Читать книгу Booklove - Daphne Mahr - Страница 7

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Drei

Der Lichtschalter klickte. Einen kurzen Moment blendete die Helligkeit der grellen Neonröhren an der Decke in den Augen. Ich blinzelte und blickte auf das weiße Metallregal, in dem fein säuberlich die Kundenbestellungen standen. Gelbe Post-its mit Namen klebten auf den Buchrücken, alles in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Die meisten Bücher waren noch in eine transparente Folie eingeschweißt. Zaghaft tastete ich mich bis an das Regal vor und versteckte mich dahinter. Links um die Ecke konnte ich direkt ins Büro spähen. Hier lagerte Pa all die Ordner für die Buchhaltung und anderen todlangweiligen Kram, von dem ich absolut keine Ahnung hatte.

Irgendetwas raschelte dort. Es klang, als würde jemand mit hastigen Bewegungen einen Stapel Papier durchwühlen. Beunruhigt hielt ich die Luft an. Mein Herz pochte wie wild, und vor Aufregung durchfuhr mich ein heftiges Zittern. Ganz langsam, ich wollte so wenig Geräusche wie möglich verursachen, drehte ich mich wieder um. Hinter mir stand Leona und presste den Rücken gegen die verschlossene Tür zum Verkaufsraum. Ihr Gesicht war kreidebleich. Ohne Zweifel hatte auch sie gehört, dass gleich um die Ecke jemand herumschnüffelte. Eine falsche Bewegung, ein Ton zu viel, und dieser jemand hätte uns entdeckt. Im Gegensatz zu mir hasste Leona Abenteuer (solange sie nichts mit Jungs und Rumknutschen zu tun hatten). Sie las zwar gerne und träumte durchaus davon, so wie die Helden ihrer Lieblingsbücher in magische Irrungen und Wirrungen verstrickt zu werden. Wenn es dann aber mal tatsächlich ans Eingemachte ging, bevorzugte sie doch eher das stinknormale Leben einer durchschnittlichen Vierzehnjährigen.

Ich legte den Finger vor meine gespitzten Lippen und wisperte: »Du bleibst hier und passt auf, dass niemand durch diese Tür geht.«

Leona nickte hastig. Sie hatte offensichtlich keine sonderlich große Lust, mich bei der Suche nach dem Eindringling zu begleiten. Ich holte einmal tief Luft, um mich selbst innerlich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, und huschte ins Büro. Dort blieb ich abrupt stehen. Einige Ordner lagen offen über den altmodischen Sekretär verteilt und die grüne Schreibtischlampe brannte. Ein leises Surren ging von ihr aus. Doch von dem rätselhaften Monokel-Opa fehlte jede Spur, nur der Drehstuhl mit dem grauen Stoffbezug schwang noch ein wenig, als hätte sich gerade erst jemand mit einer hastigen Bewegung davon erhoben. Ich ließ meine Augen durch den Raum wandern. Unter dem Schreibtisch versteckte sich niemand, mal ganz davon abgesehen, dass der Kerl aufgrund seines Alters vermutlich nicht mehr beweglich genug war, um sich an diese Stelle zu verkriechen. Neben dem Sekretär befand sich ein schmaler, weißer Schrank. Schnell ging ich näher und riss die Türen auf, aber auch hier fand ich nichts, bis auf die händisch beschrifteten Rücken mehrerer Aktenordner. Grübelnd biss ich mir auf der Unterlippe herum. Eine andere Versteckmöglichkeit gab es in diesem Raum nicht. Der alte Mann konnte sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben?

Ich trat an den Schreibtisch und begutachtete die Unterlagen in den aufgeschlagenen Mappen. Nur irgendwelche Bestellungen. Doch dann bemerkte ich ein lila Schillern unter einem der Blätter. Zaghaft streckte ich die Hand aus und lupfte es in die Höhe. Darunter verbarg sich eine Programmvorschau. Der dritte Band der Mitternachts-Trilogie wurde auf der aufgeschlagenen Seite prominent angekündigt. Verwundert nahm ich das kunterbunte Heft.

»Der Zeitenzauber geht in die letzte Runde. Herzschmerz und magische Romantik garantiert!«

Ein gezeichneter blonder Junge tanzte mit einem ebenso blonden Mädchen, während der Kopf eines dunkelhaarigen Jungen mit argwöhnischem Blick aus einem Schrank hinter dem verliebten Paar lugte. Daneben die Inhaltsangabe und eine Abbildung des schnulzigen Covers. Gerade wollte ich die Vorschau wieder weglegen, als mir eine handschriftliche Notiz ganz am Ende der Seite ins Auge fiel. Geschrieben mit blauer Tinte, die sich ein wenig verschmiert hatte. Die Buchstabenführung wirkte insgesamt ziemlich zittrig.

»Lies den Anfang! Heute noch!«

Das war nicht Pas Handschrift. Ein Schauer durchfuhr mich. Erschrocken pfefferte ich das Heft auf den Tisch und beschloss, zu Leona zurückzukehren.

Vielleicht wäre es besser, Pa von der ganzen Geschichte zu erzählen? Immerhin hatte sich hier eine fremde Person herumgetrieben und geschäftliche Informationen durchwühlt. Blieb nur die Frage, ob er mir das alles glauben würde, ich konnte schließlich nichts beweisen. Und er hielt mich für einen Menschen mit – seine Worte – überbordender Fantasie.

