Читать книгу Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (2) - Dani Merati - Страница 4
2. Füreinander bestimmt
Оглавление„Hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber ihr Wölfe seid gar nicht so übel.“ Kurze Pause.
„Zumindest ein paar“, schob sein Kater frech hinterher und Tanner lächelte still in sich hinein.
Bevor sie aufgebrochen waren, hatten sie in der Lodge vorbeigeschaut und Martha sich seinen Gefährten gleich geschnappt und in die Küche geschleppt. Er selbst war auf die Suche nach Callan gegangen, doch der war mit seinem Dad früh zu Chief Norton gefahren.
Die Erinnerung an Talias geschundenen Körper, ihre zerstörte Seele, wühlte ihn und seinen Wolf auf und am liebsten schlösse er sich der Jagd nach den Bastarden an. Aber Layton ging vor und deshalb fuhren sie jetzt in die Kleinstadt Jackson, wo Hugos Schwester mit ihrem menschlichen Ehemann lebte.
Ihm war natürlich unwohl dabei auf eine Eskorte zu verzichten, dennoch hatte er der Bitte seines Gefährten nachgegeben. Verstehen konnte er es auch. Zudem war ihre Paarung so frisch, der Gedanke an ungebundene Wölfe auf engem Raum mit seinem Kater ... Nein, das würde seine Geduld zu sehr strapazieren.
Außerdem knabberte er immer noch an der schockierenden Eröffnung seines Dads, jedoch sah er die Dinge heute bereits wesentlich differenzierter und war nicht mehr so wütend und enttäuscht.
Angesichts des Glücks, das er mit Layton gefunden hatte und der Erfahrung am eigenen Leib, wie mächtig das Paarungsband war, vermochte er seine Eltern nicht wirklich zu verurteilen. In einem hinteren Winkel seines Verstandes kapierte er sogar, wieso seine Mom ihn und Sarah bei ihrem Vater gelassen hatte. Weh tat es dennoch und ob er ihr irgendwann vergeben konnte ... er wusste es nicht. Mit seinem Dad würde er reden, sobald sie wieder nach Hause fuhren.
Und im Augenblick gab es wichtigere Dinge, um die er sich kümmern musste. Eines davon saß neben ihm und die Gefühle, die beständig zwischen ihnen hin- und herkreisten, erfüllten ihn mit unendlicher Demut.
„Hm, das freut mich zu hören. Und da wir gerade dabei sind Zuneigungsbekundungen zu verteilen ...“
Verlegen brach er ab und biss sich auf die Zunge. Bei Luna, wie schwierig mochte es denn sein, das, was er empfand, in adäquate Worte zu fassen? Extrem schwierig, fand er.
„Ich finde dich ebenfalls ziemlich cool, Katerchen. Ich ... ich mag dich“, druckste er herum und Laytons Strahlen wischte alle Unsicherheiten weg.
„Ich bin ja auch unwiderstehlich“, sein Gefährte wackelte mit den Augenbrauen. „Wer könnte dem hier schon widerstehen?“
Seine Miezekatze fuhr mit den Händen über seinen schmalen Leib und Tanners Mund wurde staubtrocken, ehe sich rapide Speichel darin sammelte. Laytons Pheromone verdichteten sich in der Luft, legten sich wie ein Mantel um ihn und er schluckte schwer, umklammerte das Lenkrad fester. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, verdammt!
„Merkwürdig, dass meine Mom gar nicht aufgetaucht ist. Ich weiß, dass sie sich ebenfalls Sorgen um Hugo macht, sie liebt ihn wie einen eigenen Sohn. Hm, am Telefon heute früh war sie auch so hektisch, als hätte sie es eilig.“
Erleichtert spürte Tanner seine Erregung abflauen. Komisch, die Erwähnung der Schwiegermutter war wohl überall und immer das Äquivalent einer kalten Dusche. Die Veränderung in Melodys Duftmarke bei ihrer Ankunft in der Lodge war an seinem Kater anscheinend vorbeigerauscht - kein Wunder, wenn man bedachte, wie aufgeregt sein Gefährte da gewesen war. Nun, diese Bombe würde er bestimmt nicht platzen lassen. Das sollte die Katze ihrem Sohn selbst verklickern.
