Читать книгу Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (2) - Dani Merati - Страница 5
3. Hinterhalt
ОглавлениеBedauernd löste Tanner sich schließlich von seinem Gefährten, der ihn leicht verwirrt anschaute, ehe sein verhangener Blick sich klärte und er sich zu erinnern schien, worüber sie gesprochen hatten.
„Okay. Ein paar Schokoriegel und was zu trinken. Willst du was Bestimmtes?“, fragte er ihn dann. „Wasser reicht.“
Er konnte dem gesüßten Zeug wie Cola oder Eistee nichts abgewinnen. Das ungesunde Gesöff legte sich immer wie ein pelziger Film auf seine Zunge.
„Ich bin kurz laufen. Die Toiletten hier sind zwar sehr hygienisch, aber ich bevorzuge die freie Wildbahn.“
Tanner zeigte auf das Waldstück. Sein Kater warf ihm eine Kusshand zu, drehte sich um und stolzierte mit wackelndem Hinterteil auf den Shop zu, der zur Tankstelle gehörte. Er stöhnte genervt, rückte seinen Harten zurecht und hörte noch das perlende Gelächter seines Gefährten, ehe der im Gebäude verschwand.
Sein Blick schweifte über das Gelände. Leer. Er spürte außer Betty, Abes Frau, und zwei Bären - er witterte Kell dabei - im Diner sowie Abe im Laden keine anderen Wandler.
Mit einem schlechten Gewissen dachte er an den herzensguten Bärenwandler. Sie waren seit der Schule die besten Freunde, doch in den letzten Jahren hatte er sich rar gemacht, war zu sehr mit der Leitung der Bar und seiner Rolle als zukünftiger Alpha Rex beschäftigt. Wie Kell wohl auf seine Paarung mit einer Hauskatze reagierte?
Bei Luna! Musste er sich jetzt wirklich bei jedem, den er traf, Gedanken darüber machen, ob sie seine und Laytons Verbindung akzeptierten? Vermutlich.
Zornig stapfte er ins Dickicht, lief viel weiter in den Wald hinein, als geplant, streckte und reckte sich. Tief sog er die Gerüche der Umgebung ein, erleichtert, das unangenehme Brennen des Petroleums nicht mehr in der Nase zu spüren. Stattdessen füllte er seine Lungen mit dem Duft von Kiefern, nach sattem Moos. Irgendwo in der Nähe moderte nasses Holz vor sich hin.
Auf einer kleinen Lichtung angekommen zog er sein Shirt über den Kopf. Er wollte gerade die Jeans aufknöpfen, da merkte er, wie die Luft um ihn herum sich plötzlich änderte, dicker zu werden schien.
Jemand oder etwas pirschte sich an ihn heran, sein Wolf war sofort auf der Hut, spürte die Bedrohung. Tanner lauschte, synchronisierte seine Sinne mit den Geräuschen des Waldes. Doch es war nichts Ungewöhnliches zu hören oder zu riechen. Natürlich wehte der Wind aus der falschen Richtung, deshalb drehte er sich unauffällig.
Und sein Herz setzte aus, als die Duftnote von Leoparden seine Nase attackierte. Layton! Bei Luna, er war ein Narr! Bei allem Verständnis für den Fuchs, sie hätten niemals ohne Eskorte fahren dürfen.
Verzweifelt sendete er seinem Kater eine Nachricht über ihre Verbindung, in der Hoffnung, dass sie bereits bei solch einer Entfernung funktionierte. Wieso war er noch mal in den Wald gelaufen? Wegen seiner verfluchten Eigenheiten!
‚Layton! Zum Wagen. Gefahr!‘
Tanner kalkulierte die Distanz von der Lichtung zurück zum Parkplatz. Dabei stolperte er fast, da ihm bewusst wurde, dass sein Seelenpartner vielleicht schon angegriffen worden war. Erneut versuchte er, ihn zu erreichen, doch es kam keine Antwort.
Panik blubberte in ihm hoch, vermischt mit rasendem Zorn.
Fuck! Er war absolut nachlässig gewesen, hätte nicht so tief ins Dickicht laufen dürfen, in der Nähe seines Gefährten bleiben müssen. Es wäre seine Schuld ...
