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Vorwort

von Jon Kabat-Zinn

Meine erste Erfahrung mit der Arbeit Daniel Rechtschaffens hatte ich, als ich einer Stunde beiwohnte, die er in einer Mittelschule im Oakland Unified School District hielt. Er arbeite damals für eine Initiative mit Namen Mindful Schools. Diese Schule galt als eine der schwierigeren in der Gegend. Als ich hereinkam, ein wenig zu spät, herrschte in der Klasse mit fünfundzwanzig Schülern bereits vollkommene Ruhe. Die Atmosphäre war gelassen und aufmerksam. Fast alle Schüler saßen aufrecht auf ihren Stühlen, ohne steif oder starr zu wirken. Die Schüler schienen sich wohl zu fühlen und auch ich fühlte mich in dieser Ruhe und Stille sofort zu Hause. Ich konnte kaum glauben, dass Mittelschüler dazu in der Lage waren. Der Klassenlehrer saß hinten und Daniel saß auf einem Stuhl vor der Klasse. Er hielt eine Messingschale in der Hand. Während ich mich hinten im Raum setzte, sah ich, wie langsam Hände nach oben gingen, zuerst nur einige wenige, dann immer mehr, alles in Stille. Was war das? Was geschah hier? Was konnte ich hier beobachten? Ich hatte so etwas nie zuvor gesehen.

Nun, es stellte sich heraus, dass die Anweisung zu dieser Übung lautete, dass die Schüler die Hand heben sollten, wenn sie den Klang der Glocke nicht mehr wahrnehmen konnten. Daniel hatte die Schale mit einem Schlegel angeschlagen, kurz bevor ich in die Klasse gekommen war. Offenbar schien es selbst Mittelschüler unglaublich aufmerksam zu machen, auf die Abwesenheit von etwas zu achten.

Am selben Tag besuchte ich eine Grundschule im selben Bezirk und sah eine andere Lehrerin von Mindful Schools, die dieselbe Übung mit einer ersten Klasse machte, wieder stand sie vorne und der Klassenlehrer saß hinten in der Klasse. Nachdem sie die Kinder aufgefordert hatte „ihren achtsamen Körper aufzuwecken“ – woraufhin alle Kinder sich aufrecht hinsetzten und sehr ruhig wurden – und ohne irgend etwas anderes zu sagen, schlug sie die Messingschale an, genau wie Daniel es getan hatte. Wieder hallte der Klang durch den Raum und während er langsam verschwand, sah ich, wie kleine Hände in die Luft gestreckt wurden, eine nach der anderen, alles in vollkommener Stille. Je länger es dauerte, desto mehr Hände gingen nach oben.

Die Klassenlehrerin erzählte mir später, dass viele der Kinder in dieser Klasse ernste Aufmerksamkeitsprobleme hatten. Sie staunte, wie still es oft während der Achtsamkeitsübungen im Raum wurde. Diese Fähigkeit, so stellte sie fest, übertrug sich mit der Zeit auf andere Momente des Tages, die Klasse kam leichter zur Ruhe, da sie schon wussten, wie sich das anfühlte, und das machte es ihr einfacher, den geplanten Lernstoff zu unterrichten.1

Lehrer stehen heute unter starkem Druck, sich immer mehr nach außen zu orientieren und die Erfüllung von Bildungsstandards und die Vorbereitung auf standardisierte Tests in den Vordergrund zu stellen. Das Schwergewicht unseres Bildungssystems liegt in fast erdrückendem Maße auf der Vermittlung von Informationen, natürlich mit dem lobenswerten Ziel, der nächsten Generation ein größeres Wissen und mehr Verständnis mitzugeben und somit gebildete und maximal kreative Arbeitskräfte für unsere zukünftige Welt hervorzubringen. Nur dass dieser Ansatz an sich leider mit starken Mängeln behaftet ist und falschen Voraussetzungen folgt, denn mit Ausnahme einer Minderheit von Schülern, für die er durchaus passend sein mag, lässt er die Mehrzahl der Kinder gestresst, befremdet und unendlich gelangweilt zurück – und sogar dem Lernen immer ablehnender gegenüberstehend. Man könnte sagen, dass die vorherrschende Tendenz in unserem Bildungssystem zu einer Krise der öffentlichen Gesundheit beiträgt, denn die Gesundheit der nächsten Generation hängt maßgeblich von Fähigkeiten und Kompetenzen ab, für die sich die Schule bis vor kurzem überhaupt nicht zuständig fühlte.

