Читать книгу Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (2) - Dani Merati - Страница 3

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1. Ein harter Schlag

Außerhalb von Paradise Valley bretterte ein altersschwacher Pick-up über den Highway, am Steuer ein aufgewühlter Fuchs, dem panische Angst das Herz abdrückte. Vor einer Weile hatte ihn seine Schwester Carol angerufen und mit ihrer Nachricht einen Schock versetzt.

Durch ihr verzweifeltes Schluchzen und die wirren Wortfetzen hatte er nur verstanden, dass John tot war und überall so viel Blut sei. Dass sie es nicht länger aushielte. Und dann hatte sie ihn um Verzeihung gebeten, ehe sie die Verbindung abbrach. Seitdem versuchte er vergeblich, sie zu erreichen, aber das Handy blieb tot.

Vor Kurzem hatte Hugo gegenüber Layton noch großspurig gemeint, dass seine Schwester ihre Entscheidung getroffen hatte und er sich nicht mehr einmischen würde. Jetzt verfluchte er sich dafür.

Der Vorschlag des Katers, Carol zu kidnappen und zum Schamanen der Wölfe zu bringen, hätte vielleicht etwas bewirken können. Sein Starrsinn - und ja auch eine gehörige Portion Zorn - waren die Gründe für seine Ablehnung des Plans gewesen.

Im Gegensatz zu seiner Schwester hatten Layton und dessen Mom sich liebevoll um ihn gekümmert, ihm ein Zuhause gegeben, das wollte er nicht gefährden. Es war undenkbar für ihn, die beiden wichtigsten Personen in seinem Leben irgendeiner Gefahr auszusetzen.

Der verheilende Biss in seinem Nacken kribbelte, erinnerte ihn daran, dass es noch jemanden gab, für den er alles tun würde. Egal, ob der Leopard ihn zurückwies oder nicht, seinen Schutz bekam er dennoch. Da konnte auch seine verletzte Eitelkeit nicht dran rütteln. Adam Hewitt war sein Auserwählter und sobald er zurück ins Tal kam, würde er ihn beanspruchen. Koste es, was es wolle.

Einen winzigen Moment stellte er sich vor, dass die Dinge anders lagen. Dass die Raubkatze nach ihrem erotischen Stelldichein nicht abgehauen war und nun neben ihm saß, um ihm beizustehen.

Hugo umklammerte das Lenkrad fester.

‚Gib dich keinen Illusionen hin, du Narr. Das endet nur in einer Katastrophe.‘

Und noch eine weitere konnte er nicht gebrauchen.

Natürlich bräuchte er das nicht allein durchzustehen. Ein Wort zu Layton und der würde sofort zu ihm eilen. Doch er befand sich gerade mitten in der Paarung, ihn da herauszureißen erschien ihm falsch. Zudem wollte er bestimmt nicht, dass ihn ein Rudel Wölfe zu Carol begleitete, deshalb war er heimlich davongeschlichen.

Was ihn vielleicht erwartete, erfüllte ihn mit Grauen. So sehr er auch gedacht hatte, sie sei ihm egal. Die Schwester, die sich von ihm entfremdet hatte, ihn gezwungen, seine Natur zu unterdrücken, versucht hatte, aus ihm einen reinen Menschen zu machen. Dafür hatte er ihr unbewusst all die Jahre gegrollt, sich von ihr distanziert und wenn sie jetzt verloren war, dann ... Er trat das Gaspedal durch, hoffte und betete, dass er nicht zu spät kam.

***

Es war fast Mittag, als Hugo die Kleinstadt Jackson westlich von Paradise Valley erreichte, in der seine Schwester lebte. Vergeblich hatte er in den vergangenen drei Stunden versucht, mit Carol zu sprechen, aber sie hatte auf keine seiner Nachrichten und Anrufe mehr reagiert. Inzwischen schob er Panik und bereute es, Layton nicht eingeweiht zu haben. Gerade jetzt könnte er die beruhigende Präsenz seines besten Freundes gut gebrauchen.

Fahrig strich er sich über die Augen. Er war hundemüde, da er die halbe Nacht von Adam geträumt oder sich unruhig hin- und hergewälzt hatte. Dieser verfluchte Leopard! Wieso musste der ihm permanent im Kopf herumschwirren?

