Читать книгу DU GEHÖRST IHNEN. - Dankmar H. Isleib - Страница 11

Оглавление

VI

WIR MÜSSEN DAS PARADIGMA DES KONTRAHIERTEN GEISTES

AUFGEBEN.

DER GEIST REICHT WEIT ÜBER DEN TEIL DES GEHIRNS HINAUS;

ER BESEELT DEN GANZEN KÖRPER UND BELEBT IHN.

DER KARTESIANISCHE BANN IST GEBROCHEN.

GLAUBT ES ENDLICH.

ES GIBT KEINE MAUERN ZWISCHEN GEIST UND MATERIE,

PSYCHE UND KÖRPER, SUBJEKT UND OBJEKT.

Nach Rupert Sheldrake – Danis

Hongkong, Anfang Oktober, Tai-Pans unter sich. Konspiratives Treffen, erschreckende

Infos über die Illuminaten,

der Lee-Tower in Seoul wird von einem

Flugobjekt getroffen ...

Einen der weltweit besten Italiener findet der Gourmet in Hongkong, der noch immer einmaligen Metropole Asiens, die durch die Übernahme der Rotchinesen nicht allzu viel gelitten zu haben schien. Zumindest auf den ersten Blick des ahnungslosen Touristen, des internationalen Geschäftsmannes, der auf ein gutes, wenn möglich schnelles Geschäft hofft. Für jemanden also, der nicht gewillt ist, sich Gedanken um die Menschen zu machen. An der Schale sollte man freilich nicht kratzen. Es könnte sein, dass darunter Rost zutage tritt. Oder andere, rote Schmutzpartikel, die der glänzende Lack verhüllt.

Im >Langham Hongkong< ist das Restaurant seit vielen Jahren zu Hause. Das Langham ist ein eher unauffälliges Hotel der nach wie vor unbeschreiblich pulsierenden, geschäftigen Stadt, wenn man die mondänen oder traditionsreichen Hotels wie das attraktive >Grand Hyatt<, das >Ritz Carlton<, das >Landmark Mandarin Oriental< oder das betagte, doch hervorragend geführte >Peninsula< zum Maßstab nimmt.

Ebenso unauffällig gleitet ein dunkelroter Rolls Royce Phantom die Nathan Road entlang, fährt auf das Planetarium zu, dem zwar markanten, aber architektonisch wenig gelungenen Bauwerk, biegt nach rechts in die Salisbury Road, streift das Peninsula Hotel, fährt von dort in die Canton Road, vorbei am Star House, dem Omni Hotel, lässt das Ocean Center links liegen, um dann sanft und noch immer unauffällig in die Peking Road einzubiegen und vor der Nummer 8 zu halten. Der Fahrer, livriert, wie es sich für den Chauffeur eines Rolls gehört, ist voller Konzentration. Der Phantom trägt das unter Chinesen gefragteste und sehr teure Kennzeichen 888.

Nummernschilder mit der Zahl 8 sind von reichen Hongkong- Chinesen unverändert begehrt, denn die 8 verkörpert Glück, Reichtum; man wird von Gott bevorzugt. Mit einer 8 im Kennzeichen kann dem Besitzer des Wagens nichts Schlechtes widerfahren. Nie und nimmer. Wer den Wagen mit der 888 fährt, gehört zu den Mächtigsten, den wahren Tai-Pans in Asien. Die verdreifachte Ziffer 8, die Zahl 888, wird von vielen Okkultisten für die Zahl Jesu Christi im Hinblick auf seine Erlöser-Berufung angesehen; im asiatischen Raum steht die Zahl für Buddha. Um das besondere, einmalige Kennzeichen – das von der britischen Stadtregierung versteigert wurde, kurz bevor die Chinesen die Macht übernahmen – zu erhalten, hatte der Besitzer des dunkelroten Rolls Royce gut zehn Millionen Hongkong-Dollar hinblättern müssen. Der Erlös aus Versteigerungen von begehrten Autokennzeichen floss unter den Briten traditionsgemäß sozialen Einrichtungen des Stadtstaates zu; vermutlich halten das die nun regierenden Chinesen ebenso. Aber: Darüber spricht man nicht und Touristen werden mit dem Zahlenchakra, das für die Chinesen ungemein wichtig ist, nicht belästigt.

Der Rolls hat sein Ziel erreicht. Der Hotelboy öffnet devot die hintere rechte Tür des fabrikneu ausschauenden Wagens und nickt dem schlanken, zierlichen Asiaten beim Aussteigen freundlich zu. Die Anfahrt zum Langham ist so unauffällig, wie man es von diesem Hotel erwartet. Der Ankommende hat das Gefühl, direkt in den Garagenpark des Hotels zu fahren. Nur die großzügige Messingtür, die roten Teppiche im nüchtern gehaltenen Eingangsbereich erinnern daran, dass man sich in ein Luxushotel begibt. Die Mengen von wohlhabenden Shopping-Touristen, vorwiegend Japaner, Amerikaner, Australier, fahren an den seitlichen Haupteingang des Hotels mit dem Taxi vor, wenn sie vom stets ergiebigen Shopping mit unzähligen Tüten und Kartons bepackt zurückkommen. Die, die weniger auf Shopping-Trips aus sind, erlaufen sich Teile der Stadt zu Fuß und erreichen durch den ebenso unauffälligen Vordereingang, eine Rolltreppe hochfahrend, die Lobby des Langham.