Völlig übersehen oder ignoriert wird in dieser Atmosphäre der Bereich der Innerlichkeit – das Innenleben des heranwachsenden Lernenden – und wie es gemeinsam mit dem äußeren Wissen und den Kompetenzen berücksichtigt, genährt und weiterentwickelt werden kann und muss. Das ist unumgänglich notwendig, damit jedes Kind lernt, sich in seiner Haut wohl zu fühlen, seinen eigenen Geist und Körper zu beruhigen, Selbst-Gewahrsein, emotionale Intelligenz, Selbstvertrauen und Resilienz zu entwickeln, um angesichts der unterschiedlichsten Stressfaktoren, des Leistungsdruckes und der Vorstellung, so oder so sein zu sollen, um dazuzugehören, bestehen zu können. Meiner Erfahrung nach fördert die Wertschätzung und Pflege des Innenlebens auch die Kreativität und Vorstellungskraft.

Angesichts dieser ständigen Vernachlässigung des Innenlebens ihrer Schüler wenden sich immer mehr Lehrer der Achtsamkeit zu. Achtsamkeit fördert Qualitäten wie Handlungsbewusstsein, das Gefühl wirklich man selbst und grundsätzlich in Ordnung zu sein, so wie man ist, das Gefühl ganz zu sein und dazuzugehören, sowie bestimmte Kompetenzen, die wichtig sind, um diese „Ganzheit“ über Jahre hinweg beizubehalten und das Lernen zu verbessern. Diese Kompetenzen beinhalten die Fähigkeit, unsere eigenen Gedanken und Emotionen als „Ereignisse“ im Feld des Bewusstseins zu erkennen und das Wissen, wie wir uns von ihnen befreien können, wenn wir uns in ihrem Inhalt und den dazugehörenden Emotionen verstrickt haben. Einfache Achtsamkeitspraktiken bieten uns verlässliche Strategien, um mit den Stürmen und Turbulenzen umzugehen, die unseren Geist bisweilen heimsuchen und mit Trauer, Wut, dem Gefühl nicht dazuzugehören, nicht gut genug zu sein und nicht lernen zu wollen, einhergehen. Unter anderem fördern sie Gelassenheit, Konzentration und Fokus, Impulskontrolle, Empathie und Verständnis anderen gegenüber und verringern Aggressionen.2

Um diese Praktiken zu einem vertrauten und unverzichtbaren Teil des Unterrichts zu machen – wie es so wirkungsvoll in diesem Buch beschrieben wird – gibt man den Kindern praktische Möglichkeiten, sich selbst kennenzulernen und zu erkunden. Dazu gehören nicht nur Gedanken und Emotionen, sondern auch das Bewusstsein für das Universum unserer Körperempfindungen, unter anderem auch unser Atem, und wie diese, meist in Übereinstimmung mit unseren Gedanken und Emotionen, kontinuierlicher Veränderung unterliegen. Im weiteren beeinflussen sie auch das soziale Bewusstsein, die Landschaft unserer Beziehungen und die Fähigkeit, uns darin so zu bewegen, dass anstelle von Trennung, Missachtung und Feindseligkeit, Verbundenheit, Güte und eine Reihe von prosozialen Verhaltensweisen gefördert werden.

Parallel zu dem akademischen Lehrplan brauchen auch unser Innenleben und unser Selbstgewahrsein Schulung und Zuwendung, damit diese Qualitäten verankert und im Laufe unseres Lebens weiterentwickelt und vertieft werden können. Diese Zuwendung beginnt damit, zu erforschen, wie man zur Stille finden kann, wie es sich anfühlt, sich ganz bewusst zu bewegen und wie man maximale Präsenz entwickeln kann, wenn man es möchte oder die Situation es erfordert. Achtsamkeit liegt dem sozial-emotionalen Lernen zugrunde. Es geht darum, weisere Entscheidungen zu treffen und verschiedene Wege zu finden, um mit seinen inneren und äußeren Erfahrungen, die sich von einem Moment zum nächsten entfalten, in Beziehung zu treten. Wie wir sehen werden, ergänzt Achtsamkeit Sozial Emotionales Lernen (SEL) um das Element der Körpergewahrseinsübungen, die den Kindern dabei helfen, ausgeglichener, angemessener und effektiver auf Krisenmomente zu reagieren.

