Kackvirus zu.«

»Deshalb denkt man nicht erst einen Tag vor Weihnachten über Weihnachtsgeschenke nach.« Tim schüttelt den Kopf und seufzt. »Versuchs bei eBay Kleinanzeigen.«

»Ich liebe dich!«, sage ich mit einem breiten Grinsen, nehme mein Bier vom Couchtisch und setze mich, bevor ich einen Schluck nehme und mein Handy zücke.

»Was wünschen sich Frauen?«, frage ich dann hilflos und sehe zu Tim auf. Aber schon in dem Moment muss ich laut loslachen. »Als ob du das wüsstest.«

»Witzig. Mit deinem Wissen über die Frauen, die mit einem wie dir in die Kiste steigen, kommst du bei Lydia auch nicht weit.«

»Mh«, mache ich und verziehe den Mund, während ich die Angebote in der Nähe durchsuche.

»Vielleicht sollten wir uns der Frage stellen, warum du Lydia etwas schenken willst.« Seine Stimme nimmt diesen bestimmten Ton an. Etwas leiser und unschuldig. Das macht er immer, wenn er mich etwas sehr Privates fragt.

»Weil ich geträumt habe, dass sie mir etwas geschenkt hat, und ich dastand und nichts hatte.«

Tim blinzelt, als würde er auf die richtige Antwort warten. Aber genau so ist es gewesen.

»Sie wird dir niemals was schenken.«

»Und warum nicht, Schlauberger?«

»Weil ihr nicht zusammen seid.«

»Tim … Du hast mir auch was geschenkt. Sind wir jetzt neuerdings zusammen?«

»Du bist mein bester Freund«, kontert er und hebt die Schultern.

»Und Lydia ist meine beste Freundin.«

»Das hast du vermasselt, als du dich besoffen von Jules getrennt hast, nur um Lydia dann eine lallende Sprachnachricht zu schicken, wie sexy sie doch ist.«

»Erinnere mich nicht daran«, stöhne ich und presse die Lider zusammen. Ich wünschte, ich könnte diese Nachricht und Lydias Reaktion darauf vergessen.

»Wenn deine rötlichen Haare auf die Sonne treffen, dann ist das für mich die Verkörperung von Sommer …«

»Halt’s Maul, Tim!«, zische ich und reibe mir über die Stirn, während Tim leise vor sich hin kichert. Wirklich witzig. Lydia hat mich daraufhin zwei Wochen ignoriert und dann so getan, als wäre nie etwas gewesen.

»Vielleicht sollte ich heimfahren und in der Schmuckschublade meiner Mom suchen.«

»Wag es, Sev! Deine Mutter ist der liebenswerteste Mensch der Welt und hat das sicher nicht verdient.«

Ich swipe weiter und bleibe an einer alten Armbanduhr hängen. Als hätte ich keine Kontrolle über meine Mimik, verziehen sich meine Lippen zu einem Lächeln.

Genauso eine Uhr hat Lydia von ihrer Mutter geerbt. Wir haben dann später in der Uni Spiele gespielt, um uns herauszufordern, aber vor allem, um die Zeit zu vertreiben.

Jede volle Uhrzeit stand für ein Buch. Lydias Lieblingszeit war 16 Uhr, denn da haben wir uns Rätsel zu Emilia Galotti gestellt. Soll ein Mensch verstehen, warum sie dieses Buch so liebt. Der Minutenzeiger stand damals für die Personen im Buch und wir mussten dann eine Frage aus ihrer Sicht beantworten. Ich habe meistens kläglich versagt.

Später, als Lydia die Uhr gestohlen wurde, haben wir das Spiel nie wieder gespielt. Offenbar hat ihre Mutter ein ähnliches Spiel mit ihr und dieser Uhr gespielt und der Verlust des letzten Gegenstands, den sie von ihr noch hatte, hat alles verändert.

»Ich hab was«, sage ich und reiße mich selbst aus meiner Trance. »Los, wir fahren nach Eschersheim. Dann lasse ich dich bei deinen Eltern raus und fahre anschließend zu meinen.«

»Und wie komme ich dann zur Weihnachtsfeier ohne Auto?«, hakt Tim genervt nach.