Kaum ist der zierliche und distinguiert wirkende Herr im maßgeschneiderten, dunkelgrauen Seiden-Kashmir-Anzug ausgestiegen, rollt der Rolls wieder der Ausfahrt entgegen. Sir Lincoln Lee geht gemessenen, doch zügigen Schrittes auf einen der vier Fahrstühle zu und wird im Gewusel der einkaufswütigen Touristen und Business-People kaum wahrgenommen. Die dezente Lobby verbirgt mehr als sie preisgibt. Wer das Langham aufsucht, bleibt anonym und bekommt dennoch den Luxus, den die anderen Five-Star-Paläste in Hongkong bieten. Genau das bezweckte Lincoln Lee, als er den Treffpunkt wählte und jetzt in den ersten Stock fährt, eben zu d e m Italiener der Stadt, bei dem man zwischen Geldtouristen, die sich das Dinieren hier leisten können, recht unauffällig sitzen kann. Seine beiden Gesprächspartner erwarten ihn schon am schönsten, von Lee reservierten, Tisch des Restaurants, der durch seine überdimensionale Größe ein wenig zu wuchtig wirkt: Eine runde, mit gestärktem Leinentuch gedeckte Tafel, an der zwölf Gäste bequem Platz haben. Der Tisch steht etwas abseits im Restaurant und ist Gästen vorbehalten, die es ruhiger wünschen. Von diesem Tisch hat man einen vorzüglichen Blick auf den Kowloon Park Drive, zum Hongkong Culture Center und sieht über die Meerenge hinüber zur imposanten Wolkenkratzer-Silhouette von Hongkong Island.

»Willkommen in Hongkong, Sam! Hatten Sie einen angenehmen Flug von Dallas?«, begrüßt Sir Lincoln Lee seine Gäste und zu dem anderen: »Wie ist das Wetter in Moskau? Ihr Präsident lässt ja keinen Tag vergehen, ohne zu erklären, dass in Ihrem Land die Sonne bald dauerhaft scheinen wird ... Aber was machen wir mit den vielen, rostenden Atomwaffen? Wohin damit? Bitte erinnern Sie mich daran. Wenn wir mit unserem eigentlichen Gesprächsthema zu Ende sind, sollten wir beide noch ein wenig darüber plaudern. Ich habe Interesse an etlichen hundert Raketen, vor allem an deren atomaren Material.«

»Danke der freundlichen Nachfrage, Sir Lee«, antwortete Nicolai Below. »Auch wenn Ihre Ironie zu Russlands Situation mich nicht trifft, weiß ich sie doch richtig einzuschätzen. Im Übrigen sollten Sie mal wieder nach Moskau kommen – Sie erkennen die Innenstadt nicht wieder! Die russische Gesamtmafia, bestehend aus den Spitzen der ehemaligen Nomenklatura, den Bossen des früheren KGB, angesehenen Bürgern jüdischen Glaubens und den weitläufigen Mafiosi-Familien wie Tschetschenen, Armeniern, Usbeken, Aserbaidschanern usw., hat es geschafft, dass unsere City inzwischen blüht und gedeiht; das Abzocken der Ressourcen Russlands und von über vierzigtausend Industriebetrieben zahlt sich aus! Diese Herren sagen nun – mit unterschiedlichen Interessen – Putin, Medwedew & Co. sehr deutlich, wie sie zu regieren haben! Das kann Vorteile mit sich bringen und ich beginne gerade, die Vorzüge auch für mich zu nutzen. Sie wissen ja: Volk ist Pöbel, den man zur Herstellung, dem Vertrieb und Kauf von Waren braucht, die man eigentlich zum Leben nicht braucht, von denen wir sagen, dass man die unbedingt braucht um glücklich zu werden – und die der Pöbel und die Neureichen dank guten Marketings tatsächlich kaufen, damit unsereiner reich werden kann. So einfach ist doch das Gesetz des Marktes oder irre ich mich? Auf die Raketen können wir nachher gerne zu sprechen kommen.«

Grinst, zupft dabei sein elegantes, dunkelrotes Seidentüchlein zurecht, das so gar nicht zu der ausladenden, imposanten, durchtrainiert wirkenden Statur des sehr europäisch, eher französisch ausschauenden Russen passt.

»Bitte lassen Sie uns gleich zur Sache kommen«, meldete sich Sam Sunrise in breitestem texanischen Slang, die Hand des Chinesen schüttelnd.

Fürchterlich, allein der Händedruck, dachte Lincoln Lee. Dass ich mir das antun muss. Ein Kretin, der ungepflegte, kulturlose Ami in seinen billigen Kaufhausklamotten! Der immer in Eile ist, damit er schnellstens an seinen Schreibtisch zurückkommt. Der sich bei jeder unpassenden Gelegenheit an das Geschlecht greifende Broker, der er letztlich ist und immer bleiben wird. Auch wenn ...