„Vielleicht musste sie ja dringend wohin, Katerchen. Immerhin ist sie gerade zur Katzenältesten gewählt worden. Glaub mir, so eine Position ist anstrengend und sehr zeitaufwendig. Ruf sie doch einfach noch mal an.“
„Besser nicht.“ Layton lächelte scheu. „Sie will mich erst wiedersehen oder von mir hören, wenn wir ... Nun, also, sobald uns unsere Hormone nicht mehr auf der Nase herumtanzen.“
Wangen und Ohren seines Katers glühten und selbst Tanner - sonst nie verlegen - spürte ungewöhnliche Hitze im Gesicht. Rasch überspielte er seine Unsicherheit mit einem anzüglichen Grinsen.
„Ich fürchte, da kann sie lange warten. Du bist so heiß und sexy, ich brauche keinen Paarungstrieb, um jederzeit über dich herfallen zu wollen.“
Er wackelte mit den Augenbrauen und plötzlich lachten sie beide los. Sie tauschten einen Blick, der mehr sagte als tausend Worte und schließlich räusperte Layton sich, wurde schlagartig ernst.
„Dein Dad hat gestern noch mit mir geredet. Unter anderem hat er mir auch die Kontaktdaten deiner Mom gegeben. Ich wollte sie dir schon heute Morgen geben, aber dann kam die SMS von Hugo und ...“
„Es ist okay“, unterbrach er seinen Gefährten.
„Im Moment kann ich mir sowieso nicht vorstellen, mit ihr zu sprechen. Ich wüsste gar nicht, was ich sagen soll. Ich denke, wir klären erst mal alle Probleme hier und danach schauen wir weiter.“
Aufmunternd lächelte er Layton an, ehe er sich wieder auf den Weg konzentrierte. Nur noch wenige Kilometer und sie ließen das Tal hinter sich.
„Was diese Probleme angeht. Du sprichst von der Situation mit den Leoparden, oder? Dass Hewitt dabei ist eine Revolution anzuzetteln?“
Überrascht, dass sein Vater seinen Seelenpartner so ins Vertrauen gezogen hatte, wusste er erst nichts zu sagen. Dann spürte er die Angst seiner Miezekatze wie Säure durch seine Adern schießen und fuhr langsamer. Er streckte eine Hand aus, die sein Kater sofort mit seiner umfasste. Ihre Finger umschlangen einander und er zwang sich, ehrlich und rational zu antworten.
„Gordon ist es durchaus zuzutrauen. Er plädiert schon ewig dafür, dass die Feliden einen eigenen Anführer bekommen und nicht mehr vom Wohlwollen der Wölfe abhängig sind.“
Tanner verstand das bis zu einem gewissen Grad natürlich, aber er war in der jetzigen Ordnung aufgewachsen und fand, sie hatte sich größtenteils bewährt. Ein menschliches Sprichwort besagte, dass zu viele Köche den Brei verdarben.
Ihre Gemeinschaft würde unweigerlich zersplittern und auseinanderfallen, gäbe es zig Alphas, die sich vermutlich sofort gegenseitig zerfleischten. Momentan regelte ein Ältestenrat in jedem Clan die Belange seiner Angehörigen und trug Anliegen dann dem Alpha Rex vor. Dass einem dominanten Alphaleopard das nicht schmeckte, war natürlich klar.
Klar war ebenfalls, dass Veränderungen unausweichlich anstanden. Die Gleichberechtigung in allen Bereichen dabei das ultimative Ziel und so auch die Akzeptanz der gemischten Gefährtenpaare. Dennoch war Tanner - ebenso wie sein Dad - der Ansicht, dass es ohne eine solide Führung nicht funktionieren konnte. Und momentan oblag nun mal einem Alphawolf diese Führung.
„Nun, ich kann - bis zu einem gewissen Grad - verstehen, dass er so denkt. Die Wölfe sind ... Nun, sie unterdrücken die - in ihren Augen - niederen Wandlergruppen, hauptsächlich die, die nicht zu den Raubtieren gehören und ...“, kleinlaut brach Layton ab, er hörte ihn krampfhaft schlucken.