»Erstens sind Weihnachtsfeiern verboten und zweitens muss ich, nachdem ich bei meinen Eltern war, sowieso zum Stadion.« Ich mache eine kurze Pause. »Mics Todestag.«

»In Ordnung«, raunt Tim und steht auf. »Und du bist dir sicher, dass du morgen bei mir sein willst? Es ist Heiligabend.«

»Du kennst doch meine Mom. Nie in Amerika gelebt und trotzdem feiern wir erst am Ersten Weihnachtsfeiertag. Morgen wird nur Nastassia da rumlaufen und alle verrückt machen, weil im Braten keine giftigen Stoffe sein dürfen.«

Tim grinst. Ich weiß, dass es ihm viel bedeutet, an Heiligabend nicht allein sein zu müssen. Seine Eltern fahren noch heute zu Tims Oma in den Osten. Er bleibt hier, weil er kein Risiko für sie darstellen will. Und auch heute treffen sie sich nur mit viel Abstand in ihrem Garten, um einen Glühwein zu trinken. Also haben wir beschlossen, zu zweit zu feiern. Lydia wird bei ihrem Dad sein. Und ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, ob ich sie gerne in unserer kleinen Runde dabei hätte. Es ist einfach seltsam zwischen uns. Als hätten wir die Freundschaftsebene verlassen und würden jetzt in der ›da ist was zwischen uns, was keiner benennen will‹-Ebene feststecken.

»Los jetzt, der Kerl ist nur noch ’ne halbe Stunde zu Hause.«

Als wir in meinem Mustang sitzen, beginnt Tim nervös auf seinem Handy herumzutippen. Ich runzle die Stirn und versuche einen Blick zu erhaschen. Aber ich erkenne nichts.

»Was machst du da?«

»Geht dich nichts an.«

»Wow. Ich dachte, wir sind beste Freunde.«

Tim wirft mir einen genervten Blick zu. »Es geht dich zwar trotzdem nichts an, aber ich schreibe mit einer Frau.«

»Ist sie ein Roboter?«

»Siehst du! Und genau aus diesem Grund erzähle ich dir sowas nicht!«, zischt er und verschränkt zornig die Arme vor der Brust.

»Entschuldige. Also nochmal von vorne. Woher kennt ihr euch?«

»Tinder«, sagt er und mustert mich, als würde er auf den nächsten dummen Spruch warten. Aber ich zügle mich. »Und weiter? Wie heißt sie? Wie alt? Woher? Ist sie heiß?«

Er schnauft. »Sie heißt Meike und ist 27. Hier aus Frankfurt.«

»Soll ich dich lieber bei ihr rauslassen?« Ich zwinkere ihm lasziv zu. Aber Tim schüttelt nur bedröppelt den Kopf. »Ich kann sie nicht treffen.«

»Und warum nicht?«

»Weil sie sicher denkt, dass ich besser aussehe als …«, er deutet an sich hinab, »so!«

»Was für ein Schwachsinn. Außerdem hast du doch sicher ein Bild drin.«

»Ja, aber da bin ich gut getroffen und schlanker.«

Ich blinzle. »Wann warst du mal schlanker? Als du zehn warst?«

»Nicht witzig. Nach dem Studium habe ich eine Weile eine Diät gemacht.«

»Und weiter? Jeder hat während Corona zugenommen. Schieb’s darauf.«

»Das ist alles nicht so einfach wie für dich, Sev. Ich habe nie Dates. Ich wüsste nicht mal, was ich sagen soll.«

»Aber du schreibst ihr doch auch. Du machst einfach genau so weiter, nur dass du nicht schreibst, sondern die Worte ausnahmsweise aus deinem Mund kommen.«

Tim zuckt mit den Schultern und sieht aus dem Fenster.

»Ist das Gespräch damit beendet?«, hake ich nach und bekomme nur ein sanftes Nicken. Allerdings werde ich keine Ruhe geben. Jetzt vielleicht, damit er sich nicht noch weiter in seinen Hasenbau zurückzieht. Aber früher oder später bekomme ich ihn schon dazu, sie zu treffen.

Ich halte bei der Adresse, die der Kerl angegeben hat, kaufe die Uhr und fahre Tim dann zu seinen Eltern, bevor ich zum Nordend fahre, parke und am Holzhausenpark vorbei zum Haus meiner Eltern schlendere.

»Mom!«, rufe ich, als ich mich durch den Flur voller Weihnachtsschmuck gequetscht habe und in die Küche trete, wo – wie immer einen Tag zu früh – Nasti steht und die Packungen überprüft, die Mom zum Kochen benutzen will.

»Wo ist Mom?«

»Hallo auch«, zischt Nasti und spitzt ihre Lippen.

»Hallo. Wo ist Mom?«, wiederhole ich genervt und versenke meine Hände in den Hosentaschen. Vielleicht hätte ich mich dicker anziehen sollen.

»Im Garten mit Papa. Irgendein bescheuertes Rentier aufstellen.«

»Danke, Schwesterlein«, sage ich, schnappe mir einen Apfel und gehe durch das Esszimmer hinaus auf die Terrasse, wo Mom steht und Dad Anweisungen zubrüllt, der nicht sehr elegant auf der Leiter steht. Ein Rentier, Kabel und Stecker in der Hand.