Mit freundlichstem Lächeln, seinem Gegenüber offen in die wasserblauen Augen schauend, entgegnete er jedoch in ausgesuchter Höflichkeit:

»Bitte, lieber Sam, das Essen in diesem Restaurant ist eine Zeremonie. Zerstören Sie die bitte nicht durch Business-Talk. Die Zeit müssen Sie sich einfach nehmen. Darauf bestehe ich. Ich darf Ihnen, meine Herren, ganz besonders den Fisch im schwarzen Mantel aus Trüffelpastete empfehlen. Sie können ihn nirgends auf der Welt in besserer Qualität bekommen.«

Wer am Tisch Nummer 8 sitzt und speist, muss in der Tat Zeit mitbringen. Viel Zeit, denn der Chefkoch bereitet jedes Detail des lukullischen Genusses für seine exquisiten Gäste höchstpersönlich zu. Und das von Lee bestellte Menü war erlesen. Ausgesucht von einem Feinschmecker, superb komponiert. Was keiner seiner beiden Gäste wusste, war, dass er die Gänge bereits am Vortag mit dem Sternekoch abgesprochen hatte und ihm das Hotel gehörte, auch wenn es den Namen einer US-Kette trägt, die es für ihn managt.

Für Sunrise war die überflüssige Prozedur indes eine unglaubliche Zumutung, war er doch immer in Eile. Burger sind halt schneller runtergeschlungen. Er war ein Gehetzter. Sein Job nahm ihn total gefangen, zu viele Dinge musste er ´speichern´, verwalten, dirigieren. Wo er auftauchte, entstand Nervosität, Unruhe, Hektik. Durch ihn fühlte sich jeder unter zeitlichen Druck gesetzt.

Below hingegen, der Russe mit den französischen Manieren, war da aus anderem Holz. Ein Genussmensch. Obwohl er schlank war und man es ihm nicht gleich anzusehen vermochte. Er genoss wirklich jeden einzelnen Gang des scheinbar ewig währenden Acht-Gänge-Menüs und freute sich schon jetzt auf den abschließenden Besuch der Grappa-Bar, die direkt rechts an der Seite des Sternelokals ihren Platz hat. Die Grappa-Bar im Langham sollte absolut exquisit sein. Das hatten ihm Geschäftsfreunde in Europa erzählt, denn er war das erste Mal in dem Hotel zu Gast. Wenn ein einziger Schnaps – die Bar hatte über zweihundert Grappasorten – bis zu achthundert Dollar kostet, dann würde das etwas ganz Besonderes sein. Die Reise stand schon jetzt unter einem guten Stern, entschied er beim Dessert.

Nicolai Below musste auf seinen Grappa lange warten, denn nach dem Dessert eröffnete Sir Lincoln Lee ohne Einleitung das Gespräch, für das die Herren zusammengekommen waren. Eine der Stärken des Hongkong- Chinesen, dessen Vater amerikanisches und mexikanisches Blut in den Adern hatte. Lees Mutter war eine gebürtige Festland-Chinesin, die sich in den fünfziger Jahren nach Hongkong abgesetzt hatte. Keiner konnte damals ahnen, dass der Lauf der Geschichte anders verlief als gedacht, sie unfreiwillig von ihrem Schicksal eingeholt worden war und nun wieder Rotchinesin ´mit Sonderstatus´ sein musste ...

»Wie weit sind Sie gekommen, Sunrise?«

Lincoln Lee, der Geldaristrokat par excellence, mit flinkem, intelligentem Blick, breitflächigem, ein wenig indianisch anmutendem Gesicht und hohen Wangenknochen, einer randlosen, schmalen Brille auf der für einen reinrassigen Chinesen zu großen Nase, konnte sich nicht überwinden, „Mister“ Sunrise zu sagen. Eine seiner wenigen kleinen Schwächen im Business. Er musste die Menschen – auch wenn Sam Sunrise zu den reichsten Amerikanern gehörte, die er kannte – spüren lassen, dass er, Sir Lincoln Lee, der Tai-Pan war, der uneingeschränkte Boss. Nicht nur an diesem Tisch. Die britische Königin hatte ihn vor vierzehn Jahren, kurz bevor Ihre Majestät den Stadtstaat geräumt hatte, gewiss nicht aus Versehen in den Adelsstand erhoben. Schließlich beschäftigte Sir Lee allein in seinen Niederlassungen in Großbritannien mehr als hunderttausend Menschen. Ob die Queen das wusste ...?

Sam Sunrise, der gemütlich ausschauende, übergewichtige und grobschlächtig wirkende Texaner mit den buschigen Augenbrauen über seinen für den massigen Kopf zu klein wirkenden braunen Wieselaugen, blickte Lincoln Lee herausfordernd an. Er schnalzte noch einmal mit der Zunge, denn das Essen hatte ihm gar nicht so übel geschmeckt, wenngleich ihm zum Fisch eine fette Marinade gefehlt hatte und fast alle Gerichte zu wenig gesalzen waren, wie er meinte.

»Weit, sehr weit, Mr. Lee. Ich habe über meinen Verbindungsmann in Rom unser Objekt eingekreist. Ein hartes, Zeit raubendes Stück Arbeit. Aber wir haben ihn. Kennen alle seine Verbindungen, dazu seine menschlichen Schwachpunkte, die erst einen gewissen vertraulichen Zugang zu ihm ermöglichten, wenn Sie wissen, was ich meine. Wenn Sie wollen, kann ich gerne ins Detail gehen. Den Rest hat Nicolai für uns erledigt.«

»Danke. Nicht nötig. Sehr gut. Wann?«, Lincoln Lee wandte sich im gleichen Atemzug an den Russen, »wann können wir mit den ersten Plänen rechnen?«