Nein! Sein Kater war okay, ebenso die anderen. Abe und seine Frau waren zwar Hirsche, leichte Beute für die Raubkatzen, Kell und der zweite Bär jedoch ...
Unauffällig witterte er die Umgebung, fluchte innerlich. Man sollte ihn vierteilen. Wie einen unerfahrenen Welpen hatten sie ihn eingekreist, ihm blieb nicht mal die Zeit, sich zu wandeln, sie würden ihn sofort niederreißen.
Er sprintete los, dabei brüllte er sich die Seele aus dem Leib.
„Layton!“
„Tanner!“
Sein Kater. Unendliche Erleichterung erfasste ihn, als er den lauten Ruf hörte. Der war von links gekommen und er bog scharf rechts ab, ins tiefere Dickicht hinein, lockte seine Verfolger von seinem Gefährten weg. Zweige schlugen ihm ins Gesicht und aus dem Augenwinkel sah er die schwarzen Flecken im Unterholz, die sich auf goldenem Fell bewegten.
Vier! Es waren vier verfluchte Leoparden, die sich an ihn heranpirschten. Bei Luna, er musste sich wandeln, denn es gab keine Chance für ihn zu überleben, sollte er versuchen als Mensch zu kämpfen.
Sein Alphavibe war ebenfalls nutzlos, solange sich der Wandler, den er kontrollieren wollte, in seiner Tierform befand. Im Gegenzug nützte ihm die Stärke seines Wolfs in menschlicher Form gegen die Überzahl der Raubkatzen rein gar nichts.
Verbissen versuchte er, mehr Distanz zwischen sich und die Jäger zu bringen, was ihm nicht glückte. Die Leoparden blieben ihm auf den Fersen, vermochten ihn nun jede Sekunde niederzureißen.
Sie pirschten sich jedoch nur weiter an ihn heran, um ihn herum, spielten mit ihm. Ihrer Beute. Es machte ihn fuchsteufelswild, doch es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
„Zum Wagen, Layton! Renn zum Auto und betätige die Hupe!“
Bei Luna, hoffentlich hörte sein Kater ihn. Während er sich durch das Dickicht schlug, betete er, dass sein Gefährte rechtzeitig den Jeep erreichte. Zum Glück hatte er den Schlüssel steckenlassen.
Das Gehölz lichtete sich, er sah eine der Zapfsäulen in mehreren hundert Metern Entfernung, korrigierte die Richtung und rannte wie nie zuvor in seinem Leben. Nur Sekunden später, die sich wie ein Jahrhundert anfühlten, drang durchdringendes Hupen an seine Ohren. Adrenalin peitschte durch seine Adern, trieb ihn an, während die Angst um seinen Gefährten drohte ihn zu lähmen, ihn beinahe jeglicher Kraft beraubte. Seine Lunge und Beine brannten, ebenso Arme und Hals.
Tanner wagte einen schnellen Blick über die Schulter und fluchte innerlich. Einer der Leoparden war des Spiels wohl überdrüssig, setzte zum Sprung an. Er schlug einen scharfen Haken nach rechts, hechtete unter einen der Tische aus Beton vor dem Diner.
Dabei krachte er mit dem Hinterkopf so hart an, dass er für ein paar Sekunden nur Sterne sah. Direkt hinter sich hörte er das Fauchen der Raubkatze, spürte bereits den heißen Atem im Genick. Das plötzliche Dröhnen des Truckmotors erklang unerwartet nah, ein Jaulen, das ihm eisige Schauer über den Rücken jagte, ertönte und dann Stille. Unheimliche Stille.
„Verfluchte Scheiße, Alter. Wen hast du jetzt wieder angepisst?“
Der tiefe Bass von Kell, dem Kodiakbär, hallte verzerrt zu ihm hinunter, mischte sich mit der helleren Stimme seines Gefährten.
„Tanner? Bist du okay?“
Schlagartig sackte sein Adrenalin ab. Es war vorbei. Der Arm, der automatisch hochgegangen war, um seine Kehle zu schützen, sank kraftlos herab. Er schnüffelte. Die Duftmarken der Raubkatzen verloren sich, waren vermischt mit Blut. Sie kniffen den Schwanz ein und flohen. Feige Bastarde!
