Читать книгу DU GEHÖRST IHNEN. - Dankmar H. Isleib - Страница 8
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WIR LEBEN IN PARALLELWELTEN.
ZEIT GIBT ES NICHT.
SIE IST EIN MECHANISCHES HILFSMITTEL,
UM NICHT DEN ÜBERBLICK ÜBER DAS LEBEN ZU VERLIEREN.
DOCH WIR KÖNNEN DEN RAUM KRÜMMEN,
VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS,
AUFWÄRTS UND ABWÄRTS
SEITWÄRTS UND SEITWÄRTS SCHAUEN
NUR MÜSSEN WIR ES ERST NOCH LERNEN. UND DANN VERSTEHEN ...
Danis
Frankfurt a.M.,
in der Nacht nach dem Konzert.
Franco Mignello saß schon weit über eine Stunde am Telefon. Telefonierte in seiner einmaligen Art mit Gott und der Welt. Das heißt, weniger mit Gott als mit der Welt. Und es waren, genau genommen, nur drei Personen, mit denen er parallel korrespondierte. Sie standen ihm menschlich nahe, auch wenn sie sich weit voneinander entfernt in verschiedenen Zeitzonen aufhielten.
In seiner Suite im Steigenberger Hof, die direkt neben der Suite von Stella Henderson lag, lief der Fernseher auf voller Lautstärke. Natürlich MTV, denn im Leben des Dr. rer. nat. Dr. jur. Franco Mignello gab es nur zwei echte Prioritäten:
Musik ... und Stella.
Und für den Augenblick das Telefon. Sein wichtigstes Kommunikationsmittel, durch das ihm gerade Informationen übermittelt wurden, auf die er schon mehrere Tage gewartet hatte und die er in Sekundenschnelle koordinieren musste. Zwei weitere Handys lagen neben dem Fernseher; Choe Chur in Tokio musste die neue Ballade der längst zahm gewordenen, aber noch immer Millionen Fans bedienenden Mutter Madonna ebenso über sich ergehen lassen wie James Waltham in Toronto. Für beide ein absolut widerwärtiger, ihrem Geschmack diametral entgegengesetzter ´Genuss´. Ein Affront. Die Herren respektierten das Übel. Denn Dr. Franco Mignello hatte darauf bestanden, dass sie in der Konferenzschaltung gefälligst »am Rohr« blieben, wie sich der Youngster auszudrücken beliebte.
»Kannst du mir wirklich bestätigen«, brüllte Franco dem dritten Partner, Zamko Wendrowu, den er in Bukarest aus dem Bett gerissen hatte, in den Hörer, denn die Qualität der Verbindung nach Rumänien war zumindest heute über die Hotelleitung mehr als dürftig, »dass Stella davon gewusst haben kann? Ist jeder Irrtum ausgeschlossen?«
»Natürlich, Franco. Der Botschafter hat mir bestätigt, dass sie in Dallas mit S. zusammen war, die ganze Nacht. Die haben einen Mitschnitt des Gesprächs. Du willst gar nicht wissen, was da ablief. Die ganzen Sauereien wurden anschließend wieder rausgeschnitten. Vergessen wir das, oh Pardon. Ich weiß, wie du zu ihr stehst, aber ... nun gut: Das Ergebnis war eindeutig. Der Para-Konzern erhält über Joe Wood seine Informationen. Es geht verdammt verschlungene Wege und wie die Araber da mit drinhängen, kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Nur so viel: Bagdad scheint involviert zu sein. Wir wissen in diesem Augenblick noch nicht genau, um welche Thematik es geht, denn mit Rauschgift, wie wir anfangs vermuteten, hat die ganze Sache absolut gar nichts zu tun. Eher mit Elektronik. Denn du weißt, womit sich der Para- Konzern beschäftigt. Elektronik, Militärtechnik, Prozessorentechnologie. Die Rolle von S. gilt es noch zu analysieren. In Zusammenhang mit Wood und dem Para Konzern. Auch das weißt du, mein guter Freund.«
»Mr. Waltham, haben Sie gehört? Ach nein, entschuldigen Sie bitte. Sie haben mit großer Freude, glaube ich, Madonna in ihre Lauscher eindringen lassen müssen. Tut mir leid.«
Waltham antwortete mit einem tiefen Atemzug.