»Unser direkter Partner, über den das Geschäft laufen wird, möchte, was verständlich ist, völlig im Hintergrund bleiben. Der Mann steht in ziemlich exponierter Position und hat zu Recht Angst, man könnte ihn, durch welchen dummen Zufall auch immer, in einen Zusammenhang mit unserem Geschäft bringen. Dann wäre nicht nur seine exzellente politische Karriere vorbei. Und gerade auf die bauen wir in Zukunft, wie Sie wissen. Von ihm erwarten wir uns noch eine ganze Menge, deshalb sollten wir ihn mit unserer – wichtigen – Aktion nicht verbrennen. Ansonsten wäre es kein Verlust, menschlich, meine ich. Leider hat der finanziell überhaupt keine Probleme, so dass der Aspekt Geld für ihn nicht der ausschlaggebende Grund ist, für uns tätig zu sein. Wir müssen ihn sozusagen mit Samthandschuhen anfassen und seine persönlichen Beweggründe und Ziele, bei dem Game mit uns mitzuspielen, akzeptieren. Will sagen: Es ergibt nicht viel Sinn, ihn nach der Lieferung verschwinden zu lassen. Die ganze Geschichte ist insgesamt sehr brisant, wie ich meine. Wir können nicht vorsichtig genug agieren. Das gilt für uns alle, Sir Lee. Ob Sie wollen oder nicht: Sie müssen mir vertrauen und mit mir als Verhandlungspartner vorliebnehmen. Ich darf Ihnen, bei aller Euphorie, die angebracht zu sein scheint, sagen, dass es außer Ihnen noch etliche weitere Interessenten gibt, die bereit sind, blind in mich zu investieren.«

Below machte eine ausgiebige Kunstpause, um sich noch besser in Szene zu setzen und fuhr fort: »Dennoch – keine Angst. Zum jetzigen Zeitpunkt wissen die anderen noch nicht, worum es sich bei meinem Angebot explizit handelt. Ich habe denen die Perspektiven, die sich aus dem Erwerb des Materials ergeben, oberflächlich aufgezeigt und die Größenordnung der notwendigen Investition angedeutet. Das hat den Gruppierungen genügt, um definitiv kaufen zu wollen. Um einen ehemals potenziellen Mitbieter im östlichen Teil Europas brauchen Sie sich allerdings keine Sorgen zu machen. Mein neuer Herr und Gebieter, das große Russische Reich, kommt als Käufer nicht in Frage. Der Regierung ist, wie Sie wissen, der Dollar seit geraumer Zeit ein wenig knapp geworden. Auch wenn der IWF Milliarden in Russland pumpt, die Worldbank stets mit großen Summen behilflich ist und die EU gewillt ist, immer und immer wieder in das russische Fass ohne Boden Billions of Dollars zu stecken. Natürlich geschieht das still und heimlich, denn die Welt kann ja sehen, dass das Land auf Grund seiner unermesslich großen, natürlichen Ressourcen im Geld schwimmen müsste. Doch wie wir wissen, ist das leider nicht so. All das schöne Geld, inklusive der Subventionen der Weltgemeinschaft, landet zu fast einhundert Prozent in den Taschen der regierenden Mafiosi-Gruppen und nicht beim Volk oder in unserer Wirtschaft. Und dann schließt sich der Kreis, wie wir wissen, und das Geld verschwindet in der Schweiz, auf den Caymans, auf Zypern oder sonst irgendwo und landet letztlich doch wieder im Westen. Da, wo es herkam. Es hat nur den Besitzer gewechselt. Vorwiegend in Europa werden die Milliarden dann von den Oligarchen in Industriebeteiligungen, Immobilien und sonst wo investiert. Ein bizarrer Kreislauf des Geldes, der immer zu Lasten der dumm gehaltenen Bevölkerung in den wohlhabenden Ländern der westlichen Hemisphäre geht. Die werden, dank der endlosen Steuerschrauben, gegen die sich leider kein Mensch mehr zur Wehr setzt, zur Kasse gebeten. Es sei denn, wir würden mit finanzstarken Kreisen unserer eigenen, in Rohstoffquellen investierenden Mafia in Russland zusammenarbeiten, die wir aber nur noch zu einem geringen Teil kontrollieren. Da hat seit geraumer Zeit der kleinwüchsige, einst in Dresden tätige ehemalige KGB-Spion die Hände drauf. Aber der wäre als Partner für uns alle ein zu großes Risiko, aus den verschiedensten Gründen. Es besteht kein Grund, Sir Lincoln Lee, an meiner Loyalität Ihnen gegenüber zu zweifeln.« Below nahm einen kräftigen Schluck Rotwein, ein 1964er Rothschild, und redete ansatzlos weiter: »Da die Sache sehr, sehr delikat ist, befürchte ich, es kann trotz der vorzüglichen Absicherungen Probleme geben. Wir müssen alle, Sie, Sir Lee, Mr. Sunrise und ich – meinen eigentlichen Dienstherren wollen wir dabei nicht völlig außer Acht lassen – sehr kontrolliert, konzertiert und vorsichtig vorgehen.«

»OK. Verstanden. Was bekomme ich zuerst geliefert?«

Sir Lincoln Lee übernahm wieder die Gesprächsführung.