»Oh hallo, Honey«, sagt Mom und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

»Ja, haltet doch am besten noch ein Kaffeekränzchen, statt mir zu sagen, wo dieses Mistvieh hin soll!«, beschwert sich Dad sichtlich genervt von oben.

»Jesus«, flucht Mom auf Englisch und berührt ihre Schläfe.

»Stell ihn einfach irgendwo hin, bevor du dich noch umbringst.«

»Na schön.« Dad schmeißt das Rentier förmlich auf das Dach und wir alle sehen dabei zu, wie es immer weiter hinabrutscht, bis es in der Regenrinne steckenbleibt und schief hinabhängt, Dad den Stecker reinsteckt und von der Leiter steigt. Ich hebe belustigt meine Brauen. »Ein echtes Kunstwerk.«

»Deine Mutter kann einfach keine klaren Aussagen treffen«, beschwert er sich und klopft mir auf die Schulter. »Und ich muss jetzt ins Gericht. Hab den Kollegen frei gegeben und den Notdienst selbst übernommen.«

»Sieht man«, kommentiere ich den Anzug, den er trägt. »Passende Kleidung, um auf dem Dach herumzuklettern.«

»Er hätte den Weihnachtsschmuck auch wie alle anderen Nachbarn schon vor dem ersten Advent anbringen können. Aber dein Oberstaatsanwalt-Vater hat ja zu viele Termine, um die Bitten seiner Frauen wahrzunehmen«, gibt Mom ihren Senf dazu.

»Wie auch immer«, sagt Dad, küsst Mom und verschwindet dann.

Mein Blick ruht noch eine Weile auf dem Rentier, das aussieht, als hätte es sturzbetrunken seinen Schlitten verloren, wäre vom Himmel direkt auf unser Dach geknallt und würde jetzt von der Regenrinne aus in unseren Garten reihern.

»Komm rein, Honey«, höre ich Mom sagen und folge ihr.

»Was machst du überhaupt hier?«, fragt Nasti durch die offene Küchentür, ohne ihren Blick von der Packung Soßenbinder, die sie gerade inspiziert, abzuwenden. Seitdem sie im Internet auf eine App gestoßen ist, die alle für Kinder gefährlichen Stoffe aufzählt, ist sie wie besessen, etwas ›Hochgiftiges‹ im Essen anderer Leute zu finden. Wahrscheinlich nur, um dann hämisch zu grinsen und zu sagen: »Ohne mich – tot!«

»Ich wollte Mom besuchen«, gebe ich zurück und ziehe dann die Uhr aus der Tasche. »Und fragen, ob du Geschenkpapier hast.« Ich blinzle Mom unschuldig an, während Nasti mit der Zunge schnalzt.

»Ich hoffe, das alte Ding ist nicht für mich.«

»Seit wann bekommst du Geschenke von mir?«, kontere ich und zwinkere ihr zu.

»Hauptsache, du hast etwas für Leonard besorgt. Du weißt, wie sehr er seinen Onkel liebt.«

»Und das tut er nicht mehr, wenn ich ihm nichts schenke?«

»Hört auf, Kinder«, mischt sich Mom ein und nimmt mir die Uhr ab. »Ist sie für Lydia? Kommt sie auch?«

»Nein. Sie feiert bei ihrem Pa.«

»Wie schade. Aber ich schaue mal, was ich finde.« Sie drückt mir die Uhr wieder in die Hand und verschwindet, woraufhin mir ein kleines »verdammt« über die Lippen gleitet.

»Hast wohl gehofft, dass sie es dir einpackt«, giftet Nasti. Ich atme tief ein und ignoriere sie. Stattdessen beiße ich in den Apfel, um auch meinen Mund daran zu hindern, mit irgendeiner unpassenden Gemeinheit auf ihre Provokation einzugehen. Stoff gäbe es schließlich genug.

Wir schweigen uns an, bis Mom wiederkommt und mir ein Tütchen in die Hand drückt. Ich stecke es zusammen mit der Uhr zurück in meine Hosentasche und schmeiße den Apfel in den Müll. »Ich treffe mich jetzt mit Hel, Gustav und Kev. Wir sehen uns übermorgen.«

»Komm bloß nicht zu spät, Severin. Pünktlich um 12 Uhr öffnen wir die Geschenke.«

»Ich weiß, Mom«, sage ich, küsse sie auf die Stirn und gehe. Nasti winke ich nur knapp zu.

Als ich Tim wieder eingesammelt habe, ist auch er seltsam schweigsam und ich bekomme allmählich das Gefühl, dass dieses Weihnachten anders wird. Scheiß Corona hat alles verändert. So langsam könnte es wirklich vorbei sein.

