Читать книгу Shambhala - Daniela Jodorf - Страница 5
PROLOG
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Meine Wangen glühten vor Aufregung, als ich das orangerote Bettlaken mit geübter Leichtigkeit um meine schmale Hüfte drapierte, um es dann über die Schulter zu werfen und mit einem einfachen Knoten vor dem Bauch zu befestigen. Die Zimmertür hatte ich abgeschlossen. Ich wollte meine Ruhe haben, wollte abtauchen in die bunte Welt meiner Phantasie, die in diesem Moment viel wirklicher war als die Realität. Das warme Orange meines selbst kreierten Gewandes beflügelte meine Sinne. Der weiche Stoff fiel locker über meine Schulter und gab mir ein Gefühl von schwebender Anmut. Ich fühlte mich leicht, beschwingt und merkwürdig erhaben. Meine Robe gab mir Kraft, Kraft und Würde. Ich war aufgeregt, hellwach und dennoch ganz ruhig und entspannt.
Dann wandte ich mich dem Plattenspieler zu, den ich letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hatte. Ich legte eine Platte auf, und als die Nadel die schwarze Scheibe berührte, erklangen sanfte, sehnsüchtige Flötentöne. Ich wusste weder, wer die Musik komponiert hatte, noch wer sie spielte. Die Schallplatte hatte ich in dem Regal gefunden, in dem meine Eltern ihre alten Platten aufbewahrten. Nun gehörte sie mir und war unverzichtbarer Bestandteil meines Lieblingsrituals. Im Takt der Musik bewegte ich mich langsam in die Mitte des Raumes und begann zu tanzen. Ich konzentrierte mich ganz auf den Rhythmus der zauberhaften, fremdartigen Melodie und die beflügelnde Wirkung meines orangeroten Gewandes. Spontan und ohne Zögern setzte ich jede Bewegung, die mir einfiel, in eine Form um. Bald nahm ich nur noch die Flötentöne wahr, die wie aus weiter Ferne an mein Ohr drangen und mich führten.
Es klopfte. „Caro, mach die Tür auf! Das Essen ist fertig!“
Ich erwachte wie aus tiefem Schlaf und brauchte einige Zeit, um mir bewusst zu werden, wo ich war. Meine Konzentration brach zusammen wie ein Kartenhaus und ich konnte mir gut vorstellen, wie Mama jetzt spöttisch grinsend vor der Tür stand, weil sie es lächerlich fand, dass ich mich verkleidete und zu dieser Musik tanzte, die sie längst nicht mehr hörte.
„Ich komme gleich“, rief ich.
„Beeil dich, das Essen wird kalt.“
Ich stellte die Musik ab, wickelte mich aus meiner Robe und stand in meinem giftgrünen kurzen Kleidchen da. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, was ich eigentlich schon wusste: der Zauber war verflogen. Ich war wieder ich, war wieder Caroline. Meine Augen blickten mir traurig und leer entgegen. Ich fühlte mich plötzlich nackt und schutzlos. Es fühlte sich an, als hätte ich etwas, das zu mir gehörte, das mich sogar erst zu mir selber machte, weggeben müssen, um ganz „normal“ und alltäglich sein zu können. Mürrisch schloss ich die Tür auf und lief hinunter ins Esszimmer. Das Essen stand schon auf dem Tisch.
Anna, unsere Haushaltshilfe, goss mir ein Glas Limonade ein und wechselte einen verschwörerisch unterstützenden Blick mit mir. Ich grinste frech zurück und wandte mich dann meiner Mutter zu, die mir gegenüber saß. Augenblicklich verwandelte sich meine Wut wieder in tiefe Zuneigung. Meine Mutter war wunderschön. Die kurzen blonden Haare standen ihr gut. Ich liebte ihre klaren blauen Augen und die geschwungenen Lippen, die nun, da sie mich anlächelte, zwei Reihen blütenweißer Zähne enthüllten. Ihr Hals war lang und stolz.
Dann fiel mein Blick auf die Kette, die sie Tag und Nacht trug. Es war eine lange silberne Kette, an der ein Jadebuddha hing. Der kleine dickbauchige Kerl grinste mich fröhlich an und strahlte eine überirdische Ruhe aus. Ich betrachtete den Buddha am schlanken Hals meiner Mutter als meinen Freund. Er schien geradezu lebendig und er beschützte den Menschen, der ihn trug. Da war ich mir ganz sicher.