»Sie sagten, Below, dass Ihr Informant mehrere verschiedene Patente liefern kann. Bevor ich zu größeren Zahlungen bereit bin, sollten meine Experten die Möglichkeit haben, die Patente prüfen zu können. Ich kann verstehen, wenn Ihr Lieferant die Katze nicht aus dem Sack lassen will. Dennoch benötigen wir vor weiteren Zahlungen prüfbare Fakten. In diesem Business wird zu viel betrogen, könnten zu viele Fakes angeboten werden. Ob mit oder ohne Patent. Obwohl ich aufgrund der Quelle von der Hochkarätigkeit der Erfindungen absolut überzeugt bin. Aber meine Milliarden – und die von Sunrise – werde ich nicht einfach so verschleudern. Ich verdiene mein Geld hart.«

Das konnte man so und so sehen. Sir Lincoln Lee war neben seinen weltumspannenden Industriebeteiligungen der größte Immobilienspekulant im gesamten asiatischen Raum. Durch geschicktes Taktieren gehörten ihm fast alle wichtigen Gebäude in Seoul, natürlich ganze Hochhäuser-Straßenzüge in Hongkong, dazu massenhaft Immobilien in Shanghai, Manila, Peking, Kuala Lumpur und ebenso selbstverständlich einiges in Metropolen wie London, Moskau, Paris, Taipeh. Wo man halt hingeht, wenn man gute Profite mit Immobilien machen will. Eben nicht nur in die USA. Die mochte Lee nicht. Deshalb hatte er in dem Land nie investiert. Ausgehend von dem schier unglaublichen Immobilienbesitz, hatte er sich – meist durch feindliche Übernahmen – über die Jahre in Schlüsselindustrien in Asien eingekauft, die ihn für etliche Regierungen und Volkswirtschaften zu einem gefürchteten keyplayer der Macht machten. Regierungen fassten ihn mit Samthandschuhen an, denn er konnte mit einem Handstreich manches Erdbeben im Geschäftsleben auslösen. Weltweit. Gegen ihn war George Soros ein Zwerg. Obwohl der und Warren Buffet über Jahrzehnte in den Medien als die Superstars unter den Großspekulanten galten und Soros 1993 sogar die Bank Of England in die Knie zwang, als er auf eine Abwertung des britischen Pfundes setzte. Darauf, dass das Pfund aus dem europäischen Wechselkursmechanismus genommen werde müsse – und damit Recht behielt! Damals verdiente Soros binnen weniger Tage mehr als eine Milliarde Dollar. Aber die Power und Transaktionen des George Soros waren Peanuts gegen die Wirtschaftspower des Sir Lincoln Lee. Was von den am Tisch sitzenden Herren vermutlich keiner wusste: Der Tycoon arbeitete zudem intensiv mit den Japanern zusammen, die immerhin fast ein Viertel der einhundert größten Banken der Erde besitzen und selbst nach dem provozierten Banken-Crash Ende der Neunziger des letzten Jahrhunderts und dem Supergau in Fokushima noch immer sehr mächtig waren und on top vier der fünf weltgrößten Versicherungskonzerne in ihrer Hand hielten. Auch daran war Lee mit immensen Summen zum Teil mehrheitlich beteiligt, was ihm großen Einfluss zusicherte. Wiederum weltweit.

»Ich verstehe.« Below gab sich gelassen. »Davon ist mein deutscher Partner ausgegangen. Er kann, sagt er, vier verschiedene Patente liefern, die letztlich zusammengehören und im Package unglaublich großen Sinn machen, obwohl sie auch einzeln verwendet werden könnten und schon damit die Welt verändern würden. So sagt man. Bei unserem Mann, der der direkte Lieferant ist und der von Rom aus überwacht wird, ist alles okay. Er hat absolut keine Chance aus der Sache auszusteigen. Rom arbeitet autark am zweiten Zugriff zu den Patenten, dafür garantiert Sunrise. Ebenso ist Mr. Sunrise ein autarkes Glied, wie wir wissen. Na ja, und ich sowieso. Niemand der über mich involvierten Leute weiß auch nur ansatzweise, dass wir drei miteinander kooperieren. Der Deutsche kennt nur mich und keinen meiner Partner. Ich bin mir sicher, dass er glaubt, dass ich für mein geliebtes Vaterland arbeite. Wir sind bestens abgesichert, auf alle Eventualitäten vorbereitet. Sunrise´ Mann in Rom wiederum weiß lediglich, dass er den Mann in München umfassend beschatten muss. Das ist sein Job.«

»Der Römer«, fiel Sam Sunrise dem Russen ins Wort, »ist intelligent, skrupellos und clever. Aber ich verbürge mich für ihn. Wir kennen uns seit Jahrzehnten und können uns gegenseitig einschätzen. Er ist finanziell nicht stark, aber dennoch unabhängig. Der Mann ist ein ehrgeiziges Arbeitstier und uns nur deshalb behilflich, weil uns beide eine alte Freundschaft miteinander verbindet. Und weil ihm das Thema Spaß bringt. Die, die wir involviert sind, haben ja anderes im Auge und das geht den Illuminaten stark auf den Sack, darauf können Sie getrost einen lassen, hähähä!«