Keuchend versuchte er, sich aufzusetzen, das Hämmern in seinem Schädel machte ihn etwas benommen und er stieß nun mit der Stirn gegen den Beton. Er unterdrückte ein Jaulen. Dann war sein Kater plötzlich da, reichte ihm die Hand, zog ihn unter dem Tisch hervor.
„Ich hab ihn erwischt“, drang es seltsam verzerrt an seine Ohren, in denen es ununterbrochen klingelte.
Layton war blass und zitterte unkontrolliert.
„Tanner? Bist du okay? Ich rieche dein Blut. Ich war zu spät. Ich hab ihn zwar getroffen, aber nicht hart genug. Er hat sich gewandelt und ist abgehauen.“
Eine Hand tastete nach seiner Stirn und ... „Autsch!“
Der stechende Schmerz riss ihn aus seiner Benommenheit.
„Lass das. Mir geht’s gut. Nur eine oder eher zwei Beulen. Was zum Teufel ist hier los? Was meinst du damit, du hast ihn erwischt? Mit dem Geländewagen? Bei Luna. Katerchen, komm her.“
Er zerrte seinen Gefährten in eine feste Umarmung. Erleichterung ließ ihn beinahe in die Knie sacken. Es war vorbei. Sein Kater war unverletzt. Fuck! Das war knapp gewesen. Er hätte auf eine Eskorte bestehen müssen.
„Er hat ihn nur gestreift. Das hat jedoch ausgereicht, um die feigen Bastarde zu verjagen. Abe und Jordan checken die Rückseite und Betty wartet mit der Schrotflinte im Diner. Gehen wir rein. Soll ich deinen Dad informieren? Und sag mal, du bist verbunden?“
Tanner sah auf, musterte den massigen Bärenwandler vor sich, mit dem er die Schulbank gedrückt hatte. In den letzten Jahren hatten sie nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht, da er auf seine Rolle als Alpha Rex vorbereitet worden war.
Nun suchte er in den dunkelbraunen wachen Augen des alten Freundes nach Missbilligung oder Abscheu, fand aber nur Freude und vielleicht etwas Belustigung. Erleichtert stieß er die angehaltene Luft aus.
„Ja, bin ich“, antwortete er ruhig und drehte den stocksteif erstarrten Layton vorsichtig herum, bis der mit dem Rücken an seiner Brust lehnte.
Sein Kater verströmte Angst aus jeder Pore und das roch auch Kell, der die Hände hob und zwei Schritte zurückwich, obwohl die Furcht eher dem Beinahemassaker geschuldet war, als dem Bärenwandler galt.
„Das ist Layton Kinney, mein Gefährte. Katerchen, das ist Kell Williams, der sturste Bär des ganzen Planeten.“
„Sagt der Wolf, dessen Schädel härter ist als Beton. Den Kampf mit dem Tisch hast du jedenfalls gewonnen. Hey Layton, freut mich dich kennenzulernen und Glückwunsch zu eurer Paarung.“
Der Bär zwinkerte seinem Kater zu, taxierte die Markierung an Tanners Hals und grinste breit.
„Sie sind weg. Mit einem Wagen ohne Kennzeichen abgehauen. Jordan verfolgt sie mit dem Motorrad.“
Keuchend kam Abe auf sie zugelaufen.
„Dieser verfluchte Heißsporn. Ich fahre ihm besser nach, ehe er auf die Wahnsinnsidee kommt sich mit vier Großkatzen gleichzeitig anzulegen.“
Kell schnaubte zornig und stapfte zur Tankstelle zurück, wo schräg hinter einer Zapfsäule eine zweite Maschine stand.
„Seid vorsichtig“, rief Tanner ihm hinterher und der Bär hob die Hand.
Der Hirsch hatte sie inzwischen erreicht, japste heftig und fragte: „Was zum Teufel machen nichtregistrierte Wandler in unserem Tal?“
Die Angreifer gehörten nicht zu Hewitt? Er hatte zwar die Duftmarken keinem bestimmten Leopardenwandler zuordnen können, das jedoch auf seine Aufregung und die weniger ausgeprägten menschlichen Sinne geschoben.
„Fuck! So ein gerissener Bastard. Er lässt Streuner die Drecksarbeit für ihn erledigen und wäscht seine Hände in Unschuld.“
„Wer?“
Abe schaute ihn aus aufgerissenen Augen an. Tanner wusste, dass der Mann sich nicht leicht einschüchtern ließ. Im Diner gab es oft Auseinandersetzungen, da die Hirsche jeden willkommen hießen und keine Unterschiede machten. Das hatte ihm schon oft Ärger eingebracht.
