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Die kleine Schwedin und der Gender

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Wenn ich mich verliebe, verliere ich den Kopf, und während der unters Bett rollt, entgehen mir nicht unbedeutende Details: zum Beispiel, dass die Angebetete eine Schwedin ist und tausendfünfhundert Kilometer von mir entfernt wohnt – und dass sie Mutter einer kleinen Schwedin ist, noch keine sechs Jahre alt. Kinder standen auf meiner Wunschliste nie weit oben, sie rangierten zwischen dem Wunsch, ein Steuerformular auszufüllen und den Wasserkocher zu entkalken. Nicht dass ich etwas gegen Kinder hätte! Ich liebe es, dass sie sich nicht darum scheren, wie man sich zu benehmen hat und ihre Gefühle unverblümt kundtun, aber genau diese Eigenschaft macht den Alltag mit ihnen anstrengend.

Bekanntlich beeinflussen Wunschlisten das Schicksal so wirkungsvoll wie ein Frosch im Glas das Wetter: So bin ich auf die Aktion „zwei für eins“ hereingefallen.

Das Mädchen meiner Schwedin, nennen wir es Lya, hat blondes Haar und spricht fließend Schwedisch, was mich immer wieder erstaunt: Warum kann sie besser Schwedisch als ich, wo ich so viel älter und weiser bin? Lya spricht außerdem viel und schnell, aber nicht so deutlich wie die Dame, die auf der Schwedischkurs-CD die Übungen liest. Wenn Lya mit mir spricht und ich sie nicht verstehe (was meistens der Fall ist), wiederholt sie es einfach noch einmal. Und weil ich immer noch nicht verstehe, wiederholt sie es lauter. Spätestens wenn sie schreit und ich in Tränen ausgebrochen bin, schreitet Tove ein und erlöst uns von unserem Unverständnis.

Lya gibt gerne damit an, dass sie drei Mütter hat: Das sind Tove, Toves Exfrau (die leibliche Mutter) und deren Partnerin. Vom Vater weiß man nur, dass er Däne ist und während des Studentenlebens mit seinem Samen das Taschengeld aufpoliert hat.

Der Vater war für Lya lange Zeit kein Thema – bis vor ein paar Monaten: Da ich immer mal wieder in Toves Haushalt herumstehe, fragte Tove die Kleine, ob es ihr gefallen würde, wenn ich die ganze Zeit hier herumstehen würde. Lya nickte und sagte, ich könne ihr Vater sein, Mütter habe sie ja schon genug. Ich fühlte mich geehrt und stellte mir an diesem Tag vor, wie das als Vater so wäre: Ich bekam den Drang, ein paar Dinge im Haushalt zu flicken und meine Frauen vor Rollstühlen, Möwen und Straßenlampen zu schützen. Selten habe ich mich so ernsthaft und verantwortungsvoll gefühlt: Nun galt es, eine kleine Familie gegen die Welt zu verteidigen! Ich hielt den Damen die Türe auf, und beim Anblick eines Fußballs lief mir das Wasser im Mund zusammen. Am Abend saß ich mit einem Bier vor dem Fernseher.

Eines Tages war es soweit: Lya verkündete, dass sie gern einen Papa hätte. Tove fragte sie warum. „Damit ich weiß, wofür man den hat.“ Mehr sagte sie nicht dazu, sondern wandte sich wieder ihrem Spiel zu.

Ein paar Wochen dann fragte sie Tove: „Also Mama, wofür hat man eigentlich einen Vater?“ Tove erklärte ihr, dass der im Großen und Ganzen das Gleiche wie die Mutter tue, nur sei er eben ein Mann.

Lya überlegte eine Weile: „Dann können Väter auch BHs tragen?“

Das ist scharf gefolgert, es gibt ja Männer, denen ein BH wie angegossen passen würde.

Einmal erklärte Lya in der Kita ein paar Kindern, warum sie keinen Vater, dafür drei Mütter hat: „Also da war ein Mädchen, das verliebte sich in ein Mädchen, und da war ein anderes Mädchen, das verliebte sich auch in ein Mädchen.“

Die Kinder nickten wissend. Ein Mädchen seufzte neidisch: „Du hast es gut, ich hätte auch lieber zwei Mütter und keinen Vater. Papa kneift mich, das mag ich nicht.“

Lya ist es offenbar egal, ob Männer oder Frauen sie großziehen – Hauptsache, jemand liebt sie und sorgt für sie. Sie pfeift auf die Geschlechterrollen.

Daraus könnte man schließen, dass sie immer auf die Rollen pfeift, was sie nicht tut: Lya ist der traurige Beweis dafür, dass man die Kinder nicht nach Gutdünken beeinflussen kann: Lyas Mütter würden ihr sofort Indianerkostüme, Spielzeugautos, Schwerter und Fußballtrikots kaufen, so sie denn solche wollte. Aber Lya ist nicht daran interessiert, sie ist auf beunruhigende Weise rosafixiert, sie liebt Nagellack, Schleifen im Haar, nimmt für schöne Schuhe Blasen in Kauf, möchte nur Röcke anziehen, behängt sich mit Schmuck, lebt vor dem Spiegel, will an jeder Blume riechen, zeichnet vorzugsweise Prinzessinnen und klimpert beim Anblick eines Jungen mit den Wimpern, als wären die ein Spielautomat, dessen Jackpot soeben geknackt wurde.

Es ist niederschmetternd. Wofür haben wir Feministinnen gekämpft? Wir haben uns erfolgreich von der lästigen Frauenrolle befreit und nun das: ein Meer rosafarbener Mädchen! Mittlerweile habe ich für die Vertreterinnen der Gender-Theorie nur noch ein müdes Lächeln übrig: Wenn Geschlechter anerzogen wären, würde Lya nicht von der Hochzeit (in Weiß) ihrer Mütter träumen, denn ihre Mütter haben dafür nur ein spöttisches Lächeln übrig. Sie würde sich nicht in zu kleine Lackschühlein zwängen, denn ihre Mütter tragen bequeme. Sie würde sich kein Diadem ins Haar stecken, weil ihre Mütter höchstens eine Baseball-Mütze tragen.

Warum also hat Lya einen solch fürchterlichen Geschmack?

Weil ihn die anderen Mädels haben?

Und warum haben sie ihn?

Wegen der Werbung, der Filme und Hello Kitty?

Beeinflussen wirklich alle die Kleinen, nur ihre feministischen Mütter nicht?

Tove hat bei ihrer Tochter bisher nur einen Fingerabdruck hinterlassen können: Die Kleine ist gegen jegliche Logik nun auch süchtig nach 90-prozentiger Schokolade. So ist Lyas größter Wunsch für ihren nächsten Geburtstag nichts Rosarotes, nichts Prinzessinnenhaftes und kein Haarschmuck:

Sie wünscht sich eine ganze Tafel 90-prozentiger Schokolade.

Das ist ein Anfang.

Das Leben ist ein Witz

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