Читать книгу Kartellrecht und Ökonomie - Dirk Uwer, Daniel Zimmer - Страница 38

II. Marktmacht und Lerner-Index bei verschiedenen Marktformen

Оглавление

Die Marktmacht eines Cournot-Oligopolisten kann ebenfalls mithilfe des Lerner-Index erfasst werden. Dabei wird der Preis im Cournot-Nash-Gleichgewicht mit pc bezeichnet. Hier ist die prozentuale Abweichung des Marktpreises pc von den Grenzkosten gegeben durch


wobei si den Marktanteil des Oligopolisten i und ηn die Preiselastizität der Nachfrage bezeichnet. Diese Formel entspricht im Prinzip der im Falle eines reinen Monopols, nur geht hier der Marktanteil jedes Oligopolisten si in den Index mit ein. Die Marktmacht eines Cournot-Oligopolisten ist also bestimmt durch die Preiselastizität der Nachfrage, gewichtet mit seinem Marktanteil. Dies macht deutlich, dass die Konzentration in einem Markt eine wichtige Determinante für die Marktmacht ist. Je größer die Marktanteile der Unternehmen, desto stärker ist die Abweichung des Preises von den Grenzkosten, d.h. desto größer ist also die Marktmacht. Auch Kostenunterschiede zwischen den Unternehmen beeinflussen den Lerner-Index. Ein Unternehmen mit geringeren Grenzkosten kann einen höheren Preisaufschlag realisieren und verfügt auch über einen größeren Marktanteil. Könnten die Oligopolisten ihr Verhalten koordinieren und sich gemeinsam wie ein Monopolist verhalten, dann bleibt die Formel weiterhin gültig, aber es muss der Monopolpreis verwendet werden und die Marktanteile sind auf die geringere Monopolmenge zu beziehen.9 Allerdings ist bei der Interpretation des Lerner-Index zu berücksichtigen, dass in einem Markt mit oligopolistischem Wettbewerb nicht das gleiche Ergebnis erwartet werden kann, wie in einem Markt mit vollkommenem Wettbewerb. Auch bei funktionierendem Wettbewerb in einem solchen Markt wird sich das Marktergebnis, aufgrund der Tatsache, dass sich die Unternehmen der strategischen Interdependenz bewusst sind, von dem bei vollkommenem Wettbewerb unterscheiden.

Bei allgemeinen Marktstrukturen muss, anders als beim reinen Monopol oder beim Cournot-Oligopol, zwischen der Marktnachfrage und der Nachfrage, der sich ein einzelnes Unternehmen gegenübersieht unterschieden werden. So kann z.B. die gesamte Marktnachfrage sehr preisunelastisch sein, die Nachfrage für das Produkt eines einzelnen Unternehmens, d.h. die Residualnachfrage, jedoch sehr elastisch reagieren. So wird die Gesamtnachfrage nach einem lebenswichtigen Medikament, das mit den gleichen Wirkstoffen von mehreren Unternehmen angeboten wird, kaum auf Preisänderungen reagieren. Wenn jedoch nur ein Unternehmen den Preis erhöht, um einen höheren Gewinn zu erzielen, dann werden viele Käufer ihren Bedarf bei den anderen Unternehmen decken, d.h. die Residualnachfrage eines einzelnen Unternehmen ist äußerst preiselastisch, sodass trotz unelastischer Marktnachfrage die Marktmacht eines Unternehmens sehr gering ist. Entscheidend für das Vorliegen von Marktmacht eines einzelnen Unternehmens ist also immer die Preiselastizität seiner Residualnachfrage.10

Gibt es neben dem Monopol oder dem Oligopol noch andere Wettbewerber, z.B. einen wettbewerblichen Rand, oder können andere Unternehmen in den Markt eintreten, dann ist das Verhalten dieser aktuellen oder potentiellen Wettbewerber bei der Erfassung von Marktmacht zu berücksichtigen. Analog zur Feststellung des Verhaltens der Konsumenten mithilfe der Preiselastizität der Nachfrage kann man das Angebotsverhalten aktueller oder potentieller Wettbewerber mithilfe der Preiselastizität des Angebots erfassen.11 Diese Elastizität hängt von einer Reihe von Faktoren ab: So spielen die Kapazitäten der aktuellen Wettbewerber eine wichtige Rolle. Eine Ausweitung des Angebots dieser Unternehmen kann nur erfolgen, wenn hinreichend große, bisher ungenutzte Produktionskapazitäten vorhanden sind oder sehr schnell aufgebaut werden können. Andernfalls könnten diese Unternehmen selbst bei einer drastischen Preiserhöhung ihr Angebot nicht erhöhen – die Preiselastizität des Angebotes wäre Null oder zumindest sehr gering. Ein anderer wichtiger Aspekt sind mögliche Marktzutrittsschranken. Wenn z.B. aufgrund absoluter Marktzutrittsschranken, etwa wegen eines Patents, andere Unternehmen nicht in diesen Markt eintreten können, dann hat dies eine geringe Preiselastizität des Angebots zur Folge. Auch der betrachtete Zeitraum ist wichtig: Kurzfristig kann das Angebot nur wenig ausgedehnt werden, da Umstellungen der Produktion Zeit erfordern und Marktzutritte meist erst nach einer gewissen Vorbereitungszeit erfolgen können. Langfristig hingegen ist eine deutlichere Reaktion des Angebots zu erwarten. Der Lerner-Index für die Marktmacht eines Unternehmens bei Berücksichtigung anderer Wettbewerber bzw. von Marktzutritten kann wie folgt angegeben werden:


wobei die Preiselastizität des Angebots bezeichnet. Diese Preiselastizität wird mit den Marktanteilen aller Unternehmen außer dem betrachteten gewichtet.12 Dies ist analog zum Oligopol, wobei der Ausdruck die Preiselastizität der Residualnachfrage angibt. Dieser Index macht deutlich, dass die Marktmacht eines Unternehmens umso geringer ist, je größer die Preiselastizitäten der Nachfrage und des Angebotes sind. Der Marktmacht eines Unternehmens werden also von zwei Seiten Schranken gesetzt: Zum einen durch die Ausweichreaktionen der Nachfrager, zum anderen durch die Angebotsreaktionen aktueller oder potentieller Wettbewerber. So kann die Marktmacht eines Unternehmens selbst bei einer sehr unelastischen Nachfrage gegen Null gehen, wenn das Angebot sehr preiselastisch reagiert. Die Marktmacht eines Unternehmens wird umso höher sein, je geringer die Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager sind und je unelastischer das Angebot ist.

Kartellrecht und Ökonomie

Подняться наверх