Читать книгу Macht euch die Erde untertan - Daniel Headrick - Страница 41
Nordamerika
ОглавлениеNördlich des Rio Grande verbreitete sich die Landwirtschaft nur langsam. Einige Indianer erwarben Samenkörner und Agrartechniken durch den Kontakt mit Mexiko, andere kultivierten ganz neue Pflanzen, wieder andere betrieben gar keine Landwirtschaft.
Die Menschen, die sich am stärksten auf die Landwirtschaft verlegten, lebten im Südwesten, einer schwierigen Umwelt mit seltenem und unregelmäßigem Regen, dünnem Mutterboden und empfindlicher Vegetation. Dort wurden Bergschafe, Maultierhirsche und Gabelhornantilopen gejagt und Mesquitebaum, Agave und Nusskiefer als Nahrungsquelle genutzt. Gegen Ende des 1. Jahrtausends v. Chr., als das Klima instabil war, wandten die Bewohner sich immer stärker dem Anbau von Mais, Kürbis, Sonnenblumen und Bohnen zu, um das schwankende Angebot von Wildpflanzen und -tieren zu ergänzen. Im 1. Jahrtausend n. Chr. lebten viele fast ausschließlich von der Nahrung, die sie auf dem Boden von Canyons anbauten, wo das Grundwasser nicht weit unter der Oberfläche lag oder wo sie die Pflanzen durch Quellen oder Regenwasser, das in den Canyon floss, bewässern konnten.50
Im Gegensatz zum Südwesten ist das Klima im Nordosten der USA regnerisch mit warmen Sommern und kalten Wintern. Das Land war von Eichen, Kastanien, Hickory und anderen Laubbäumen bedeckt, und die Wälder waren sehr wildreich. Trotz des reichen Nahrungsangebots der Umwelt wandten die Indianer sich der Landwirtschaft zu, um in Zeiten der Knappheit eine Ergänzung zu haben. Ihre Versuche der Kultivierung wurden aber durch den Mangel an passenden Pflanzen gebremst. Ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. kultivierten sie Melde, Sumpfkraut, Traubenkraut, Gänsefuß, Vogelknöterich, Süßgras, Sonnenblumen und Kürbis; nur die letzten beiden haben als Nutzpflanzen überlebt. Diese Form der Landwirtschaft war so unproduktiv, dass die Menschen weiterhin stark von Jagd, Fischfang und Sammeln abhängig blieben und keine dauerhaften Siedlungen errichten konnten.
Erst der Mais machte den Ackerbau im Nordosten zum Ersatz für Jagen und Sammeln. Die seit Langem in Mexiko angebaute Pflanze hatte den Südwesten um 1200 v. Chr., den Nordosten aber erst in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. erreicht. Selbst dann dauerte es noch bis zum 9. Jahrhundert, bis Maisarten entwickelt waren, die in den kurzen Sommern so weit nördlich von ihrem natürlichen Lebensraum gut wuchsen. Als im 12. Jahrhundert auch Bohnen diese Region erreichten, besaßen die Indianer des Nordostens endlich all die Nutzpflanzen, die seit Langem eine dichte Bevölkerung in Mexiko ernährten.51 Sie praktizierten Brandrodung. Es dauerte 8–10 Jahre, bevor neue Vegetation so weit war, dass sie verbrannt und neue Ackerpflanzen gesetzt werden konnten. Das Resultat war ein Flickenteppich von Weiden und offenen Feldern.52
Im südlichen Neuengland ernteten die Indianer im Herbst Mais, Bohnen, Kürbis und andere Pflanzen und lagerten einen Teil der Ernte in unterirdischen Gruben. Ihre Häuser bestanden aus Holzrahmen, die mit Baumrinde oder Gras bedeckt waren, und ließen sich binnen weniger Stunden abbauen und transportieren. Im Herbst zogen sie an verstreute Orte, wo sie Hirsche und Bären jagen konnten, um Felle und Fleisch zu bekommen. Menschen, die im Sommer und Frühherbst sesshafte Bauern waren, wurden im Spätherbst, Winter und Frühling zu nomadischen Jägern und Sammlern. Die Frauen kümmerten sich weitgehend um den Ackerbau und verarbeiteten das Fleisch und die Häute, die die Männer von der Jagd mitbrachten. So nutzten die Indianer optimal die große Vielfalt der Umwelt, in der sie lebten.53
Der Mittlere Westen war eine der letzten Regionen Nordamerikas, wo der Ackerbau begann. Dort baute ein Volk, das Hopewell-Kultur genannt wird, Vogelknöterich, Süßgras, etwas Gerste und später auch Mais auf fruchtbaren Flussgründen an. Von Wisconsin bis Texas machten die Prärieindianer Wälder durch Feuer zu offenem Grasland, auf dem sich Bisonherden ausbreiteten. Durch gezieltes Feuer jagten Indianer sie in Schluchten und über Felskanten.54 Zwischen 600 und 1400 n. Chr. war die Bevölkerung gewachsen, und die Landwirtschaft hatte sich so weit entwickelt, dass sie eine Stadt am Mississippi ernähren konnte; Cahokia, wie der Ort jetzt heißt, hatte vielleicht bis zu 40 000 Einwohner.