Die Grundlage der Achtsamkeit liegt in unserem Bewusstsein selbst. Achtsamkeit ist nicht etwas, das wir erlangen oder uns aneignen müssen, sondern eher etwas, das wir bereits haben und bloß entdecken müssen, eine Fähigkeit, die angeboren ist, aber zugunsten einer weiteren wunderbaren, menschlichen Fähigkeit, dem Denken, oft vernachlässigt wird. Doch während dem Denken in der Schule reichlich Zeit gewidmet wird, in der Hoffnung, die Schüler zu besseren und kritischeren Denkern zu erziehen, bleiben die anderen, genauso essentiellen Fähigkeiten, die unsere Gedanken und Emotionen regulieren können, überwiegend unbeachtet. Es ist das Gebot unserer Zeit, uns mit diesen inneren Fähigkeiten zu beschäftigen, vertraut zu machen und sie in unseren Alltag zu integrieren, um in unserem Leben mit all seinen Aufs und Abs, allen Drehungen und Wendungen, besser navigieren zu können. Welcher Ort könnte besser dafür geeignet sein, um diese Dimension zu erschließen und zu entwickeln, als die Schule?

Die grundsätzliche Qualität des Gewahrseins besteht darin, dass es alles und jedes fassen kann, das in unserer Erfahrung auftaucht. Es kann die Dinge mit Klarheit und Einsicht wahrnehmen, ohne sie unmittelbar zu werten – und somit den üblichen Impuls aufheben, jeden Aspekt unserer Erfahrung sofort in die Kategorien Mögen oder Nicht-Mögen, Mehr-davon-haben-Wollen oder Weniger-davon-haben-wollen einzuteilen. Unser Bewusstsein verstärkt das Menschliche in uns und unsere Beziehung zum Leben selbst. Für mich ist es das Merkmal, das uns voll und ganz menschlich macht.

Der direkte Weg zum Gewahrsein und seiner Klarheit führt über die systematische Schulung der Aufmerksamkeit. Die Vorteile, diese Schulung und Praxis schon Schulkindern anzubieten, liegen auf der Hand. Solche Fähigkeiten und Praktiken und die potentiellen Einsichten, die daraus erwachsen können, sind, meiner Meinung nach, nicht mehr als Option im menschlichen Repertoire zu sehen. Sie sind, in unserer sich rasant verändernden, immer komplexer werdenden, oft verwirrenden Welt, in der, wie Linda Stone es ausdrückt, die „kontinuierliche, partielle Aufmerksamkeit“ in zunehmendem Maße zum Standard-Modus geworden ist, für Erwachsene wie auch für Kinder unverzichtbar geworden.3 Sie ergänzen den normalen Lehrplan und erleichtern das Unterrichten, wie die Lehrerin dieser ersten Klasse in Oakland bemerkt hat. Man braucht dafür auch nicht viel Zeit, besonders wenn sie in der Hand von erfahrenen und in Achtsamkeit gut geschulten Lehrerinnen und Lehrern liegen.

Wie dieses Buch gekonnt dokumentiert, weiß man mittlerweile, dass Stress sich schädlich auf das in Entwicklung befindliche Gehirn auswirkt.4 Insbesondere nachgewiesen wurde eine nachteilige Wirkung von Stress auf die exekutiven Funktionen des präfrontalen Cortex, die für die Problemlösung, Kreativität und das logische Denken maßgeblich sind – sowie auf den Hippocampus, der eine aktive und wichtige Rolle beim Lernen, dem Gedächtnis und der Emotionsregulation spielt. Stress beeinflusst auch die Amygdala, das Stressreaktionszentrum im Limbischen System, das sich bei dauernder Stressbelastung vergrößert und durch Achtsamkeitstraining kleiner wird. Schon deswegen ist es sinnvoll, sich einfache Achtsamkeitspraktiken anzueignen, von denen wir aus wissenschaftlichen Studien wissen, dass sie ein Gegenmittel zu toxischem Stress darstellen. Viele Kinder kommen nicht einmal in einem Zustand in die Schule, der Lernen möglich macht. Sie haben möglicherweise nicht gefrühstückt oder waren bereits am frühen Morgen Stress oder Gewalt ausgesetzt. Bevor die Lehrer nach dem geforderten Lehrplan vorgehen können, müssen sie den Kindern erst einmal das Werkzeug vermitteln, damit diese überhaupt aufmerksam sein, ihre Emotionen regulieren, Lernen lernen und ihr Lerninstrument einstimmen können, bevor es gespielt werden kann, wie ein Musiker sein Instrument stimmt, bevor er es spielt. Wenn die Praktiken, die in diesem Buch vorgestellt werden, in den Unterricht integriert werden, dann sind sie in der Lage, die Auswirkungen von schädlichem Stress auf das kindliche Gehirn zu mindern. Das ist besonders wichtig für gefährdete Jugendliche und dort, wo die Kosten eines Lernversagens besonders hoch sind.

