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IV. Marktmacht auf zweiseitigen Märkten
ОглавлениеWie bereits auf den Seiten 54–63 über Besonderheiten der digitalen Ökonomie dargelegt wurde, handelt es sich bei vielen Unternehmen um zwei- oder mehrseitige Plattformen. Allerdings treten solche zweiseitigen Märkte nicht nur in der digitalen Ökonomie auf, sondern auch in vielen herkömmlichen Wirtschaftssektoren. So kann z.B. der Markt für Zahlungssysteme wie z.B. Kreditkarten als zweiseitiger Markt interpretiert werden, auf dem die beiden Gruppen der Händler einerseits und der Kreditkarteninhaber andererseits zusammengebracht werden. Andere Beispiele sind werbefinanzierte Medien, wobei die eine Nachfragergruppe die Werbung treibenden Unternehmen sind und die andere die Leser (bei Zeitschriften) oder Zuschauer (beim werbefinanzierten Fernsehen). Weitere Beispiele für zweiseitige Märkte sind Reisevermittler, die die Anbieter von Reisen und die Nachfrager zusammenbringen, Messen, Heiratsvermittlungen sowie so genannte Dating-Clubs, in denen Männer und Frauen Kontakte knüpfen können.
Auch hier treten zwischen den verschiedenen Nutzergruppen indirekte Netzwerkeffekte auf, deren jeweilige Stärke erhebliche Auswirkungen auf das Preissetzungsverhalten haben kann, wie das z.B. bei kostenlos verteilten Zeitungen der Fall ist, die ihre Einnahmen ausschließlich über den Verkauf von Werbefläche generieren. Ein solches Preissetzungsverhalten kann daher in zweiseitigen Märkten zu einer Reihe von Phänomenen führen, die bei normalen, einseitigen Märkten als Indiz für Marktmacht interpretiert werden müssen. So wird z.B. häufig beobachtet, dass einer Nachfragergruppe ein Preis abverlangt wird, der deutlich oberhalb der Grenzkosten liegt, die für die Bereitstellung der Dienstleistung oder des Produktes für die Mitglieder dieser Gruppe anfallen, während die Mitglieder der anderen Gruppe einen Preis zahlen, der unterhalb der entsprechenden Grenzkosten liegt und sogar negativ sein kann. So erhalten z.B. in vielen Dating-Klubs Damen freien Eintritt und oftmals ein Freigetränk, während Herren einen Eintrittspreis zahlen, der deutlich über den Grenzkosten liegt, die ihnen zuzurechnen sind. Die Höhe des jeweils zu entrichtenden Preises hängt dabei von der Stärke des indirekten Netzeffektes ab: Diejenige Gruppe, die die größeren indirekten Netzeffekte verursacht, wird in der Regel einen niedrigeren Preis zahlen, bzw. diejenige mit der geringeren Netzwerkexternalität einen höheren.14
Ein weiterer Faktor, der einen Einfluss auf die Preisbildung auf zweiseitigen Märkten hat, ist die Zahl der von den Nachfragern genutzten Plattformen. In manchen Fällen nutzen die Nachfrager nur eine Plattform, d.h. sie betreiben ein so genanntes Single-Homing, in anderen sind sie auf mehreren Plattformen aktiv, d.h. man beobachtet ein Multi-Homing. In der Regel wird man beobachten, dass zumindest eine Marktseite ein Multi-Homing betreibt. So lesen die meisten Konsumenten nur eine Zeitung, während Werbung treibende Unternehmen gleichzeitig in mehreren Zeitungen inserieren. Die meisten Händler akzeptieren mehrere Kreditkarten, aber viele Kunden besitzen nur eine. Auf zweiseitigen Märkten ist daher ein hoher Preis für eine Nachfragergruppe noch kein ausreichendes Indiz für das Vorhandensein von Marktmacht, denn selbst bei Wettbewerb mehrerer Plattformen würde sich an der Art der Preisstruktur nichts ändern. Würde man daher bei zweiseitigen Märkten nur eine Nachfragergruppe betrachten, dann gelangte man in der Regel zu einer falschen Schlussfolgerung.15 Entscheidend ist der Gesamtpreis, d.h. das was insgesamt von beiden Gruppen gezahlt wird, und die gesamten Grenzkosten, die der Plattform bei der Erstellung der Leistung entstehen.