Bei Luna! Das war nicht zum Aushalten, aber egal wie sehr Hugo es auch versuchte, die Gedanken an seinen Gefährten ließen sich nicht vertreiben. Die Überlegungen, was er gerade tat, wie es ihm ging. Ob Adam ebenfalls unentwegt an ihn dachte. Er hoffte es, denn die Alternative, dass die Raubkatze ihm gleichgültig gegenüberstand und sie ihr Gefährtenband willentlich ignorierte, zerriss ihm die Seele.

Ein Hupen riss ihn aus seinen Grübeleien. Er hatte an einer roten Ampel angehalten, die jedoch nun längst grün anzeigte. Rasch gab er Gas, bog nach rechts ab und fuhr nun zügig weiter. Je näher er dem Viertel kam, in dem seine Schwester mit ihrem Ehemann lebte, desto kälter wurde ihm.

Als Hugo schließlich in der Einfahrt vor dem zweistöckigen Haus parkte, überliefen ihn eisige Schauer. Mit bleischweren Gliedern stieg er aus dem Auto, witterte die Umgebung und erstarrte. Es lag ein Hauch Eisen in der Luft, der natürlich einen harmlosen Ursprung haben konnte, die böse Vorahnung, die ihn seit Carols Nachricht heimsuchte, verstärkte sich jedoch rapide.

Der Drang, wegzurennen war stark, aber er widerstand ihm. Rasch zog er sein Handy aus der Hosentasche, schrieb Layton nun doch eine SMS, denn er wusste nicht, wie er das, was er wahrscheinlich gleich vorfand, alleine durchstehen sollte.

Knurrend folgte er danach der Witterung, sein Fuchs wollte sich wandeln, er hielt ihn allerdings zurück. Vorsichtig erklomm er die Stufen zur Veranda, sah sofort die halb offene Haustür, die blutigen Fingerabdrücke am Rahmen.

Hugo schwankte gefährlich, dann nahm er beherzt den letzten Tritt und stieß mit dem ausgestreckten Arm die Tür auf. Der beißende Geruch nach Eisen überwältigte ihn beinahe, zerrte an seiner Selbstbeherrschung. Der Fuchs in ihm knurrte, drängte an die Oberfläche, versuchte, ihn zu beschützen. Er kämpfte gegen eine Welle von Übelkeit, bei dem Anblick, der sich ihm bot.

John sah er zuerst ... oder eher das, was von ihm übrig war. Sein Rücken wies zahlreiche Bissspuren auf, die Kehle schien zerfetzt. Bittere Galle schoss seine Speiseröhre hoch, hastig presste er seine zusammengeballte Faust auf den Mund. Er zwang sich dazu, den Blick weiter schweifen zu lassen ...

Zunächst spürte Hugo nichts. Sein Gehirn konnte oder wollte nicht verarbeiten, was seine Augen erblickten. Dann kam der Schmerz. Reißend. Allumfassend.

Schluchzend sackte er auf die Knie, unverwandt auf seine tote Schwester starrend, in deren erschlaffter Hand ein Revolver lag. Von ihrem Gesicht erinnerte nichts mehr an die hübsche junge Frau, die sie gewesen war und er war unfähig, die Schwärze aufzuhalten, die unerbittlich nach ihm griff. Wie hatte er Carol nur im Stich lassen können? Das war sein letzter Gedanke, ehe ihn die Ohnmacht holte.

***

Der neue Morgen, oder eher Mittag kam Laytons Ansicht nach viel zu plötzlich. Gerade eben schwelgte er noch in angenehmen Träumen, fühlte sich wunderbar geborgen in den Armen seines Wolfs und nun prasselten wieder die ganzen Probleme mit voller Wucht auf ihn ein.

Er streckte sich, blinzelte verschlafen, ehe er als Erstes nach seinem Smartphone tastete, das im gleichen Moment eine Nachricht ankündigte. Hm, von Hugo. Hastig öffnete er sie. Ihr Gespräch gestern Abend war ja ziemlich merkwürdig gewesen.

Geschockt starrte er auf die zwei Sätze.

Bitte komm zu Carol. Ich brauche dich.

Seine Ahnung bezüglich der Füchsin schien sich bewahrheitet zu haben und ihm wurde flau im Magen. Er musste dahin. Sofort! Hugo brauchte ihn, er konnte seinen besten Freund nicht im Stich lassen. Falls dessen Schwester tatsächlich ... Nein, er brachte den Gedanken nicht zu Ende.