„Gordon Hewitt. Dad und ich vermuten, er plant einen Aufstand. Er will die Feliden als Herrscher des Tals - nun zumindest seine Leoparden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dion Boudreaux ihn als Alpha über seine Luchse akzeptiert“, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen.
Hilfloser Zorn wütete in ihm, am liebsten wäre er sofort losgeprescht, um dem Alphaleoparden die Kehle herauszureißen - scheiß auf die Konsequenzen! Doch so verlockend das auch klang, er unterdrückte den Wunsch. Mit dem Tod von Hewitt würde kein Einziges der momentanen Probleme gelöst werden - eher im Gegenteil.
Zudem wartete im Augenblick der beste Freund seines Gefährten auf Hilfe, die ihm Tanner weder als Laytons Seelenpartner, noch als zukünftiger Alpha Rex verweigern konnte oder wollte.
Er drückte Abes Schulter.
„Danke für eure Unterstützung. Informierst du meinen Dad? Wir müssen schnellstmöglich weiter. Ein Freund braucht uns.“
Sein Kater sah ihn dankbar an und er nahm dessen Hand, verschlang ihre Finger miteinander. Gemeinsam gingen sie zum Jeep oder besser: Layton tat das. Er schwankte dagegen gefährlich und sein Seelenpartner stützte ihn schnell, musterte ihn besorgt. Er versuchte sich an einem schiefen Grinsen, das ihm aber gründlich misslang, wie die hochgezogene Augenbraue seines Gefährten ihm verriet.
„Ich fürchte, du musst fahren, Katerchen.“
Layton umfasste sein Kinn, sah ihm aufmerksam in die Augen.
„Deine Pupillen sind extrem geweitet, sie fokussieren nicht richtig, du könntest eine Gehirnerschütterung haben.“
„Sehr wahrscheinlich.“
Er fing plötzlich an, unkontrolliert zu zittern, und seine Miezekatze packte ihn erschrocken an den Oberarmen, hielt ihn fest. Es rauschte und dröhnte in seinen Ohren, ihm schwindelte und er schwankte heftiger.
Die ganze Wucht dessen, was passiert war, brach über ihm zusammen. Erst jetzt registrierte er überdeutlich, was genau geschehen war. Er war dicht davor gewesen seinen Gefährten zu verlieren - ohne jede Chance es zu verhindern.
„I-ich hatte A-Angst um d-dich ... wenn sie d-dich verletzt oder gar getötet ...“
„Schsch“, beruhigte sein Kater ihn.
Tränenumflorte Katzenaugen schauten zu ihm auf, Hände umfassten sein Gesicht, erdeten ihn.
„Es ist vorbei. Ich bin okay, du bist es auch, sie konnten uns nichts anhaben. Sie haben es zwar versucht, aber auf ganzer Linie versagt.“
Layton sah ihn eindringlich an.
„Wir schaffen alles, was wir uns vornehmen. Zusammen. Du und ich. So, und jetzt ab in den Wagen mit dir. Ich helfe dir“, und über ihr Band fügte sein Gefährte hinzu: ‚Du verlierst mich niemals. Du bist mein Seelenpartner und ich habe dich angenommen. Also, glaub ja nicht, dass du dich da irgendwie wieder rauswinden kannst.‘
Konnte man vor Glück explodieren? Die Unterstützung wehrte er dennoch ab, dazu zwang ihn sein Stolz. Er brauchte garantiert keine Hilfe, um in ein Auto zu steigen, doch die schwarzen Flecken, die merkwürdig vor seinen Augen tanzten, belehrten ihn eines Besseren.
Grummelnd ließ er sich auf den Beifahrersitz hieven und sackte dankbar gegen die stabile Rückenlehne. Er spürte, dass Layton den Sicherheitsgurt über ihn zog und hörte ihn einrasten. Ein tröstender sachter Kuss wurde auf die Beule an seiner Stirn gedrückt, dann lief sein Gefährte um den Wagen herum.
Vom Brummen des Motors eingelullt döste er ein, träumte von einem Kampf auf Leben und Tod gegen eine Übermacht der Leoparden.