Im Laufe der letzten zwanzig Jahre konnten andere Studien bei Kindern einen dramatischen Rückgang der kognitiven und emotionalen Kompetenzen feststellen, die wir für selbstverständlich halten, um später als Erwachsene einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten zu können.5 Neuere Studien betonen die Bedeutung der Fähigkeit, wirklich zuhören, effektiv kommunizieren, Konflikte lösen, kritisch denken, sich Ziele setzen und im Team arbeiten zu können, und die Rolle, die dem öffentlichen Schulsystem bei der Entwicklung dieser Eigenschaften zukommt.6 All das kann durch eine Achtsamkeitspraxis verbessert werden.

Laut Linda Lantieri,7 einer wegweisenden Pädagogin für Sozial Emotionales Lernen (SEL) und Achtsamkeit, besteht der Mehrwert von Achtsamkeit für das konventionelle SEL vorrangig in den Körpergewahrseinspraktiken, die bekanntlich die Neuroplastizität fördern; das heißt, strukturelle Veränderungen in den eben erwähnten und anderen Gehirnregionen, die in der Lage sind, Lernfähigkeit, Gedächtnis, emotionale Balance und kognitive Aspekte zu verbessern. Achtsamkeitspraktiken bilden eine solide Grundlage für das mehr konzeptuell und kognitiv basierte SEL-Curriculum. Sie erlauben jedem Kind, seinen Muskel der emotionalen Balance regelmäßig zu trainieren, indem sie üben, präsent zu sein und ein nicht wertendes Gewahrsein in relativ ruhigen Momenten zu entwickeln, und dann mit der Zeit zu lernen ein gewisses Maß an Gelassenheit selbst angesichts stressauslösender und bedrohlicher Situationen beizubehalten. Ein regelmäßig trainierter Achtsamkeitsmuskel, besonders wenn dieses Training spielerisch und mit Leichtigkeit ausgeführt wird, macht es wahrscheinlicher, dass die Kinder unter bedrohlichen und sehr emotionalen Umständen ihre SEL-Strategien abrufen und anwenden können.

Meine erste Begegnung mit Achtsamkeit im Klassenzimmer hatte ich in den frühen 90-er Jahren durch Cherry Hamrick, der Lehrerin einer fünften Klasse, an der Welby Elementary School in South Jordan, Utah. Cherry war eine unerschrockene, höchst kreative, frühe Pionierin dieser Bewegung.8 Nachdem sie an einem achtsamkeitsbasierten Stressbewältigungsprogramm (MBSR) am LDS Hospital in Salt Lake City teilgenommen hatte, beschloss sie, Achtsamkeit mit ihrer Klasse zu versuchen. Trotz meiner anfänglichen Skepsis entwickelte sich Cherrys teilweise sehr kreative Einführung von Achtsamkeit in ihrer fünften Klasse zu einem sehr erfolgreichen Experiment, das sich über einige Jahre erstreckte. Ich hatte das Privileg, die Schule zu besuchen und ihre Schüler und einige der Eltern kennenzulernen. Offensichtlich war Achtsamkeit dort sehr willkommen und hatte in diesen Jahren einen positiven Einfluss, nicht nur auf diese Klasse, sondern auf die ganze Schule. Eine Anekdote ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben: ein Elternteil beobachtete, wie ein Schüler aus Cherrys fünfter Klasse zu einem seiner Geschwister, das sich darüber beschwerte, dass seine Klassenkameraden es ärgerten, sagte: „Nur weil sein Geist flattert, heißt das nicht, dass Deiner auch flattern muss.“

