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Gut vorbereitet ist halb gewonnen

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Die offizielle Vorbereitung auf die Weitwanderung am SWCP begann ziemlich genau eineinhalb Jahre im Vorhinein mit dem Kauf eines geeigneten Wanderrucksacks. ­Dafür fuhren wir ins ferne Wien und begaben uns zum Bergfuchs, dem Schlaraffenland der Outdoorausrüstung. Es war unmöglich, uns selbstständig durch den Dschungel der angebotenen Wandertaschen zu wurschteln, und so beschäftigten wir einen Angestellten gute zwei Stunden, bis wir uns endlich entscheiden konnten. Uns überraschte vor allem, dass fast kein Rucksack wasserdicht war. Dabei gehörte Regen zu den größten Gefahren unseres Abenteuers, besonders für die Kleidung, und so mussten wir uns nicht nur den Rucksack, sondern auch die dazugehörige Regenhülle und ihr Verschlusssystem gut anschauen. Meine Wahl fiel auf den Gregory Amber Damenrucksack, den ich fortan immer liebevoll Greg nannte, mit einem Fassungsvermögen von 60 Litern. Peter entschied sich für einen Deuter Aircontact 55 + 10, der von vornherein ein wenig schwerer als ­meiner war. Beim Wandern entscheidet das Gewicht der Ausrüstung oft darüber, ob die Tour zu einem unvergess­lichen Naturerlebnis wird oder zu einer endlosen Schinderei, bei der man nur mehr ans Ziel kommen will. Daher beschloss ich, jedes einzelne Stück, das mit mir die lange Reise antreten durfte, auf einer Küchenwaage abzuwiegen, und entschied danach noch einmal, ob ich es tatsächlich brauchen würde. Dafür schrieb ich Listen, Maßangaben und Auswahlmöglichkeiten, bis ich schließlich auf annehmbare 8,25 kg ohne Getränke und Lebens­mittel kam. Ich war sehr zufrieden mit mir selbst und wollte meine aus­geklügelte ­Methode auch meinem Göttergatten nahebringen. Dem war das aber völlig egal, denn schließlich brauche er, was er brauchte, und das nähme er auch mit erklärte er mir, schmiss alles in seinen Rucksack und kam dabei auf das unfassbare Gewicht von 8,45 kg. Wegen 200 g habe ich mir also all die Mühe gemacht? Wobei, hätte ich das genauso gehandhabt wie Peter, würden wir ja nicht von 200 g, sondern eher von zwei Kilo reden. Vor dreißig Jahren wären wir wohl noch mit weitaus weniger Gepäck gereist, denn damals hatte noch niemand eine Ahnung davon, wie sehr die ­digi­tale Welt unseren ­Lebens- und auch Reisestil beeinflussen würde, aber heutzutage erhöht ­allein unser technisches Equipment, das wir auf Wanderungen mitnehmen, das Gewicht des Rucksacks deutlich. Handy, iPod, Ladekabel und natürlich mein heißgeliebtes Tablet waren unver­zichtbar. Viele reagierten verständnislos als ich erklärte, dass ich ein Tablet samt Tastatur mitnehmen würde. Beide Teile wogen zusammen knapp einen Kilo, aber es würde sich im Laufe der Reise herausstellen, dass das die ­absolut beste Investition war.

Zeitgleich mit dem Kauf der Rucksäcke schloss ich mich auch diversen Internetgruppen und Wanderforen an, knüpfte Kontakte und ließ mich bei allen Themen rund ums Wandern in England beraten. Zwei Foren ­sollten dabei meine wichtigsten Wegbegleiter werden. Zum einen ist das die ­offizielle Facebook-Gruppe von South West Coast Path Wanderern und zum anderen die Gruppe der größten englischen Wanderzeitschrift Country Walking, die mich auch davon überzeugte, im Jahr 1.000 Meilen zu wandern, also 1.610 Kilometer, was einem Tages-Soll von 4,4 Kilo­metern entspricht. Da sich das gut mit meinem 10.000 Schritte-Programm vereinbaren ließ, nahm ich 2017 erstmals an dieser Challenge teil und brauchte tatsächlich bis zum 30. Dezember, bis ich diese Kilometeranzahl schaffte. An Silvester 2017 genoss ich den einzig wanderfreien Tag in ­vollen Zügen, war aber zeitgleich auch sehr stolz, dass ich tatsächlich auf diese Zahl gekommen war, und freute mich über die Medaille, die man nach erfolgreichem Abschluss bestellen kann. Durch diese beiden Gruppen lernte ich viel über das Wandern in Großbritannien; etwa, dass es 1.000 Mile Socks gibt, die Blasenfreiheit garantieren, dass nirgendwo sonst über einen derart langen Zeitraum so viele Stufen zu bewältigen sind wie am SWCP und dass es ohnehin nirgends schöner ist als genau dort.