Below und Lee hielten kurz die Luft an, ob Sunrise´ primitiver Ausdrucksweise und auch wegen der so nebenbei erwähnten Illuminati. Die Cleverness und den absolut fehlerfrei arbeitenden, praktischen Intellekt des Spekulanten unterschätzten sie keineswegs. Nicht umsonst war er im Laufe der Jahrzehnte zu einem der reichsten Männer der USA avanciert. Vorbei an Warren Buffet und Bill Gates, ohne dass es die Finanzwelt bemerkt hätte. Sam Sunrise war ungemein vorsichtig, wenngleich er sich einer vulgären Sprache bediente. Das war Methode, lenkte von seiner Intelligenz, von seinen eigentlichen Vorhaben ab. Der Amerikaner verfügte über eine exzellente Spürnase und ging ziemlich uneitel durch das Leben. Sunrise´ Unternehmungen waren genial miteinander verwoben. Ineinander und miteinander verschachtelt, aber in einer Art und Weise, dass es für Außenstehende unmöglich war, sich einen kompletten Überblick zu verschaffen. Nicht einmal die Führungskräfte einzelner Firmen aus seinem Imperium waren sich dessen bewusst. Sunrise beschäftigte mehr als zwanzig Anwaltskanzleien rund um den Globus, doch selbst die kannten immer nur die Firmen, die sie selbst betreuten und wussten nichts von dem ´Rest´. Und jeder Teilbereich war schon gewaltig genug, um die Anwälte in Ehrfurcht vor ihm erstarren zu lassen. Über das gesamte Konglomerat an Firmen, die dem Texaner gehörten, konnte nur ein Mensch Auskunft geben: Sam Sunrise. Schriftliche Dokumentationen über seine Holding, die nur einen Aktionär hatte, Sunrise, existierten nicht. Denn dank seines eidetischen Gedächtnisses, über das nur 0,001 Prozent der Menschen verfügen, waren alle relevanten Details und Zusammenhänge seiner Firmen ausschließlich in seinem phänomenalen Gehirn gespeichert.

Sunrise hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die wichtigen Fakten zu seinen Firmen wöchentlich auf jeweils einem durchnummerierten DIN A 4-Blatt handschriftlich festzuhalten. Nach einem für ihn einfachen Zahlensystem waren dadurch alle wichtigen Vorgänge der Unternehmen in seinem genialen Gehirn perfekt abgespeichert, so dass er sich den jeweils aktuellen Stand in Sekundenbruchteilen abrufen und dabei Jahre zurückgehen konnte, ohne dass sich jemals ein Fehler einschlich. Hatte er sich die neu hinzugekommene, aktuelle Grafik eingeprägt, wurde das Blatt sofort verbrannt. Es fehlte jeder schriftliche Beweis, der Zusammenhänge seines riesigen Besitztums aufdecken konnte und wer hinter den unzähligen Einzelfirmen mit fingierten Eigentümern steckte. Kein Computer, in dem etwas zu finden war, kein Safe, in dem Unterlagen über die Verflechtungen zu finden sein könnten. Es gab nur Sunrise´ unbestechliches Gedächtnis. Seine eigene Cloud ...

Gefährlich. Genial.

»Meine Herren«, ließ sich die dröhnende Stimme von Sunrise nach einer kurzen, verschreckten Pause, die durch das Einbringen der Illuminati in das Gespräch eingetreten war, vernehmen, »lassen Sie mich einen kurzen Exkurs in die geheime Welt der Illuminati und die des Geldwesens geben. Und da meine ich nicht die bewusste Verblödung durch Dan Brown, der die Illuminaten darstellt, als seien sie eine kleine Sekte, die den Vatikan stürzen möchte, hahaha!! Das ist lächerlich! Vieles werden Sie über die wahren Hintergründe und Herrscher bereits seit langem vermuten und/oder wissen, schätze ich mal. Dennoch möchte ich meine jahrelangen Recherchen zusammenfassen, denn all das hat letzten Endes mit unserem geplanten Geschäft und unserer Vision zu tun. Je mehr Sie wissen – wir wissen! – umso sicherer können wir an unserem Plan arbeiten. Schütteln Sie nicht den Kopf, auch wenn Sie manches nicht für möglich halten wollen und das Kotzen kriegen. Und auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, und dass Sie einen eigenen, vielleicht etwas anderen Wissensstand haben, halte ich es für unabdingbar, dass wir uns gegenseitig umfassend informieren. Für unsere gemeinsame Sache. Außerdem glaube ich, dass Sie ein Recht darauf haben, meine Haltung zu kennen.«

Leichtes Räuspern, ungläubige Blicke und dennoch konnte man die augenblickliche Spannung in den Gesichtern der Herren erkennen.

Sunrise nahm noch einen Schluck Wasser, ging sichtlich in sich. Die Sekunden der völligen Konzentration benötigte er, um aus seinem Gedächtnis die richtige Schublade zu öffnen, die er zum Thema Illuminaten vermutlich bis zum Rand voll gespeichert hatte. In dem Moment, wo er zu seinen Ausführungen ansetzte, kam der Fahrer von Sir Lee schnellen Schrittes an den Tisch, beugte sich über den Tai-Pan und flüsterte ihm in Mandarin aufgeregt etwas zu. Ungewohnt hektisch, bleich geworden, schnellte Sir Lee hoch:

»Meine Herren, wenn Sie mich einen Augenblick entschuldigen wollen« – und verschwand ohne eine weitere Erklärung mit kleinen, wieselflinken Schritten.

»Das kenne ich von dem Mann nicht«, brummelte Sunrise vor sich hin. Below schaute Lee überrascht hinterher. Der Tai-Pan war für seine ruhige, ja lässige Attitude bekannt. Dass ein Mann wie er sichtlich aus der Fassung gerät, bleich wird und fast fluchtartig das Treffen verlässt, war eine neue Erfahrung für die beiden Füchse. Der Exkurs zum Thema der Illuminaten war für den Moment geplatzt und die Herren wussten nicht, worüber sie jetzt reden sollten. Zu unterschiedlich waren ihre Charaktere.

