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Luvis Aufgabe in der Welt der Lebenden
ОглавлениеWeniger, dass er Furcht vor Nachstellung hatte, nein, es war vielmehr sein Verlangen, sich in den Erinnerungen an seine Familie zu wiegen, das ihn band, ihn schon fast zwanghaft dazu trieb, sich in der Abgeschiedenheit der Wälder auf seinem Wege zum königlichen Hofe Atuks herumzutreiben. Zwar entsann sich der Magier bisweilen noch des bohrenden Blickes in seinem Rücken bei seiner Flucht nach dem Raub auf den Kaufmann und seine Frau, doch: Mit seinen Gedanken und Erinnerungen noch immer in den Gefilden der auserwählt Gefallenen verhaftet, fing der einstige Hoflehrer des vormaligen Elfenkönigs Nekket von Troff I. an daran zu zweifeln, überhaupt jemals vor neunhundert Sonnen verstorben oder klaren Verstandes zu sein: Ob vielleicht eher etwas mit meinen Zaubern während der Kämpfe gegen Mata, das mythische Drachenwesen, und seine verbündeten Dämonen falsch gelaufen ist?, sinnierte Luvi, eher darüber belustigt als ernsthaft damit befasst, dass er sich womöglich in einer ihm angepassten Wahrnehmung befunden hatte und nicht tatsächlich in den Gefilden, dass ihn seine ehemaligen Verbündeten somit einfach – ihn vielleicht tot glaubend – zurückgelassen hätten.
Hier und jetzt aber war seine Beute von größter Bedeutung; der gestohlene „Schatz“ von 1500 Silberlingen war in dieser Zeit ein kleines Vermögen, und den Elfenmagier tatsächlich ausfindig oder gar dingfest zu machen, war – in dessen Erachten – bei seinem Talent ein Ding der Unmöglichkeit. Für ihn war für eine ganze Zeit gesorgt, wenn nicht sogar bis zur Erfüllung seiner Mission, so war’s gut. In Gedanken mit seiner Aufgabe befasst, zweifelte der Elfenmagier bisweilen daran, die an ihn gerichtete Erwartung tatsächlich erfüllen zu können.
Nun befand er sich in einem Waldgebiet unweit der Grenze zu Laileb, dem Land der Zwerge, auf dem direkten Weg nach Godan, in die königlich-höfische Stadt des Königs Atuk – Restru. Luvi fror noch immer erbärmlich und sein Schweiß hatte sich in der Kleidung und dem Hemd mit dem Geruch seines vorherigen Besitzers zu einem widerlichen Gestank verbunden; auch die geklauten, ledernen Galoschen waren bereits vom Schnee durchnässt. Bei der nächstbesten Gelegenheit – aber erst, nachdem er die Grenze zum Land der Menschen, Godan, überquert hatte – würde er sich ein oder zwei neue Gewänder zulegen – nicht, dass Zwerge nicht schneidern konnten, aber der Elfenmagister bevorzugte es, beim Erwerb von Artikeln nicht erst eine kleine Ewigkeit nach seiner passenden Größe forschen zu müssen. Luvi hatte dank seiner Magie die Fähigkeit, sich zeitweise in der Gestalt einer anderen Person – gleich, ob Mann oder Frau – darzustellen, wichtig war einzig, dass die angenommene Täuschung in etwa seiner echten Größe entsprach – so konnte der Zauberer auch kurzfristig inkognito reisen: Da der Elf gute acht Fuß hoch und von sportlicher Gestalt, war es wichtig, nicht noch mehr aufzufallen.
Bei seinem jetzigen Reisetempo und der zu berücksichtigenden Anzahl der bisher eingelegten Rasten würde er die Grenze zu Laileb in etwa einer Woche überqueren. Einleitend hatte er es vermieden, eine andere Fortbewegungsart als die ihm von den Göttern gegebenen seinigen Beine zu verwenden. Verdutzt hielt der Magiemagister einen Verweilmoment lang inne, er hatte unweit in der schneebeladenen Landschaft ein lauteres Knacken und ein Rascheln vernommen: Misstrauisch schaute er sich um, sah jedoch nichts in der näheren Entfernung, außer einer Hirschkuh, die vermutlich im Dickicht auf der Suche nach Nahrung war, dennoch beschlich Luvi ein ungutes Gefühl: Schließlich hatte er bei näherer Betrachtung eigentlich die Aufgabe, entweder Fürst Serktat zu töten oder die Handlungsgeflechte im Kommenden so weit zu zerstören, dass ein erneuter Ausbruch eines „Großen Krieges“ verhindert würde – ein wirklich gefährliches Unterfangen.
Ich bin mir sicher, dass Fürst Serktat im Besitze wirklich guter Seher ist, vielleicht auch ein paar hervorragender Magier oder Zauberinnen – er ist auch ein Elf, und wenn ich Pech haben sollte, steht er direkt unter dem Schutze Oraias, weiß von meinem Vorhaben.
Luvi rieb sich die Schultern, vergewisserte sich noch einmal, dass er nicht verfolgt würde, machte sich dann behände weiter des Weges durch die verschneite und frostige Landschaft.
Der Elf erreichte die erste größere Stadt in Laileb, einen Ort namens Wenstro, nach Ablauf von zehn Tagen.
Es hat sich bei den Zwergen während der letzten neun Jahrhunderte doch viel getan, dachte er, unterweil er sich neu einkleidete: Der Gestank der ihm bisher gehörenden Kleidung war längstens für seine feine, elfische Nase nicht mehr zu ertragen, er musste handeln.
Ich habe noch zehn Monde vor mir, bis besagtes – zu verhinderndes – Treffen zwischen König Atuk und dem Fürsten Serktat stattfinden wird. In Godan angekommen, werde ich mir ein Zimmer mieten und die Situation studieren und überdenken.
Doch so weit sollte es nicht mehr kommen.