Читать книгу Die achtsame Schule - Daniel Rechtschaffen - Страница 13
ОглавлениеDie verschiedenen Ansätze
Viele Jahre lang fragten wir uns als aktive Befürworter von Achtsamkeit in der Schule, wie ein auf Achtsamkeit basierendes Curriculum eigentlich aussehen sollte. Dabei haben sich drei wichtige Herangehensweisen herauskristallisiert, um Kinder und Jugendliche an Achtsamkeit heranzuführen. Viele Schulen, Organisationen, Horte, Jugendstrafanstalten, therapeutische Einrichtungen und andere Institutionen sind dabei, sich diese überaus wertvollen Praktiken zunutze zu machen. Wenn wir uns damit beschäftigen, wie wir ein achtsames Klassenzimmer schaffen können, ist es hilfreich, zu schauen, wie andere an diese Aufgabe herangegangen sind. Die drei wichtigsten Faktoren sind:
• Training und Selbstfürsorge für Lehrer
• direkte Anleitung der Schüler
• Integration in den Lehrplan
Training und Selbstfürsorge für Lehrer
Viele Organisationen konzentrieren sich ausschließlich auf die Entwicklung von Achtsamkeit bei den Lehrern selbst. Diese Ausbildungen unterstützen Lehrer dabei, für sich selbst zu sorgen. Die Idee dahinter ist, dass das Wohlbefinden des Lehrers unmittelbare Auswirkungen auf das Klassenklima und die Schüler hat. Die Programme, die in erster Linie mit den Lehrern arbeiten, gehen davon aus, dass Achtsamkeit eigentlich nur von einem erfahrenen Praktizierenden gelehrt werden kann. Lehrer in diesen Ausbildungen blicken oft frustriert auf andere Achtsamkeitsanbieter, deren Absolventen die Übungen, die sie unterrichten, womöglich nie selbst praktiziert haben. Stellen Sie sich einen Lehrer vor, der auf einen Gong einschlägt und die Kinder anschnauzt, endlich still zu sein und sich zu entspannen. Statt den Kindern ein Weg zu innerer Freiheit zu zeigen, wäre das Gehorsam und Kontrolle unter dem Deckmantel der Achtsamkeit.
Ein solches Training kann ganz einfach in Form einer berufliche Weiterbildung stattfinden, bei der die Lehrer Massagen bekommen und Entspannungstechniken erlernen. Andere Ausbildungen dauern ein ganzes Jahr und beinhalten ein fünftägiges Achtsamkeits-Retreat und ausführliche Unterweisung zu den Themen Körpergewahrsein, emotionale Intelligenz und Schulung des Geistes.
Für sich selbst zu sorgen, ist immer eine gute Idee. Zeit und finanzielle Mittel sind für Schulen immer begrenzt und längere Ausbildungen können teuer und für Lehrer schwer leistbar sein. Deswegen ist es ein wichtiges Anliegen, solche Ausbildungen für alle in der Kinderbetreuung tätigen Menschen so kostengünstig wie möglich anbieten zu können.
Einige Organisationen, die diesem Ansatz folgen: Inner Resilience Programm, CARE for Teachers, SMART in Education und Parler Palmer’s Courage and Renewal Programs.
Direkte Unterweisung der Schüler
Viele Organisationen bieten eine direkte Anweisung der Schüler durch erfahrende Praktizierende an. Diese externen Trainer arbeiten in Einrichtungen für jugendliche Straftäter, an Schulen oder in der Nachmittagsbetreuung und unterweisen die Kinder und Jugendlichen dort direkt in Achtsamkeitspraktiken. Wir stellen auch fest, dass immer mehr Schulen eine eigene Stelle für soziales emotionales Lernen und Achtsamkeit schaffen. Dieser Lehrer geht in die verschiedenen Klassen, um die Schüler in Achtsamkeit zu unterrichten, oft gibt es auch einen eigenen Raum, den Gruppen und Einzelne für ein wenig extra Achtsamkeitszeit aufsuchen können.
Organisationen, die direkte Unterweisung anbieten, beschäftigen meist Lehrer mit langjähriger Erfahrung und Lehrkompetenz, die in der Lage sind, die Praxis auf sehr inspirierende Weise weiterzugeben. Eine tiefgehende Achtsamkeitspraxis zu entwickeln, verlangt große Sorgfalt und diese Praktiken gekonnt zu kommunizieren, ist eine echte Kunst, deswegen ist es wirklich vorteilhaft einen Achtsamkeitslehrer mit viel Erfahrung einzusetzen.