»Also«, fuhr Franco fort, zwischenzeitlich den Hörer von seinem Gesprächspartner in Bukarest auflegend, ohne mit Wendrowu noch ein Wort gewechselt zu haben. »Wood scheint unser Mann zu sein. Er und Sunrise kennen sich. Das ist nach den soeben erhaltenen Informationen eindeutig. Bitte lassen Sie ihn auf meine Kosten rund um die Uhr von Ihren besten Leuten überwachen. Ich muss wissen, ob er auch mit den Russen in Verhandlungen steht, nicht nur mit den Bossen des Para- Konzerns in Rio. Wir müssen schnellstens erfahren, worum es überhaupt geht, denn noch tappe ich im Dunkeln. Ebenfalls scheint Bagdad involviert zu sein. Was das soll, kann ich gar nicht einordnen. Es ist zwar ganz schön zu wissen, wer die Mitspieler in dem Abenteuergame sind, aber noch besser wäre es zu erfahren, womit die sich eigentlich beschäftigen. Uns fehlt noch immer der richtige Ansatz ...«
»Okay, Doc. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
»Ich danke Ihnen, Doktor Waltham. Und denken Sie bitte daran, dass meine Liebe stets Priorität hat!«
»Wie könnte ich das vergessen!«
Dr. James Waltham, ein begehrter international agierender Wirtschaftsanwalt in Toronto, war von seinem Madonna-Alptraum erlöst. Mit ihm arbeitete Mignello seit geraumer Zeit zusammen. Da es sich bei dem Para-Konzern mit seinen Headquarters in Rio de Janeiro um einen der größten Konzerne für Militärtechnik handelte, von dem man nicht wusste, wer die Eigentümer sind, da alles unglaublich geschickt verschachtelt aufgebaut war, hatte Franco sich mit der Bitte um Hilfe an Dr. Waltham gewandt.
Der Tag des kanadischen Vivaldi-Fans endete durch die soeben erhaltene Nachricht seines Klienten gut. Sie würde ihn in seinen Recherchen ein ordentliches Stück voranbringen. Jetzt mussten nur noch seine Mitarbeiter gute Arbeit leisten. Waltham war froh, dass sie sich allesamt doch nicht getäuscht hatten, dass es eine konkrete Verbindung zu Wood gab. Und zu Sunrise.
»Können Sie mir sagen, warum Sie die schreckliche Musik so laut in meinen Hörer donnern lassen müssen?!«, meldete sich zum dritten Mal vergeblich Choe Chur mit rauer, bellender Stimme. Der Japaner hörte am liebsten Mahler und Bruckner auf seiner 100.000-Dollar-Hifi-Anlage und war genervt. Franco hatte das Handy auf dem Fernseher abgelegt. Aus dem dröhnte in entsetzlich verzerrtem Sound Aerosmith, die nach wie vor erfolgreichen US-Uralt-Rocker, die längst ihre hauseigenen Face-Lifter und Haarfärbe-Spezialisten beschäftigten, um für die Kids noch einigermaßen cool auszusehen. Älter werden ist halt für manch ein gestandenes Mannsbild, wie Steven Tyler zum Beispiel, nicht ganz einfach ...
In Wahrheit hatte Mignello jr. den Japaner nicht vergessen. Doch er interessierte sich für den neuen Song von Aerosmith, den er zum ersten Mal hörte. Was sich darin äußerte, dass er mit der Fernbedienung dem Fernseher das Letzte an Lautstärke abverlangte. Außerdem kombinierte er bei Rockmusik am allerbesten. Auch wenn ihm der Schlagzeuger von Aerosmith noch nie richtig gefallen hatte und er der Meinung war, dass der doch recht simpel spielte und schleppte, was den groove einer Nummer anging. Franco freute sich jedoch darüber, dass die Band, trotz dessen Mittelmäßigkeit, seit nunmehr über vierzig Jahren an ihm festhielt. So wie die Stones an olle Charlie. Treue hat was für sich. Und der Song kam trotzdem gut. Hat halt ne geile Stimme, der Tyler, sinnierte Franco Mignello. Noch konnte er das kompliziert erscheinende Puzzle trotz neuer Informationen nicht zusammensetzen. Nach einigem Zögern griff er zum letzten Telefon und sagte nur knapp: »Ich melde mich morgen früh wieder bei Ihnen. Vielen Dank für Ihr Verständnis, Choe Chur!« und trennte die Verbindung, ohne dass der Japaner die Möglichkeit hatte, zu antworten. Er ließ den Armen mit den Eindrücken des für ihn grässlich klingenden Rocksongs zurück. Für Mr. Chur ein geradezu erschütterndes Erlebnis, wo doch sein Tag so gut begonnen hatte. Mit der Achten, C-Moll, von Bruckner, die neu eingespielte Aufnahme der Wiener Philharmoniker unter Kent Nagano, den er als Japaner natürlich verehrte.