»Meinen Sie, Sunrise, dass es bei ihm Probleme gibt, unsere Sache betreffend?«, versuchte der Geheimdienstmann die Situation ein wenig aufzulockern.

»Sie sind doch der Schnüffler vom Dienst, Below, hähäha,« überreagierte Sunrise lautstark, um seine eigene Nervosität zu übertünchen. Es musste etwas Außergewöhnliches, nichts Gutes verheißendes geschehen sein, dass Sir Lee sie allein sitzen ließ. Ihre Treffen liefen immer hoch professionell und ohne jegliche Unterbrechungen ab.

Schweigen am großen, runden Tisch.

Die Geräusche des Restaurants nervten plötzlich. Gabel auf Porzellan, Glas an Glas, Teller auf Teller, Schritte, Gesprächsfetzen ...

»Entschuldigen Sie, meine Herren.«

Noch immer blass und atemlos kam der Chinese nach wenigen Minuten zurück an den Tisch. Setzte sich mit fahrigen Bewegungen; zwei Augenpaare, die ihn neugierig musterten.

»Es hat soeben eines meiner Hochhäuser erwischt. Ähnlich wie seinerzeit in New York die Twins. Der Lee-Tower in Seoul ist von einem echten Flugzeug getroffen worden. Vierundzwanzigtausend Menschen sind in höchster Lebensgefahr, wenn nicht zum Teil schon tot. Wir arbeiten dort rund um die Uhr mit vollem Personal. Eine Boeing 757 raste in Höhe des achtundzwanzigsten Stockwerks in den Turm, der mit über 600 Metern zu den höchsten Bauwerken der Erde zählt. Ein Flugzeug allein kann den Schaden nicht anrichten, von dem mir von meinem Management berichtet wurde. Dazu ist der Lee-Tower zu solide gebaut. Solider, als die Twins von New York und schon dort war es aus statischen Gründen unmöglich, mit Flugkörpern aus Aluminium diese Türme zum Einsturz zu bringen. Es müssen Bomben an Bord der Maschine gewesen sein oder so etwas Ähnliches. Und bei mir in Seoul? Keiner weiß, ob das ein Anschlag ist oder ein Unfall. Wir müssen abbrechen, meine Herren!«

»Kann es sein, dass der Anschlag auf eines Ihrer Wahrzeichen Ihnen persönlich gilt?«, fragte der Texaner, selbst ganz steif und kerzengerade auf seinem Stuhl sitzend, während Below tief in Grübeleien versunken schien.

»Oder hat es mit unserer Sache zu tun? Sind wir zu blauäugig an die feindliche Übernahme der Patente gegangen? Stehen Mächte dahinter, über die ich gerade dozieren wollte?«, ergänzte ein völlig anderer Sunrise, jetzt leise, plötzlich sensibel wirkend, mehr in sich hineinsprechend als zu seinen Tischpartnern.

»Ich weiß es nicht! Ich weiß es beim besten Willen nicht. In den Minuten des Schreckens laufen Bilder in mir ab. Meine ganze Karriere geht mir durch den Kopf und die Frage: Gilt das mir, gilt es meinem Konzern, meiner politischen Haltung. War es ein Unfall, ist es eine Warnung für das, was wir vorhaben. Wer kann geplaudert haben, wer steckt dahinter. Haben Sie damit zu tun, meine Herren? Wer weiß noch von unserem Vorhaben? Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben extrem verunsichert. Es ist schrecklich. Und ich sitze hier und kann nichts machen. Rein gar nichts. Die Airline sagt, es gab keinen Hinweis auf eine Flugzeugentführung, aber das besagt gar nichts.«

Below blickte auf, schaute Sir Lee lange in die Augen: »Ich denke, dass es Sie persönlich betrifft. Es ist das einzige Gebäude aus Ihrem Immobilienbesitz, das Ihren Namen trägt. Das ist ein Anschlag und ein Zeichen, glauben Sie mir. Ich bin soeben alle Verbindungspunkte zwischen uns, unseren Partnern und der Sache, an der wir arbeiten, durchgegangen. Wenn die Chip-Technologie das kann, was wir glauben, dann versuchen wir, mit der heißesten Ware auf der Erde zu dealen. Ich versuche, die Kräfte zu orten, die ebenfalls mit von der Partie sind. Vielleicht haben wir alles zu lax gesehen ...«

Keiner der beiden Herren antwortete. Jeder ging seinen Gedanken nach, versuchte zu kombinieren und Sir Lee befand sich, so hatte es den Anschein, in einer leichten Apathie.

»Ich habe«, ergriff Below erneut das Wort, um vom Geschehenen abzulenken und sich und seine Tischpartner zu beruhigen, »in unserer Behörde, dem FSB – den Namen KGB hört man ja nirgends mehr gern, obwohl er fälschlicherweise noch immer kursiert und sich in der Art unserer Arbeit nichts verändert hat – unser IBM-Kraftwerk >The Beast III< befragt und so manches über unseren deutschen Lieferanten herausgefunden, was von Wichtigkeit sein kann, falls er es sich doch noch anders überlegen sollte und nicht mit uns zusammenarbeiten will. Die ´Bestie´ hat alles über ihn gespeichert. Kein Fliegenschiss, der dem Großhirn entgehen würde. Alle Bewegungen, alle Finanztransaktionen, alle Flüge, alle Fahrten mit dem Auto, natürlich alle Telefonate, Faxe, E-Mails, SMS und so weiter. Wir haben, glauben wir, wirklich jedes Detail über ihn. Ob privat oder von seinem Ministerium. Mit Ausnahme der Dates, die wir in den letzen Tagen noch nicht dechiffrieren konnten, ist er für mich durchsichtig. Ein offenes Buch.«

