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Einleitung

Seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches im Jahr 2003 hat im Irak ein Krieg stattgefunden. Er begann mit einer Lüge. Wir gingen durch eine Finanzkrise, welche die größten Staatsinterventionen der Menschheitsgeschichte zur Folge hatte. Kern der Krise war menschliche Gier. Mehr denn je bin ich überzeugt, dass wir meistens nicht an unseren Führungsaufgaben scheitern, sondern fast immer an uns selbst. Heute scheint mir der zweite Teil meines Buches, wo es um die Persönlichkeit von Leitenden geht, das Herzstück meiner Ausführungen zu sein. Dass gerade Führungsleute aus der Wirtschaft von diesem Teil besonders angesprochen waren, zeigte ihre eindrückliche Resonanz. Wie aber kam ich dazu, über den Zusammenhang von Spiritualität und Management zu schreiben?

Es war während eines Mittagessens im Kreise von Absolventen eines Nachdiplomstudiums in Management für Nonprofitorganisationen. Eine der Kursteilnehmerinnen fragte mich: »Hast du auch einen persönlichen Astrologen, der dich in Führungsfragen berät?« »Nein, ich bete«, war meine knappe Antwort. Da trat schlagartig eine merkwürdige Stille am ganzen Tisch ein. Dann begann eine engagierte Diskussion, bei der sich nicht nur herausstellte, dass gut ein Drittel der Studierenden, die alle schon Führungsverantwortung wahrnahmen, einen persönlichen astrologischen Berater hatte. Zum anderen stellten wir fest, dass in einer sehr komplex und unberechenbar gewordenen Welt intuitive Entscheidungen oder gar übersinnliche Hilfestellungen bei der Entscheidungsfindung nicht tabu sind. Seit diesem Essen hat mich die Frage, wie die geistliche Wirklichkeit und der Führungsalltag ineinander greifen, nicht mehr losgelassen.

Ich schreibe dieses Buch für Frauen und Männer, die ihre Spiritualität und ihre Führungsverantwortung miteinander verbinden möchten. Ich schreibe für Menschen, die in Gemeinde, Kirche oder christlichem Umfeld arbeiten und in irgendeiner Form und Funktion Verantwortung wahrnehmen. Wenn ich im Folgenden von der »christlichen Organisation« spreche, könnte der Eindruck entstehen, meine Adressaten seien Führungskräfte großer Werke oder ganzer Kirchgemeinden. Ich denke aber auch an Frauen und Männer, die in ihrer Gemeinde, in der Jugendarbeit, in irgendwelchen Vorständen oder Verbänden verantwortlich mitarbeiten und mitgestalten.

Dabei spreche ich von der christlichen Organisation als von einer Einrichtung, in der Menschen aus einer Grundhaltung heraus zusammen aktiv sind. Die Zwecke der Institution können ganz verschieden sein: Gottesdienste feiern, Kinder erziehen, Jugendliche fördern, Menschen missionieren, Kranke pflegen, Ehen beraten, Schüler unterrichten. Menschen arbeiten darin ehrenamtlich oder als Angestellte. So verschieden die Aufgaben und Funktionen auch sind, den Mitarbeitenden ist es ein Anliegen, ihre Aufgabe aus ihrem christlichen Glauben heraus zu erfüllen. Ich bin der Überzeugung, dass in solchen »Unternehmen« anders geleitet werden sollte als in rein säkularen Organisationen, damit das Potenzial der göttlichen Dimension in das menschliche Machen einwirken kann.

Ich möchte einen Beitrag zur Qualitätssteigerung des Leitens innerhalb von christlichen Institutionen leisten. Auch möchte ich Menschen in ihrer Lust und Last des Führens ermutigen und stärken. Schwache Führung legt sich als Mehltau der Resignation auf motivierte Mitarbeitende. Gute Führung multipliziert gute Einzel- und Teamleistungen zu einem zielführenden, heilvollen Ganzen.

Als Theologe schöpfe ich dabei aus der geistlichen Führungsweisheit der Bibel. Mit besonders geschärftem Blick lese ich in der Apostelgeschichte, wo Lukas die Anfänge des Projekts Kirche und damit auch spirituelle Führungserfahrung beschreibt. Benedikt von Nursia (um 480 bis 547), dem großen Klostergründer und Organisator, verdanke ich manche Hinweise. Weiter blicke ich zurück auf Segensspuren und Flurschäden, welche meine eigene Leitertätigkeit in einer Kirchgemeinde und in einem christlichen Sozialwerk zurückgelassen hat. Ich habe viele Fehler gemacht, einige Male sogar dieselben! Meine Leserinnen und Leser können sich vielleicht da oder dort einen Umweg ersparen.

Schließlich bin ich auch ein wenig im Gespräch mit Literatur über Management. Neben »heißer Luft in neuen Schläuchen«,1 die ich gelegentlich antraf, habe ich daraus manche wertvollen Impulse bekommen.

Ich erlebe mich selber nicht so sehr als pionierhaften Unternehmer. Mir ist vielleicht eher die Gabe des Nachdenkens, des Unterscheidens und des rechten Maßes geschenkt. Von diesen Dingen handelt der erste Teil des Buches, wo es um das Verstehen christlicher Organisationen geht.

Im zweiten Teil denken wir über die Persönlichkeit von Leitenden nach. Sie werden merken, dass mir ein personaler Ansatz im Wahrnehmen von Führungsverantwortung (die Grundbeziehung von Ich und Du) wichtig ist. Gott baut sein Reich mit Menschen, die sich ihm zur Verfügung stellen, und nicht mit Funktionsdiagrammen.

Im dritten Teil geht es um verschiedene Führungswerkzeuge, wobei deren geistliche Dimension mit berücksichtigt werden soll. Als Möglichkeit zur persönlichen Weiterarbeit habe ich nach jedem Kapitel einige weiterführende Fragen zusammengestellt. Sie mögen insbesondere jene Gruppen zum vertiefenden Gespräch anleiten, welche das vorliegende Buch gemeinsam lesen.

Jeder Teil beginnt mit einer Meditation über das Bild vom Engel und dem Schuster, das diesem Buch als Karte beigelegt ist. Es hängt in meinem Büro und verkörpert für mich das Kernthema des Buches: Geistesgegenwärtig führen. Dieses Jahrhundert wird jenen Machern gehören, die Gottes Wirken immer weniger im Wege stehen, die für das Wirken seines Geistes immer durchlässiger werden.

Die einzelnen Kapitel des dritten Teils schließe ich gegenläufig mit einer Art »Antiratgeber« ab. Diese »verführerischen Ratschläge« sind für all jene Leitenden gedacht, die sich und ihr Umfeld systematisch unglücklich machen wollen. Der Erfolg stellt sich beim gewissenhaften Befolgen dieser Ratschläge schlagartig und mit Bestimmtheit nachhaltig ein.

Mein dreifacher Dank geht erstens an den Verleger, David Neufeld, der in einer unkomplizierten und effektiven Zusammenarbeit eine zweite, leicht überarbeitete Auflage ermöglicht hat. Zweitens an den Evangelischen Kirchenrat der evangelischen Landeskirche Graubünden für den Druckkostenzuschuss und schließlich an Gertrud Hunziker-Fromm für die Erlaubnis, die Lithographie Max Hunzikers zu verwenden.

Daniel Zindel

Anmerkung

1 Christine Demmer/Rolf Hoerner, Heiße Luft in neuen Schläuchen – Ein kritischer Führer durch die Managementkonzepte, Eichborn, Frankfurt am Main 2001

Geistesgegenwärtig führen

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