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Zusammen alt werden

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Wenn jemand sagt: Ich will mit dir alt werden, so bedeutet das mehr als Verliebtheit, ja mehr als Liebe, es ist ein Versprechen, eine Verheißung, die Bereitschaft, einen Pakt mit der Ewigkeit zu schließen. Ich will auch gemeinsam alt werden – jedes Mal wieder aus vollem Herzen und mit großer Zuversicht – in meiner ersten Beziehung, in meiner zweiten, dritten, vierten, fünften und jetzt mit Tove. Ich habe es nicht geschafft, was einerseits daran liegt, dass ich noch nicht alt genug bin, um gemeinsam alt sein zu können, und andererseits weil meine Beziehungen eine Halbwertszeit von acht Monaten bis elf Jahren hatten. Wenn ich die Zeit zusammenzähle, da ich in einer Beziehung war, komme ich auf 21 Jahre und 4 Monate – immerhin, auch wenn ich dazu sechs Frauen einspannen musste.

Das Tröstliche ist: Je älter man wird, desto einfacher ist es, zusammen alt zu werden. Wo man als Zwanzigjährige vierzig Jahre Beziehungsarbeit vor sich hat, ist man mit siebzig schon von Anfang an gemeinsam alt.

Der Zug ins Liebesglück ist also noch nicht abgefahren.

Genau besehen ist es ein Rätsel, warum wir ums Verrecken zusammen alt werden wollen. Wenn wir alt sind, haben wir es in Hüfte, Rücken und Knie, wir sehen schlecht, das Gedächtnis ist zwar hervorragend, wenn es um vergangene Zeiten geht, aber ansonsten unzuverlässig. Wir sind nicht mehr elastisch, glatt und saftig, und der Rollator verstellt uns das Entree. Warum also sind wir darauf erpicht, diese Zeit mit jemandem zu verbringen, der vielleicht Rheuma in den Händen hat, halb taub ist und unter Osteoporose leidet? Sind zwei Rollatoren im Entree wirklich der Inbegriff von Liebesglück? Und als wäre das nicht schon unverständlich genug, kommt etwas hinzu, was den Wunsch nach gemeinsamem Altern endgültig ad absurdum führt: Mithilfe von Lifting, Botox, Fettabsaugen, Augenlidertrimmen und Haarimplantation setzen wir alles daran, jung zu bleiben (oder zumindest zu scheinen) – also wie soll man da zusammen alt werden?

Heutzutage wird etwa jede zweite Ehe geschieden. Hält dieses Wissen uns davon ab, zu heiraten und an das Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet zu glauben? Vermutlich nicht, im Gegenteil: Hochzeiten sind wieder in Mode gekommen. Mögen wir uns noch so oft trennen, es war jedes Mal nur ein dummes Missgeschick, wir sind durchaus zu langandauernder Liebe fähig – so denken wir auch nach der fünften Trennung, ohne rot zu werden.

Sich zu trennen ist ein Albtraum, aber man wird daraus erwachen – und kaum sind wir neu verliebt, sind die Karten neu gemischt, und alles scheint möglich. Mögen die Karten von dem ständigen Mischen lädiert aussehen – neu gemischt ist neu gemischt, das Tor zum Glück geöffnet und der Weg in ein erfülltes gemeinsames Alter geebnet.

Es gibt im Deutschen den Ausdruck: Lebensabschnittspartner. Das hört sich hölzern an, aber trifft den Punkt: Wir verleben mit dem Partner einen Lebensabschnitt, dann verabschieden wir uns mit Beulen und Schrammen, um mit einer neuen Person einen weiteren Lebensabschnitt zu verbringen. Mit dem Lebensabschnittspartner ist es wie mit einer Erkältung: Niemand will sie, aber viele kriegen sie.

Tief im Herzen wollen wir keinen Abschnitt, sondern das Immer und Ewig. Wir möchten den Moment einfrieren, da wir uns verliebt in die Arme fallen und küssen, da Bögen über Saiten streichen, da wir einander uneingeschränkt wollen, und die Zukunft wie ein auf Hochglanz geputztes Parkett vor uns liegt – bereit, von uns betanzt zu werden. Wir wollen das bis ins hohe Alter. Und wenn sie nicht gestorben sind, so lieben sie noch heute. Vielfach heißt es eher: Und obwohl ihre Liebe gestorben ist, leben sie noch heute.

Ich habe als Kind einen Film mit Sophia Loren und Marcello Mastroianni gesehen. Ich weiß nicht mehr, worum es ging, irgendwelche Verwicklungen halt und am Schluss küssten sie sich verliebt. Mein Herz schlug im romantischen Takt, nur ging der Film noch weiter: Schnitt, man sieht das Liebespaar Jahre später, es lebt in einer Absteige, hat Kinder, in der Wohnung herrscht Chaos, die einst Verliebten schreien sich an, er wirft die Spaghetti aus dem Fenster. Das hat mir den Film gründlich verdorben. Ich wollte nicht mit ansehen, wie die Spaghetti aus dem Fenster fielen und die romantische Liebe mit ihnen. Ich wollte, dass sie, alt geworden, nebeneinander auf einer Bank sitzen und sich verliebt anschauen.

Als im Film When Harry met Sally Sallys beste Freundin Marie erfährt, in welchem Beziehungschaos sie sind, legt sich Marie in die Arme ihres Mannes und seufzt: „Versprich mir, dass ich niemals mehr da raus muss.“ Wie schön wäre es, nie mehr raus zu müssen, nie mehr Single zu sein, nie mehr einen neuen Partner suchen zu müssen, nie mehr in der Ungewissheit zu leben, ob man jemals wieder jemanden findet. Oder anders gesagt: Wie schön wäre es, zusammen alt zu werden.

Wie sieht es in der Realität aus, wenn zwei zusammen alt geworden sind?

Es gibt solche, die insgeheim hoffen, dass seine Frida oder ihr Otto endlich das Zeitliche segnet, denn die Liebe hat sich längst verabschiedet. Es gibt solche, die so aneinander gewöhnt sind, dass sie Tisch, Bett, Kommode, Garten und Frida/Otto in einem Atemzug aufzählen, weil alles den gleichen Wert für sie hat.

Es gibt aber auch jene alten Paare, die Innigkeit, Liebe und Frieden ausstrahlen. Sie sind in einem lebhaften Austausch, kennen sich durch und durch und schätzen, was sie kennen. Am Ende des Lebens mit jemanden so zusammen sein zu können, wäre schön – gleichgültig, ob man Jahrzehnte zusammen verbrachte oder ein paar Jahre.

Vermutlich geht es beim Wunsch zusammen alt zu werden vor allem um das Zusammen-Sein – egal wie lange und in welchem Alter. Wir haben ja nur das Hier und Jetzt zur Verfügung.

Das Leben ist ein Witz

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