Tanner spürte eine Welle der Angst zu ihm herüberschwappen. Bei Luna! Vermutlich glaubte sein Kater, er verärgere ihn mit solch einer Aussage, dabei verstand er die Gefühle seines Gefährten sehr viel besser, als der dachte.
Seine Familie führte das Tal bereits in der 4. Generation und vor seinem Dad hatte es unter den vorherigen Alphas nur absolute Hardliner gegeben, die die ihrer Meinung nach ehernen Wandlergesetze rücksichtlos und konsequent durchsetzten. Seinen Großvater zum Beispiel, den er immer gefürchtet hatte. Dessen frühes Ableben war ein Segen für seine Ausbildung gewesen, das wusste er - trotz der Strenge, die sein Dad walten ließ.
Dennoch war das Gedankengut des verstorbenen Alpha Rex in vielen Wölfen verwurzelt und Veränderungen brauchten Zeit. Tanner befürchtete zurecht, dass seine Paarung mit einem Katzenwandler eine Revolution auslösen könnte - und die brachte zunächst Tod und Verderben, ehe sie ihrer aller Leben vielleicht verbesserte.
Er blickte aus dem Fenster und sah einige hundert Meter entfernt das Schild von Abes Tankstelle aufleuchten. Perfekt! Die Tanke mit dem Rastplatz war der letzte Stopp im Tal. Dahinter endete ihr Hoheitsgebiet. Natürlich hatten die Menschen keine Ahnung, dass es hier im Tal mehr gab, als beschauliche Ortschaften. Es gab viele wirtschaftliche Kooperationen, aber nur wenige Leute besuchten Paradise Valley. Und der Großteil der Wandler verbrachte sein ganzes Leben im Tal. Bis auf die, die studierten.
Wehmütig dachte er an das Telefonat mit Sarah. Seiner kleinen Schwester schien es in Paris zu gefallen und sie sich im dortigen Rudel wohlzufühlen. Doch ihm wäre es lieber, sie käme schnellstmöglich nach Hause.
Wer wusste schon, wie Antoine Forniér, der Europäische Alpha Rex reagierte, wenn er von der Paarung erfuhr. Und ob Sarahs Wächter, die sie begleiteten loyal zu ihr standen, konnte er nicht einschätzen. Fuck! So viele Unwägbarkeiten. Dennoch dankte er Luna jede Sekunde, dass ihm ein Gefährte geschenkt worden war. Ein größeres Glück hätte ihm nicht widerfahren können.
Tanner setzte den Blinker und fuhr von der Straße ab. Der Parkplatz vor dem dazugehörigen Diner war leer und er rollte in die letzte Lücke, neben der ein Kiesweg in das angrenzende Waldstück führte.
Fragend schaute sein Kater ihn an, als er sich zu ihm umwandte. Er öffnete den Sicherheitsgurt, dann den von Layton und zog den Mann kurzerhand auf seinen Schoß. Fest drückte er den schmalen Körper an sich, streichelte ihm in großen Kreisen über den Rücken.
Erleichtert spürte er beinahe sofort, wie sein Gefährte sich entspannte und als ein behagliches Schnurren durch ihn hindurch vibrierte, grinste er breit und überglücklich. Er fasste in die rotbraune Mähne, zog den Kopf nach hinten und legte die Stirn an Laytons.
„Ich weiß, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt“, flüsterte er.
„Jahrelange Unterdrückung sowie Vorurteile lösen sich nicht in Luft auf und nur, weil wir Zwei Seelenpartner sind, bedeutet das nicht automatisch, dass alles vergessen ist, was uns ewig eingetrichtert wurde. Oder wir leugnen sollten, was uns ausmacht. Ich bin nun mal auch ein Wolf, Katerchen. Es gibt gewisse Dinge, die selbstverständlich für mich sind, aber denke bitte nie, niemals, hörst du, dass ich mich für besser oder höhergestellt als dich halte. Du bist mein Gefährte, mein Partner, wir sind gleichberechtigt und es ist mir egal, wie der Rest das sieht.“
Layton beugte sich etwas nach hinten, musterte ihn forschend mit diesen unbeschreiblichen Augen, die im Moment wie sattes gesundes Moos leuchteten. Die tanzenden goldenen Flecken zeigten den Aufruhr der Katze.