Das Problem mit der direkten Unterweisung ist, dass es diesen großartigen Lehrern zwar oft gelingt, den Schülern völlig neue Sichtweisen zu eröffnen, sie aber die Schule irgendwann wieder verlassen müssen. So bleiben die systemischen Veränderungen oft aus. Aus dem Grund birgt die direkte Unterweisung sogar die Gefahr, dass die Schüler in ihrer gerade entwickelten Authentizität durch ein Umfeld, dem die nötige Bewusstheit fehlt, nicht bestärkt, sondern verurteilt oder unterdrückt werden. Wenn der Klassenlehrer das Konzept der Achtsamkeit nicht mitträgt, dann mag das, was ein Außenstehender vermittelt, in direktem Widerspruch zu dem stehen, wie der Lehrer die Klasse unterrichtet.
Einige Beispiele für Einrichtungen, die diesem Ansatz folgen: Mind Body Awareness Project, Holistic Life Foundation, Mindful Schools, the Lineage Project.
Integration in den bestehenden Lehrplan
Der dritte Ansatz geht davon aus, dass Achtsamkeitsunterricht per se förderlich für die mentale, emotionale und körperliche Entwicklung aller Kinder ist. Das heißt, dass jede Form der Anleitung, die die Kinder lehrt zu atmen, sich ihrer Denkmuster bewusst zu sein und sich in den Körper hinein zu entspannen, unglaublich hilfreich ist, selbst wenn sie von einem Lehrer kommt, der selber keine gründliche Ausbildung durchlaufen hat. Der gesamte Unterricht sollte so bewusst wie möglich gestaltet werden. Diese Ansicht führte zu einer starken Ausbreitung achtsamkeitsbasierter Lernprogramme für Schüler und Studenten jeden Alters und jeglicher demographischer Zugehörigkeit, von denen einige auch online erworben und ohne jegliche Vorbildung angewandt werden können.
Achtsamkeitsübungen werden zunehmend auch international in SEL-Programme und Schulsysteme integriert. Es gibt viele grundlegende Achtsamkeitskonzepte und -praktiken, die in Anti-Mobbing-Kampagnen, Prüfungsvorbereitungen und anderen Lernprojekten eingesetzt werden.
Einige Beispiele von Organisationen, die diesem Ansatz folgen: Mind Up Curriculum, .b-Curriculum, Learning to BREATHE Curriculum, Stress Reduction Workbook for Teens.
All das oben Genannte
Wie immer hat auch hier nicht die eine Seite recht und die andere unrecht. Wir brauchen einen mehrdimensionalen Ansatz, um diese Praktiken in die Arbeit mit jungen Menschen zu integrieren. Natürlich müssen wir bei der Ausbildung und Anleitung der Lehrer ansetzen. Natürlich ist es hilfreich, erfahrene Lehrer einzusetzen, die uns den Weg weisen und die Achtsamkeits-Bewegung unterstützen können. Natürlich ist die Integration in den alltäglichen Lehrplan unerlässlich, um die Lehrer dabei zu unterstützen, die Praktiken in ihrem unmittelbaren Umfeld umzusetzen. So bekommen selbst Menschen, die sonst nie auf den Gedanken kämen, Achtsamkeit zu praktizieren, einen kleinen Vorgeschmack darauf. Deswegen sollten wir sicherstellen, dass wir Achtsamkeit in bekömmlichen Portionen servieren und sie nicht mit zu schwer verdaulicher Kost überfordern.
Der South Burlington School District in Vermont ist ein gutes Beispiel für ein ganzheitliches Konzept für Achtsamkeit in der Schule. Ich habe etliche mehrtägige Achtsamkeits-Retreats für Lehrer und Administratoren dieses Distrikts geleitet. Sie selbst haben Linda Lantieri und verschiedene andere Experten für die Weiterbildung der Lehrer an die Schulen geholt. Die Lehrer und Schultherapeuten haben Achtsamkeitspraktiken in den Lehrplan ihrer K-12 Schulen integriert, so dass die Kinder jeder Altersstufe von der Volksschule bis zum Schulabschluss davon profitieren können. Ich habe auch direkt in den Klassen ihrer Grundschule, Mittel- und Oberstufe unterrichtet, mit Lehrern, die mir wie ein Schatten folgten, um soviel wie möglich profitieren zu können. Dieser Schulbezirk hat sich dem Wohlergehen seiner Lehrer verschrieben und ihnen die Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit die Lehrer das Gelernte auch weitergeben können. Das ist Integration in Aktion.