Gerade als ich mich umwenden wollte, blieb meine Aufmerksamkeit bei einem weiteren Gegenstand hängen – unmittelbar neben der Programmvorschau lag ein altes, abgegriffenes Buch. Es handelte sich dabei mit Sicherheit nicht um Ware, die versehentlich bei den Unterlagen auf dem Schreibtisch gelandet war. Bei Bücher Grünwald gab es nämlich keine antiquarische Abteilung und dieses Werk hatte definitiv schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel. Der Einband war aus dunkelblauem Stoff. Vorsichtig griff ich danach und las die auf dem Buchdeckel eingeprägte Goldschrift: Das sonderbare Leben des Krötensammlers Korbinian Krötenstaub.

Was für ein beknackter Titel! Bei Gelegenheit musste ich Pa fragen, was das für ein Roman war. Ich legte ihn zurück.

Leona stand immer noch dicht bei der Tür, in der Zwischenzeit war aber wieder etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt. »Und, hast du ihn erwischt?«, flüsterte sie.

Ich schüttelte betreten den Kopf. »Er hat sich aus dem Staub gemacht.«

»Hm, hier ist niemand vorbeigekommen. Gibt es einen anderen Weg?«

Bei diesen Worten erstarrte ich vor Schreck. Natürlich, ich war so dumm! Er war über den Hinterausgang in den Hof abgehauen. Mit etwas Glück konnten wir ihn noch abfangen. »Schnell!«, rief ich und rannte los, dieses Mal dicht gefolgt von Leona. Wir stürmten durch das Büro bis zu dem winzigen Übergang, der zu einer Toilette und anschließend weiter in den Hof führte. Vor der verschlossenen Tür hielt ich an und drückte die Klinke herunter. Es war abgeschlossen. Verärgert rüttelte ich noch einmal und trat dann mit dem Fuß gegen das Holz. Das hier war der einzige Eingang, für den ich keinen eigenen Schlüssel besaß, weil Pa es nicht nötig fand, dass ich jederzeit durch den Hintereingang ins Büro konnte. Geschäftsunterlagen blablabla … Jetzt zeigte sich, wie sinnvoll seine Übervorsicht war.

Leona bückte sich und stützte die Hände auf ihren Knien ab. »Emma, er kann nicht rausgegangen sein. Wie sollte er denn die Tür geöffnet haben?«

»Aber dann muss er noch da sein, es gibt nur diese beiden Ausgä…« Ich hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als ein lauter Knall ertönte. Die Lichter der Neonröhren gingen schlagartig aus. Von einer Sekunde auf die andere standen wir in völliger Dunkelheit. Auch die Schreibtischlampe leuchtete nicht mehr.

»Ein Stromausfall?«, wunderte ich mich.

An einem Tag wie dem heutigen würde Pa eine derartige technische Panne mit Sicherheit völlig aus der Fassung bringen.

Nachdem wir uns durch die Finsternis getastet hatten und ich endlich die Türklinke zum Verkaufsraum niederdrückte, staunte ich nicht wenig darüber, dass es im Kassenbereich vollkommen still war. Bei über hundert Leuten, die während einer Signierstunde von einem Stromausfall überrascht wurden, war das doch ziemlich merkwürdig. Meine Verwunderung wurde noch ein ganzes Stück größer, als ich den Raum betrat und nicht einmal die dunklen Umrisse anderer Personen sehen konnte. Alles schien perfekt aufgeräumt, so wie es gewöhnlich nur der Fall war, wenn Pa bereits Feierabend gemacht hatte und über die Wendeltreppe nach oben in unsere Wohnung gegangen war.

»Wo sind die denn alle?«, flüsterte Leona.

Ich gab keine Antwort, kramte hastig das Handy aus meiner Hosentasche und starrte fassungslos auf den Bildschirm. Es war bereits dreiundzwanzig Uhr. Wie konnte das sein? Bestimmt hatten wir uns nicht länger als eine Viertelstunde im hinteren Bereich des Geschäfts aufgehalten. Wenn die Anzeige aber stimmte, dann waren es in Wahrheit ganze VIER Stunden gewesen. Ratlos schlich ich weiter bis zum gläsernen Eingangsbereich, um das Metallschild zu betrachten, das daran hing. In großen Buchstaben zeigte die Seite mit der Aufschrift »Geschlossen« hinaus auf die Kleegasse. Ich konnte fühlen, wie das gesamte Blut aus meinem Gesicht wich.

Nervös kramte ich in den Seitentaschen meiner Jeans nach dem Wohnungsschlüssel. Noch während ich suchte, schlich ich vorsichtig die Holzstufen der Wendeltreppe empor.

Oben stellte ich verärgert fest, dass ich meinen Schlüssel in all der Eile heute Morgen wahrscheinlich irgendwo in meinem Zimmer vergessen hatte. Er befand sich nicht in meiner Hosentasche und natürlich war der Wohnungseingang abgeschlossen. Ich klopfte laut. »Pa, kannst du bitte öffnen?« Eine Minute verstrich, in der nichts geschah, dann hämmerte ich erneut gegen die Tür. »Hallo, du hast uns eingesperrt!« Wieder nichts. Zaghaft presste ich mein Ohr an die Tür und lauschte. Totenstille. Nicht einmal ein Schnarchen war zu hören. Pa legte sich nach der Arbeit meistens aufs Sofa und las. Aber so laut, wie ich geklopft hatte, hätte er mich dabei garantiert gehört, selbst wenn er eingenickt wäre. Solange er nicht schnarchte, hatte er normalerweise einen relativ leichten Schlaf. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht …

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