Nachdem die Wirksamkeit von Achtsamkeit im Leben und der Gesundheit von Patienten mit einer Reihe von chronischen stressbedingten Krankheiten, sowie Depressionen und Ängsten wissenschaftlich mehrfach belegt werden konnte, finden achtsamkeitsbasierte Programme wie MBSR und MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy) in zunehmendem Maße auch in der Medizin, dem Gesundheitssystem und bei Psychologen ihre Anwendung. Gleichzeitig halten Achtsamkeit und andere kontemplative Praktiken ihren Einzug bei normalen Studienplänen an Hochschulen und Universitäten.9 Wie wir bereits gesehen haben, bietet Achtsamkeit Schülern und Lehrern von Grund- und weiterführenden Schulen eine wirkungsvolle Antwort auf den wachsenden Stress und die vermehrten Herausforderungen, denen Kinder, Lehrer und Schulen ausgesetzt sind, und die insgesamt dem Lernen eher abträglich sind.10

Achtsamkeit ins Klassenzimmer zu bringen setzt ganz generell ein beträchtliches Maß an Kreativität und Innovation von Seiten des Klassenlehrers voraus.

Es ist nicht im geringsten ein 08/15-Universalkonzept. Noch ist es eine verdeckte Strategie zur Verhaltensmodifikation, obwohl ein Nebeneffekt durchaus eine wesentlich effizientere Lernatmosphäre sein kann. Was Daniel Rechtschaffen hier anbietet, ist ein effektiver, benutzerfreundlicher Zugang für Klassenlehrer, der betont, dass es den einen, richtigen Weg, Achtsamkeit zu unterrichten, nicht gibt und dass es am besten funktioniert, wenn der Lehrer experimentiert und sein eigenes Leben als Versuchslabor heranzieht, um seine Achtsamkeitspraxis zu erkunden und zu vertiefen. Das Buch bietet eine Reihe von kreativen Optionen und Zugangsweisen für Lehrer jeder Klassenstufe, die den Wunsch haben, diesen Ansatz mit Sorgfalt und Spielfreude in ihr Klassenzimmer zu bringen. Es ist eine Fundgrube der Perspektiven und Übungen, die Lehrer und Administratoren über Jahre hinweg bei ihren Versuchen, Achtsamkeit in die verschiedenen Aspekte des Lehrplans – vom Kindergarten bis zur Oberstufe – zu integrieren, Inspiration und Unterstützung bietet.

Im November 2012 ging ich über einen Fußballplatz, den die Mittelschule und die High School in Camp Zama, dem ausgedehnten Hauptsitz der US-Army in Japan, gemeinsam nützen. Aus dem Nichts hörte ich eine Stimme aus dem Lautsprecher, die vollkommen selbstverständlich verkündete: „Die Glocke läutet nun den Beginn einer achtsamen Minute ein.“ Ich traute meinen Ohren nicht. Scheinbar wussten alle Schüler, was das bedeutete – sie erhielten bereits Achtsamkeitsunterricht – und fielen eine Minute lang in ein stilles Gewahrsein. Später erfuhr ich, dass der Direktor der Mittelschule selbst diese Ansage gemacht hatte. All dies geschah, weil ein Schulbeirat, Jason Kuttner, der Meinung war, dass es hilfreich sein könnte, Achtsamkeit in den Unterricht einzubauen. Nun wird es in der gesamten Mittelschule eingesetzt und wurde in Teilen der High School ebenfalls vorgestellt. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Intention einer einzigen Person Veränderungen in einer ganzen Schule bewirken kann, genau wie Cherry Hamrick es in ihrer Schule tat und so viele andere Lehrer, deren Geschichten in diesem Buch zu finden sind.

Im Dezember 2013 hielt Chris Ruane, ein Parlamentsmitglied Großbritanniens und langjähriger Lehrer in Wales, eine mitreißende Rede im Parlament, die an den Bildungsminister gerichtet war, der direkt vor ihm saß. In seiner Rede, deren Titel „Achtsamkeit in der Schule“ war, betonte er die Notwendigkeit, Achtsamkeit in Grund- und weiterführende Schulen in England einzuführen und erklärte, warum alle Klassenlehrer die Möglichkeit haben sollten, eine qualifizierte Schulung in Achtsamkeit zu erhalten.11 Er nannte einige Programme als Beispiele, darunter auch das „.b“ Programm von Mindfulness in Schools, einem Projekt der Lehrer Chris Cullen und Richard Burnett. Sie haben einen sehr fantasievollen und äußerst beliebten Zugang entwickelt, um Achtsamkeit in Grundschulen und weiterführenden Schulen in Großbritannien zu unterrichten. Zu ihrer Gruppe gehört auch ein Forschungsprogramm, das mit dem Oxford University Centre for Mindfulness zusammenarbeitet. Es ist nur eines von vielen inspirierenden Achtsamkeitsprogrammen, die Daniel Rechtschaffen vorstellt.