Im Herbst 2017 unternahm ich dann meine erste Weitwanderung ­alleine ohne Peter und begab mich in die niederösterreichische Wachau, um dort den zweiten der insgesamt vier „Best Trails of Austria“ zur Hälfte zu wandern – den UNESCO Weltkulturerbesteig. Wie ein gewaltiger Riss durch das Gestein beeindruckt das Donautal zwischen Krems und Melk jährlich zahlreiche Besucher. Aufgrund ihrer malerischen Orte, ihrer ­historischen Bauten, des die Landschaft gestaltenden Weinbaus und der hier noch frei fließenden Donau wurde die Wachau im Jahr 2000 durch die Aufnahme in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes geadelt. Doch wer hier einen Wanderweg entlang des Flusslaufes auf der beliebten Radstrecke vermutet, der liegt falsch, denn auch bei dieser Wanderroute geht es teilweise hoch hinaus. Als 180 Kilometer langer Ring-Höhenweg über den Uferzonen der Donau konzipiert, berührt der Wegverlauf alle 13 Gemeinden der Wachau und führt an mächtigen Klöstern, Burgen, Schlössern und Ruinen vorbei. Ich hatte mich für die ersten acht Etappen entschieden, die ich in fünf Wandertagen bewältigen wollte und die das gesamte linke Donauufer von Krems bis Melk abdecken würden. Vor der Überschreitung des Jauerlings mit seinen 960 Metern hatte ich dabei den größten Respekt, doch ansonsten waren sämtliche Tage mit unter 1.000 Höhenmetern Gesamtanstieg verhältnismäßig einfach zu bewäl­tigen. Es sollte die Generalprobe für unsere SWCP-Wanderung werden und sie gelang mir ausgezeichnet. Ich konnte den Rucksack adjustieren und aufgrund der Tatsache, dass ich alleine unterwegs war, auch meine sozialen Fähigkeiten erweitern. Ich bin von Grund auf kein besonders ­extrovertierter Mensch, zumindest nicht, wenn es um das Kontaktknüpfen mit Fremden geht, und so konnte ich auf dieser Reise, auf der ich die ­meiste Zeit auf mich alleine gestellt war, sehr viel dazulernen. Die Landschaft beeindruckte mich allerdings nicht in dem Ausmaß, in dem ich es erwartet hatte, da der Weg oft nur einen kurzen Blick auf die atemberaubende Umgebung bot und ansonsten meist kilometerweit durch das Hinterland mit seinen tiefen, dunklen Wäldern führte. Dennoch ­fühlte ich mich fit und freute mich unglaublich auf unsere bevorstehende Wanderung in England.

Die Sonne der Vorfreude und Zuversicht schien in dieser Zeit besonders strahlend, doch ohne Vorankündigung zogen plötzlich dichte Ge­witterwolken in unser Leben und warfen Blitze, Regen, Schnee und Hagel in unsere Richtung. Während eines Adventwochenendes in Kärnten erlitt Peter einen Schlaganfall. Plötzlich stand unsere Welt für einen Augenblick still und katapultierte uns dann in einen schieren Überlebensmodus. Wenn wir mit vielem gerechnet hätten, aber damit sicher nicht, denn Peter zählte zu keiner der typischen Risikogruppen, was den Schlaganfall allerdings nicht davon abhielt, gnadenlos zuzuschlagen. 25.000 Menschen ­erleiden in Österreich pro Jahr einen Schlaganfall, aber die meisten davon sind über 60 Jahre alt und weisen auch andere Risikofaktoren auf. Ein fitter, nichtrauchender 44-Jähriger ist sehr selten davon betroffen. ­Selten heißt zwar nicht nie, dennoch wollten wir es anfangs gar nicht ­glauben. Da die sichtbaren Auswirkungen wie hängende Mundwinkel oder Sprach­störungen ausblieben, dachten wir zuerst an eine Nerven­problematik. Erst als sich Peters Zustand bis zum nächsten Morgen nicht besserte, beschlossen wir, nach Hause zu fahren und den Hausarzt aufzusuchen, der ihn ­sofort ins Krankenhaus überwies. Er war somit laut Aus­sagen der ­Ärzte der wohl erste Schlaganfallpatient mit einer Überweisung des Hausarztes. Plötzlich war unsere Zukunft völlig ungewiss und wir ­hatten keine ­Ahnung, wie sich das auf unsere geplante Reise nach England auswirken würde. Glücklicherweise war Peters Prognose von Beginn an sehr positiv und nach einem kurzen Ausflug in eine depressive Phase sprach er sehr gut auf die Rehabilitation an. Bereits in der dritten Woche begannen wir, wieder Spaziergänge zu machen, zuerst nur ein paar wenige Schritte, dann einen Kilometer und schließlich sogar eine Stunde, denn Gehen ist eine der effektivsten Methoden zur Wiederaktivierung des gesamten Körpers. Unter der Woche konzentrierte ich mich auf Arbeit, ­Kinder und Haus, während sich Peter um seine Genesung kümmerte. Die Wochenenden verbrachten wir gemeinsam am jeweiligen Reha-Ort mit Gehen. Je mehr Peter wieder wortwörtlich auf die Beine kam, umso mehr wuchs auch wieder die Hoffnung, doch noch auf unsere Wanderreise gehen zu können. Nach drei Monaten Krankenhaus und Reha war Peter weitgehend zumindest derart wiederhergestellt, dass wir uns ernsthaft an die abschließende Planung unseres England-Abenteuers machen konnten. Ich studierte Fährverbindungen und Gezeitentabellen, buchte Flüge, Busse sowie Hotels und las alle Bücher und Artikel über den SWCP, die ich ­finden konnte.

Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path

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