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Epidemien vor 540

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Nicht alle Krankheiten wurden endemisch oder zu Kinderkrankheiten. Manche wie Grippe, Pocken oder Beulenpest traten selten auf, verursachten dann aber auch in großen Bevölkerungen Epidemien. Sie hinterließen die stärkste Wirkung auf die Zivilisationen, die sie befielen.

In den Geschichten der Israeliten und ihrer Nachbarn im Alten Testament ist viel von Blattern und Pestilenz, von Beulen und Tumoren und eiternden Schwären die Rede.68 Gelehrte haben jahrhundertelang über diese seltsamen Symptome gestritten. Leider sind biblische Beschreibungen zu knapp, um eine vernünftige Diagnose zu erlauben, denn die Autoren der Bibel sahen darin nur die Hand eines zornigen Gottes, der von Zeit zu Zeit die Israeliten oder ihre Feinde für eine Übertretung strafte.

Erst für die Epidemie von 430 bis 429 v. Chr., die Athen mitten im Peloponnesischen Krieg erfasste, gibt es eine plausible Beschreibung. Thukydides, der erste Historiker, listete die Symptome auf: Kopfschmerzen, entzündete Augen, Bluten aus dem Mund, brennende Kehle, Erbrechen, unstillbarer Durst, rote Flecken auf der Haut und Dysenterie, worauf am 7. oder 8. Tag der Tod eintrat. Die Krankheit befiel die Athener zu einer Zeit, als die Stadt voller Kriegsflüchtlinge war, es war also eine Zivilisationsseuche. Außer Perikles, dem Staatsführer, tötete sie 45 000 Bürger und 10 000 Freigelassene und Sklaven; sie demoralisierte die Athener und bewirkte ihre Niederlage.69 Verschiedene Forscher haben die Seuche als Typhus, Scharlach, Beulenpest, Pocken, Masern oder Milzbrand identifiziert, doch ein eindeutiger Befund steht noch aus.70

Wenn Städte ein Merkmal der Zivilisation sind, so war Rom mit bis zu einer Million Einwohnern im Zentrum eines gewaltigen Imperiums, das mit fernen Ländern Handel trieb, besonders anfällig. Im Lauf ihrer Geschichte wurde die Stadt immer stärker von schweren Epidemien getroffen. Eine nicht näher identifizierte Seuche unter Kaiser Nero (reg. 54–68 n. Chr.) soll 30 000 Opfer gefordert haben. Im Jahr 79 dezimierte eine Epidemie, möglicherweise Malaria, die Bevölkerung Kampaniens, einer reichen Agrarprovinz, die als Gemüsegarten Roms diente. Dann kam die erste der großen Pandemien, die Antoninische Pest oder Pest des Galen (nach dem Arzt, der sie beschrieb). Laut römischen Quellen begann sie, sich 164–165 unter Soldaten auf einem Kriegszug in Mesopotamien auszubreiten. 166 erreichte sie Rom und verbreitete sich von dort nach Gallien und zu den germanischen Stämmen jenseits des Rheins. Sie dauerte mit Unterbrechungen 40 Jahre lang und soll 3000 Menschen am Tag getötet haben, wodurch die betroffene Bevölkerung um ein Viertel bis ein Drittel zurückging. Die Seuche traf die römische Armee so hart, dass Kaiser Marc Aurel den Germanen Land im Austausch gegen Militärdienst anbot. Auch der Kaiser starb an der Krankheit. Wie bei früheren Seuchen kann man sie nicht genau bestimmen, hat aber Pocken, Milzbrand oder Typhus genannt.71

Danach war die römische Welt bis 250 von Epidemien relativ frei, dann brach in Ägypten eine mysteriöse Krankheit namens Cyprianische Pest aus, die sich über das Imperium bis nach Schottland verbreitete. Ihre Symptome – Durchfall und Erbrechen, brennende Kehle und Gangräne der Hände und Füße – plagten die Bevölkerung 16 Jahre lang. Auf ihrem Höhepunkt starben allein in der Stadt Rom 5000 Menschen täglich.72

Neben diesen Pandemien verwüsteten Krankheiten auch das römische Britannien und Nordafrika. Es gibt Hinweise, dass die Bevölkerung des Römischen Reichs ab dem 3. Jahrhundert zurückging und mit ihr die römische Wirtschaft, besonders im Westen. Eine angeschlagene Ökonomie und eine schrumpfende Bevölkerung schwächten die Armeen, die die Nordgrenzen gegen den wachsenden Druck germanischer Stämme verteidigten. Tatsächlich haben viele Historiker den Niedergang und Fall des Weströmischen Reichs ebenso sehr den Krankheiten und dem Bevölkerungsrückgang zugeschrieben wie den Invasionen der Barbaren. Krankheiten unterscheiden natürlich nicht zwischen Römern und Einwanderern, und sie trafen 383 die Westgoten ebenso und zwangen vielleicht die Hunnen 447 vor Konstantinopel und 451 aus Westeuropa zum Rückzug.73

Auch China erlebte Epidemien. William McNeill führt eine Liste aller bekannten lokalen und regionalen Seuchen in China von 243 v. Chr. Bis 1911 auf, ohne aber die jeweiligen Krankheiten zu identifizieren. Trotz des Mangels an Dokumenten scheint es zwei Seuchencluster gegeben zu haben, 161–162 und 310–312, Letzteres vielleicht die Pocken, denn die Chinesen kannten die Pocken und schrieben sie den Steppenbarbaren zu, die immer wieder in Nordchina einfielen.74

Macht euch die Erde untertan

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