Melancholie machte sich in Francos Gesicht breit, als er endlich zum Nachdenken kam und den Tag Revue passieren ließ. Wegen der eben geführten Gespräche hatte er das Konzert in der Frankfurter Festhalle vorzeitig verlassen müssen. Die Ereignisse ließen ihm keine andere Wahl. Wann hört dieser Wahnsinn nur auf?, fragte sich der sensible Italiener, der seinen ganzen Schmerz mit Arbeit zu ersticken versuchte. Es blieb ein kläglicher Versuch, dessen war er sich bewusst. Auch, dass er nun schon seit fast zwei Jahren beständig vor sich selbst wegrannte. Das war schwach und Franco wusste das nur zu gut. Ebenfalls ein Wegrennen vor sich selbst war sein Job als Manager in Vaters Konzern. Aber wer kann schon über seinen Schatten springen? Noch dazu, wenn der Schatten immer länger wurde? Franco Mignello war verzweifelt ob der für ihn ausweglos erscheinenden Situation. Jeden Tag musste er mit ansehen, wie sich Stella in neue Männergeschichten verstrickte. Wie sehr litt er unter der unerträglichen, ihn mehr und mehr belastenden Situation. Dazu ihre sträflich dilettantische, unvorsichtige Umgangsweise mit dem Verbrechen! Sie erkannte menschliches Fehlverhalten sofort. Gut so. Doch dann ging sie, ohne nachzudenken, wie ein Stier, direkt auf das Übel los. Wenn er mit seiner Power und der Hilfe von Freunden nicht ständig versuchen würde, sie aus der Schusslinie zu nehmen – im wahrsten Sinne des Wortes – wäre sie sicher längst tot.
Und von all dem, was er für sie tat, wie er sie beschützte, ahnte Stella nicht einmal das Geringste ...
Wie kompliziert ist doch die Welt, seufzte Franco in sich hinein.
Anonymous 1
„Was meinst du, hier 666, Nr. elfeinundzwanzig: Haben wir das Ding im Griff oder nicht?“
„Auf jeden Fall, 666, Nr. achtzehnviervier ist das Experiment gelungen, wuerde ich sagen. Wir koennen stolz sein. Etwas Besseres konnte uns gar nicht passieren. Das Ding passt einfach fuer unser Experiment. Genial. Physisch sehr gesund. Stark, athletisch. Das kann ´was aushalten. Mach dir deswegen keine Gedanken.“
„Wenn du meinst. Ich haette gedacht, wir sollten noch am XP-Teil etwas nachbessern. Bekommen wir das von aussen hin, was denkst du?“
„Glaube ich nicht. Dazu muessten wir es noch mal in die Finger bekommen und versuchen, es an den Korrektor zu haengen. Das wird schwer werden. Das Programm ist gut. Sehr gut. Besser als alles andere, was die Kollegen in den USA in den naechsten Jahren entwickeln werden. Darauf kannst du dich verlassen. Ich bin mir da absolut sicher. Es wird uns das liefern, was wir wollen. Das dauert gar nicht lange!“
„Ich weiss, was wir gemacht haben, ist eine wissenschaftliche Sensation. Das kann man, ganz nuechtern betrachtet, wohl so sagen. Letztlich bleibt die Frage der korrekten, kompletten Kontrolle. Die liegt bei uns und wir muessen trotz aller Euphorie sehr darauf achten, dass sie uns nicht entgleitet. Ich moechte auch vorschlagen, dass wir die Software noch einmal bearbeiten und speziell im XP-Sektor angleichen, wo Fehler auftauchen koennten.“
„Einverstanden. Eine zusaetzliche interne Firewall kann nicht schaden, um uns Abweichungen sofort anzuzeigen und dort Schäden zu vermeiden.“
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