»Wenn der Mann hinter dem Anschlag in Seoul steckt – wenn es denn einer gewesen sein sollte –, wissen wir es bald. Aber das macht keinen Sinn. Dafür ist der zu klein. Unwichtig.«, schaltete sich noch einmal der Texaner ein, dabei vor Nervosität unaufhörlich mit der Zunge schnalzend, als ob ihm noch ein Essenrest zwischen den Zähnen klemmte. »Ich würde über meinen Mann in Rom sofort informiert worden sein. Der wiederum ist bestens verknüpft, besser als ihr dämlicher Großrechner in Moskau rechnen kann, Below, glauben Sie mir. Und der Mann in Rom ist mir gegenüber total loyal. Dafür verbürge ich mich. Der Deutsche kann es nicht sein. Mein Lieferant weiß, dass wir unser Münchener Objekt direkt angehen könnten. Denn, wie gesagt, über die Person, die die Patente federführend bearbeitet, wissen wir inzwischen ebenfalls alles. Aber das wäre der ausgesprochene Notfall. Das machen wir nicht. Wir kennen und befürworten die Loyalität seinem Dienstherrn gegenüber. Die hat er über viele Jahre bewiesen, war bisher selbst lukrativen Angeboten gegenüber immun! Deshalb sollten wir unsere internen Absprachen einhalten.«

»Meine Herren, ich danke Ihnen«, unterbrach Sir Lee den vor sich hin plappernden Sunrise, der sich wohl selbst beruhigen wollte. »Lassen Sie uns weiter mit Hochdruck an dem Erwerb der Technologie arbeiten. Ich glaube, wir sind heute dennoch ein gutes Stück vorangekommen und ich werde meinerseits an die Vorbereitung der nächsten Schritte gehen. Binnen der nächsten vier Wochen erwarte ich Ergebnisse, das heißt, die ersten Mikrofilme mit den Patenten. Sie erlauben, dass ich mich von Ihnen verabschiede und mich um mein Problem kümmere.« Sir Lee hatte seine gewohnte Lässigkeit zurückgewonnen und war jetzt wieder ganz der große Tai-Pan, trotz des entsetzlichen Unglücks oder Anschlags. Die nächsten Stunden würden zeigen, ob der Absturz ein trauriger Zufall war, oder ob die Illuminaten ihnen näher auf den Fersen saßen, als sie es annehmen wollten. Oder ob ein weiterer Player hinzugekommen war. Dass es islamische Terroristen sein könnten, die dafür verantwortlich zeichnen, darüber wollte er zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachdenken. Zu absurd.

»Gestern habe ich auf das abgesprochene Konto drei Millionen Schweizer Franken überweisen lassen, damit der Mann in Rom für die nächsten Wochen weiterhin beweglich bleibt.« Sir Lee erhob sich, nickte flüchtig und ging schnellen Schrittes mit leeren Augen in ein Nichts schauend aus dem Lokal.

Der Schock saß tief in ihm.

Anonymous 2

„Glaubst du, 666 Nr. achtzehnviervier, dass sich der Intellekt bei dem Ding so formen wird, wie wir es geplant haben? Ist es vielleicht nicht doch zu stark in sich selbst? Ich beobachte es ueber unsere Laeufer nun schon seit Tagen. Es fuehlt sich ganz normal an. Man merkt nichts. Rein gar nichts. Keine Reaktion. Das bereitet mir Sorgen“

„Ja, das ist mir auch aufgefallen, 666 Nr. elfeinundzwanzig. Ich vergleiche die Messdaten mit unseren Berechnungen und registriere keinerlei Ausschlaege, wie ich sie erwartet haette. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Das verbluefft, nicht wahr?“

„Worauf deutet das deiner Meinung nach hin?“

„Im schlimmsten Fall haben wir total versagt - im besten Fall ist das Ergebnis einfach genial.“

„Na ja, ganz versagt haben wir sicher nicht, mein Freund und Kollege! Dann waere das Ding binnen weniger Minuten einfach verendet. Verlass dich darauf! Weisst du, ich mache mir eher Gedanken, ob wir nicht vielleicht doch den HS-Strang, der die Sexualitaet lenken und kontrollieren wird, noch staerker haetten anlegen sollen. Das interessiert mich einfach: Wie reagiert das Ding in Bezug darauf!“

„Du mit deinem Tick, was die Sexualitaet angeht. Mich interessiert viel mehr, wie es das Ego des Dinges beeinflusst. Rundherum. In allem. Nicht nur den gemeinen Trieb. Das will ich wissen. Alles, alles, alles. DARAUF bin ich ganz heiss! Wieweit veraendert es seinen Intellekt, seine Denkfaehigkeit noch?“

„Keine Angst, mein Freund, die Daten hast du bald. Und was die Voegelei angeht, wie du es manchmal flapsig zu nennen pflegst: sie ist ausschlaggebend fuer Generationen, die wir in den Griff bekommen wollen. Verlass dich auf meinen Instinkt: Es wird! Wir werden sensationelle Ergebnisse erzielen. Selbst bei dem Prototyp!“

≠≠

DU GEHÖRST IHNEN.

Подняться наверх