»Hier, dein Test«, sagt Tim dann irgendwann und legt ein Päckchen in meine Mittelkonsole. »Woher hast du den? Außerdem war ich heute Vormittag im Testzentrum. Weißt du doch.«

»Doppelt hält besser. Und ich habe Verbindungen.«

»Klingt, als wärst du ein Schmuggler.«

»Ja genau, Severin. Ich schmuggle nebenberuflich Corona-Tests.«

»Das erklärt auch deine teure Wohnung.«

»Witzig«, mault er und beginnt mir vorzulesen, was ich zu tun habe. Als wir am Stadion angekommen sind und Tim sei Dank direkt vor dem Stadion parken konnten, hat er mich bereits so zugelabert, dass ich mir das blöde Stäbchen freiwillig in die Nase stecke und drehe, bis meine Augen leicht tränen.

Tim nimmt es und drückt es in das kleine Gefäß, bevor wir eine Viertelstunde warten und er mir endlich das Okay gibt, auszusteigen.

»Wie gesagt, ich war schon heute Vormittag negativ.«

»Du bist immer negativ«, lacht Tim und klopft sich selbst auf die Schulter. Ich stimme in sein Lachen ein, auch wenn das wirklich der schlechteste Witz aller Zeiten war. Aber ich muss den Plan verfolgen, ihn mutig genug zu machen, um sich mit dieser Meike zu treffen. Außerdem ist Weihnachten und da muss man ja angeblich nett sein.

»Also … Wir sehen uns dann später im Greifvogel«, beginnt Tim mit einem Blick auf seine Uhr. Ich hasse es, wenn er in seinen Planungsmodus fällt. »Sind von hier aus ja nur 20 Minuten zu Fuß. Oder irgendjemand nimmt mich nachher mit und setzt mich ab. Aber du fährst dann nicht mehr! Stell dein Auto an der Rennbahn ab und gib am besten Hel den Schlüssel.«

»Ich würde nie betrunken fahren, Tim«, gebe ich mit Unschuldsmine zurück und sehe mich um, bis ich Hel und Gustav entdecke, die gerade den Weg vom Haupteingang hochkommen.

»Also, viel Spaß mein kleiner Frauenheld, hab dich lieb«, sage ich zu Tim, kneife ihm in die Wange und laufe zu den anderen.

»Du mich auch, Severin!«, ruft Tim mir nach und verabschiedet mich dabei mit einer nicht gerade netten Handbewegung.

Ich begrüße Hel, die mich eine halbe Ewigkeit drückt, bevor Gustav mich väterlich in den Arm nimmt und seine Hand auf meinen Rücken klatschen lässt.

»Hier sind unsere Ergebnisse«, sagt Hel und zeigt mir eine Mail auf ihrem Handy.

»Hel, ich vertraue euch.«

»Na, schließlich hast du auf die Tests bestanden«, brummt Gustav durch seinen weißen Bart und deutet dann hinter sich, wo Kevin erscheint und mir die Faust entgegenhält.

»Was ist mit Claudia?«

»Sie ist im Greifvogel geblieben und bereitet alles vor, wenn wir danach zu ihr kommen«, sagt Hel und deutet auf die Tribüne, die im Dunkeln noch gewaltiger aussieht. Mehr als 30 Meter hoch reckt sie sich in den düsteren Abendhimmel. Hels Blick vernebelt sich.

»Wir legen nur diese blöden Blumen ab und dann gehen wir wieder, ok?«

Ich nicke. Wir alle wissen, dass sie nicht gerne hier ist, und doch war es ihre Idee. Vielleicht weiß sie tief in ihrem Inneren, dass sie sich diesem Ort, nein, dem ganzen Stadion irgendwann stellen muss, wenn sie Mic und dem Fußball wieder nah sein will.

Hel drückt mir eine Blume in die Hand und schenkt mir ein trostloses Lächeln, bevor wir die Rampe hochgehen. Ich versuche, die Gedanken an Mic und seinen Selbstmord zu verdrängen. Versuche, nicht darüber nachzudenken, wie allein er sich nach seiner Verhaftung und dem darauffolgenden Freispruch gefühlt haben muss. Zwar hatte er nichts mit der Bombe und den Morden zu tun, die der Ordner begangen hat, aber einmal verhaftet und unter Verdacht, wird man das nur schwer wieder los. Mic hat es nicht geschafft und ich wünschte, ich wäre mehr für ihn da gewesen. Ich wünschte, er hätte sich mir oder Hel oder einem der anderen anvertraut. Aber so war er nie gewesen. Mein Herzschlag beschleunigt sich schmerzhaft, als wir direkt unter der Nordwestkurve stehen. Mic, das Stadion, das alles hier fühlt sich wie ein altes Leben an. Eines, nach dem ich mich manchmal sehne. Oder vielleicht sehne ich mich viel eher nach einer Zeit, in der noch nicht alles dermaßen befleckt war. Jetzt ist es das. Und ich bin es auch.

Stille Nacht

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