„Ich zweifle nicht an dir“, versicherte ihm sein Kater schließlich.
„Es ist nur ... Wenn man jahrelang der Prügelknabe gewesen ist, da ... Na ja ...“, er verstummte, da Tanner unheilvoll knurrte und ihn heftig an sich riss.
Sein Verhalten war irrational, der ungebärdige Zorn in ihm suchte ein Ventil, fand jedoch keins. Sein Wolf zerrte an ihm, wollte diejenigen, die seinen Gefährten drangsaliert hatten, die Knochen brechen, sie zerfetzen, sich an ihrem Blut laben. Ein roter Schleier legte sich über seine Sicht, seine Pupillen veränderten sich. Die Bestie in ihm heulte durchdringend, er musste sich wandeln. Jetzt sofort!
Aber er durfte Layton nicht verängstigen. Bisher hatte es noch keine Gelegenheit für sie gegeben, sich in ihrer Tiergestalt kennenzulernen, und dieser Augenblick gerade war absolut unpassend.
Vibrierendes Schnurren erklang erneut und etwas nie da Gewesenes geschah. Sein Knurren verstummte, der Wolf in ihm jaulte und plumpste auf den Bauch, alle Viere von sich gestreckt. Tanner sah das Bild regelrecht vor Augen. Auch das war eine Premiere. Nie hatte er sein Tier gesehen, solange es in ihm drin steckte. Ja, er fühlte, was es fühlte, schmeckte, hörte und roch dasselbe, aber das hier war anders.
Wärme. Geborgenheit. Zärtlichkeit. Wie eine mächtige Woge stiegen die Emotionen in ihm hoch und er verfolgte atemlos die Szenerie hinter seinen geschlossenen Lidern. Ein rotbraun gestromter Kater tapste auf ihn zu, stupste ihn in die Flanken, schnurrte auffordernd und rieb sich an ihm. Ein spielerischer Schlag mit der Pfote und die Jagd war eröffnet. Sein Gefährte flitzte davon, forderte ihn eindeutig zum Spielen auf und der Wolf setzte zu einem freudigen Heulen an, ehe er ihm aufgeregt nachsetzte.
Ruckartig wurde er durch nerviges Hupen aus dieser unglaublichen Vision gerissen. Er hatte Layton auf das Lenkrad gedrückt. Aus verschleierten Katzenaugen wurde er angestarrt, eine rosa Zunge blitzte hervor, leckte über weiche Lippen. Stöhnend beugte er sich vor, beanspruchte gierig das glänzende Fleisch.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließen sie atemlos voneinander ab, das neugefundene Wissen in ihren Gedanken, in ihrem ganzen Sein.
‚Du bist einmalig schön‘, versicherte er seinem Gefährten und hörte ein verlegenes Lachen in seinem Kopf.
‚Du bist auch okay‘, spielte der Kater die Bewunderung herunter, die Tanner in ihm spürte.
„Erklärst du mir nun, wieso wir hier gehalten haben?“, fragte Layton dann laut.
„Weil ich dich abknutschen wollte?“
Grinsend öffnete er die Autotür. Sein Seelenpartner knuffte ihn in die Rippen. „Blödmann.“
„Dein Blödmann“, flachste er.
Sein Gefährte hielt ihn am Ellbogen fest und sah ihn eindringlich an. „Ja, meiner. Und ich gehöre dir.“
Oh je. Jetzt schwebten sie wirklich in rosafarbenen Plüschwolken. Ehe es noch kitschiger wurde, beantwortete er Laytons Frage nun ernsthaft: „Ich muss mal für kleine Jungs. Besorgst du uns was zu essen und zu trinken bei Abe?“
Seinem Kater war natürlich klar, dass er ablenkte, ließ ihn jedoch damit durchkommen, schenkte ihm ein süßes Lächeln, das tief in sein Herz eindrang. Er konnte gar nicht anders, musste ihn wieder küssen, presste seine Lippen auf die zarten Gegenstücke. Alles um sie herum versank, wurde bedeutungslos im Angesicht der Gefühle, die in ihnen beiden tobten. Ja, Luna wusste wirklich genau, was sie tat, wenn sie die Gefährten füreinander aussuchte.