Rasch tippte er die Antwort ein, dass er auf dem Weg war und stand auf. Er sprang unter die Dusche, ehe er in der Küche aufschlug. Hunger hatte er keinen, obwohl Tanner ihm einen Berg Pfannkuchen auf einem Teller unter Alufolie warmgehalten hatte. Ein wohligwarmes Gefühl durchrieselte ihn. Ihm gefiel diese selbstverständliche Aufmerksamkeit seines Gefährten.

Dem er jetzt beibringen musste, dass sie sofort zu Hugo fahren würden. Und zwar allein. Ohne Begleitung einer Eskorte. Das konnte er seinem Freund nicht zumuten. Er wollte nicht, dass jemand anderes als er und Tanner den Fuchs in solch einer Situation sahen.

Vorsichtig tastete Layton nach ihrem Band und ‚klopfte‘ höflich im Bewusstsein seines Seelenpartners an. Er spürte ihn zwar ganz in der Nähe, doch es war ihm wichtig, auch auf diese Weise mit ihm zu kommunizieren. Ihm so zu zeigen, dass er ihre Verbindung mit allen Facetten akzeptierte. Seine Trotzreaktion beim ersten Mal, als er Tanners Emotionen gespürt hatte, lag ihm immer noch schwer im Magen. Wie verletzt der Wolf gewesen war ...

‚Ich bin auf der Veranda.‘

Sein Gefährte saß in der überdimensionalen Hollywoodschaukel, mit der er sanft hin- und herschwang, als Layton mit einem Becher Kaffee nach draußen trat.

„Hey, Katerchen.“

Auffordernd streckte ihm sein Seelenpartner die Hand entgegen. Willig ließ er sich ziehen, hielt den Kaffeebecher sorgfältig fest, damit nichts überschwappte, und plumpste auf den Schoß des Wolfs.

„Was bedrückt dich?“, fragte Tanner leise und kraulte ihm den Nacken.

Wieder einmal dachte sein Gefährte zuerst an ihn und stellte die eigenen Sorgen hinten an.

Matt lehnte Layton sich an die breite Brust, wünschte sich nichts mehr, als die Wirklichkeit auszusperren und einfach nur ihre Zweisamkeit genießen zu können. Doch die hässliche Realität drang in jeden Winkel ein, trübte ihr Beisammensein und traurig schaute er seinen Seelenpartner an.

„Ich hab eine SMS von Hugo bekommen. Er ist unterwegs zu seiner Schwester und ich befürchte, dass etwas Grauenvolles passiert ist. Er hat geschrieben, er brauche mich. Das bedeutet, dass es sehr schlimm ist, sonst würde er mich nicht um Hilfe anflehen. Ich weiß, dass der Moment gerade alles andere als günstig ist und ich ...“

„Natürlich helfen wir deinem Freund. Wenn ich nur darüber nachdenke, was ich täte, sollte Sarah in Gefahr sein ...“, dunkler Zorn schwang in Tanners Worten.

„Und um deine nächste Frage vorwegzunehmen: Es gefällt mir nicht, alleine dahinzufahren, aber ich verstehe, wieso wir da nicht mit einem halben Wolfsrudel aufschlagen können.“

Nachsichtig lächelte sein Wolf ihn an, die Besorgnis in den silbergrauen Iriden unverhüllt.

Überrascht schaute Layton ihn an, ehe er sich dankbar in die Arme seines Gefährten schmiegte. Über ihr Band versuchte er, all seine überbordenden Emotionen zum Ausdruck zu bringen, für die ihm die Worte fehlten.

„Ich weiß, Katerchen.“ Fest und sicher.

Und für einen winzigen Augenblick in all dem Chaos gab ihm Tanners Nähe die Kraft, die er so dringend brauchte. Er dachte an die Unterhaltung mit dem Alpha Rex gestern Abend, an die schockierenden Enthüllungen.

Ehe der Alphawolf gegangen war, hatte er ihm einen Zettel mit einer Nummer in die Hand gedrückt. Über den darunter erreichbaren Mittelsmann konnte sein Gefährte mit Emily in Kontakt treten. Momentan bezweifelte er jedoch, dass sein Wolf daran Interesse hegte. Er würde die Kontaktdaten sorgfältig aufbewahren und mit Tanner in einer ruhigen Minute darüber reden. Ihm beistehen, so gut er es vermochte.

Und hoffen, dass seine neue Familie an den jahrelangen Heimlichkeiten nicht zerbrach.

Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (2)

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