Ob Sie Lehrerin sind oder Erzieher, in der Schuladministration oder der Lehrplanentwicklung arbeiten, das Buch, das Sie in Händen halten, hat das Potential, Ihr Leben, das Leben Ihrer Schüler, das Leben der ganzen Schule sowie das gesamte Bildungssystem nicht nur in Amerika zu verändern. Ich begrüße diese zeitgerechte Veröffentlichung. Möge es eine nützliche und wertvolle Ressource für alle Lehrerinnen und Lehrer sein, denen es ein Anliegen ist, sowohl das innere wie das äußere Lernen zu optimieren und das einzigartige Potential und die Schönheit jedes einzelnen ihrer Schüler zu fördern.

JON KABAT-ZINN

BERKELEY, KALIFORNIEN

31. JANUAR 2014

Belege

1 Mindful Schools hat seine Arbeitsweise mittlerweile verändert und bietet nun Trainingsprogramme für Achtsamkeit für Lehrer von Grund- und weiterführenden Schulen an, statt Spezialisten in die Klassen zu schicken.

2 Siehe zum Beispiel: http://www.mindfulschools.org/about-mindfulness/stories/-students

3 Siehe: http://lindastone.net/

4 Sonja J. Lupien, Bruce S. McEwen, Megan R. Gunnar und Christine Heim, Effects of stress throughout the lifespan on the brain, behavior and cognition. In: Nature Reviews Neuroscience, 2009: 10, 434–445.

5 Goleman, D., Emotional Intelligence. New York: Bantam, 1995; siehe auch: http://www.cfchildren.org/advocacy/social-emotional-learning/the-cost-of-emotional-illiteracy-part-1.aspx; vgl. dt. Ders., Emotionale Intelligenz. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 19: 2007.

6 Siehe: http://www.cfchildren.org/advocacy/social-emotional-learning/21st-century-skills-vital-for-future-wirkforce.aspx

7 Linda Lantieri, persönliche Kommunikation; siehe auch: Dies., Building Emotional Intelligence: Technics to Cultivate Inner Strength in Children. Boulder, CO: Sounds True, 2008. vgl. dt. Dies., Emotionale Intelligenz für Kinder und Jugendliche. München: Ariana Verlag, 2009.

8 Siehe: Mindfulness in the Classroom. In: Kabat-Zinn, M. und Kabat-Zinn, J., Everyday Blessings: The Inner Work of Mindful Parenting, Hyperion, New York, 1997; 2014 (vgl. dt. Dies., Mit Kindern wachsen, Arbor-Verlag, Freiburg, 2015). Siehe auch: http://mindfuleducation.org/Mindfulnessintheclassroom-JKZ.pdf

9 Barbezat, D.P. und Bush, M., Contemplative Practices in Higher Eduation: Powerful Methods to Transform Teaching and Learning. New York: Jossey-Bass, 2014.

10 Davidson, R., Dunne, J., Eccles, J.S., Engle, A., Greenberg, M., Jennings, P., Jha, A., Jinpa, T., Lantieri, L., Meyer, D., Roeser, R.W. und Vago, D., Contemplative Practices and Mental Trainings: Prospects for American Education. In: Child Development Perspectives, 6 (2), 2012, 146–153. Roeser, R.W., Schonert-Reichl, K.A., Jha, A., Cullen, M., Wallace, L., Wilensky, R., Oberle, E., Thomson, K., Taylor, C. und Harrison, J., Mindfulness Training and Reductions in Teacher Stress and Burnout: Results From Two Randomized, Waitlist-Control Field Trials. In: Journal of Educational Psychology, 2013, Abstract. Frank, J. L., Jennings, P. A. und Greenberg, M. T., Mindfulness-Based Interventions in School Settings: An Introduction to the Special Issue. In: Research in Human Development, 2013, 10:3, 205–210 (DOI:10.1080/15427609.2013.818480; http://dx.doi.org/10.1080/15427609.2013.818480).

11 Siehe: http://theyworkforyou.com/whall/?id=2013–12–10a66.0

Die achtsame Schule

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