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1. EINFÜHRUNG UND ÜBERBLICK

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Emanuel Swedenborg war ein pragmatischer und brillanter schwedischer Wissenschaftler und Philosoph im 18. Jahrhundert, der sich im Zusammenhang mit seinen Bemühungen um eine Vereinigung von Wissenschaft und Geist zu einem Theologen entwickelte. Er verfolgte dieses Ziel während seines langen und produktiven Lebens, ob nun als Assessor des Bergwerksdirektoriums, das diesen höchst wichtigen Wirtschaftszweig in Schweden regulierte, oder in seiner Funktion in der Adelskammer des Reichstags, die gemeinsam mit dem schwedischen König die Regierung bildete.

Als führender europäischer Wissenschaftler in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte er eine Theorie der Teilchenphysik und eine Nebeltheorie des Sonnensystems und der Galaxien, bevor er sich anatomischen Forschungen zuwandte. Stets behielt er jedoch bei seinen Studien die Vereinigung von Wissenschaft und Geist im Blick. Seine wissenschaftlichen Forschungen führten ihn zum Studium des gesamten bekannten Wissens, zur Anatomie und – da er ein besseres Verständnis in Bezug auf die Verbindung zwischen Seele und Körper anstrebte – insbesondere zur Erforschung des Gehirns. Obgleich er seine Studien im Kontext der führenden Anatomen Europas betrieb, waren die von ihm entwickelten Anschauungen und Paradigmen gänzlich einzigartig. Er entwickelte ein anatomisch basiertes organisches Paradigma der Interaktion von Seele und Körper aufgrund von Konzepten wie dem einer belebenden Bewegung des Gehirns oder dem Ausgießen einer sehr feinen geistigen flüssigen Essenz in das Nervensystem, welche über neurofasziale Verbindungen in den restlichen Körper gelange, um diesen zu integrieren und zu stärken. Geist und Fleisch würden in einer organischen rhythmischen Einheit von Mentalem, Körper und Geist6* verbunden. Swedenborg beschrieb diese Anschauungen in genauesten Details, die sich aus seinem Studium sämtlicher Systeme, Organe und Strukturen des Körpers ergaben.

Gegen Ende seiner Arbeit und seines Schreibens über anatomische Themen geriet er in eine spirituelle Krise, die in einem Übergang hin zu theologischen Studien in den letzten drei Jahrzehnten seines langen Lebens kulminierte. Überzeugungen, die er aufgrund seiner früheren anatomischen, wissenschaftlichen und philosophischen Forschungen entwickelt hatte, durchdrangen nun seine theologischen Werke, wodurch er einen völlig neuen Zugang zur und ein neues Verständnis der Religion entwickelte. Dieses neue religiöse Paradigma sprach alle Hauptthemen an, welche die Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen betreffen. Es schloss detaillierte neue Konzepte und Themen ein, wie etwa das Verhältnis von geistigen und natürlichen Realitäten, das universale, von Gott geschaffene Gesetz, welches die gesamte Schöpfung bestimmt, das Leben nach dem Tod, geistiges Wachsen, das mögliche ewige Fortschreiten jedes Individuums und eine detaillierte Beschreibung von Seele, Mentalem und Körper – und wie diese als eine einzelne organische Entität interagieren bzw. als ein Mikrokosmos im Bezug zu einem größeren Makrokosmos stehen.

Swedenborgs Anschauungen sind bereits isoliert betrachtet von allerhöchstem Interesse. Das vorliegende Buch befasst sich jedoch mehr mit dem Einfluss dieser Ideen und wie sie sich über die Welt und die Jahrhunderte ausdehnten. Dabei ist der Blick von Swedenborgs Zeit ausgehend in die Zukunft gerichtet, um ihren Einfluss auf die Schöpfung und Entwicklung eines neuen Ansatzes der Medizin zu erfassen, zu dem es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam, nämlich auf die Osteopathie. Des Weiteren wird die fortdauernde Präsenz der Gedanken Swedenborgs in Nordamerika während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dargelegt; denn sie beeinflussten auch weiter jene osteopathische Profession, die heute rund um die Welt verbreitet ist.7* Das Buch legt seinen Schwerpunkt dabei auf den Einfluss der Ideen Swedenborgs auf A. T. Still, den Entdecker der Osteopathie, und einen seiner Studenten, W. G. Sutherland. Letzterer entwickelte Stills Konzepte weiter zur ‚Osteopathie im kranialen Bereich’. Das Buch wird außerdem einige andere Beziehungen zwischen Swedenborg und der Osteopathie berühren.

Was sie hier finden, ist eine Geschichte von Geschichten. Anschauungen sind wichtig, aber wenn sie nicht Teil von etwas Größerem werden, haben sie wenig Bedeutung. Je mehr wir über eine Person wissen, die großartige Ideen hat und bedeutende Taten vollbringt, indem sie etwa ein neues Paradigma und System wie die Osteopathie entwickelt, einen neuen Weg verfolgt und diesen in Form der Kranialen Osteopathie ausdehnt, desto besser können wir verstehen, woher diese Ideen kommen und wohin sie führen können.

Indem wir Still in seiner Zeit, in der Gegend, in der er lebte, und in seiner intellektuellen Umgebung zu verstehen versuchen, können wir die Wurzeln der Osteopathie besser verstehen. Und um Stills Geschichte besser zu verstehen, müssen wir wiederum die Anschauungen derjenigen verstehen, die ihm vorausgingen und ihn beeinflussten und von denen nicht wenige auf unterschiedlichste Art und Weise mit Swedenborgs Ideen in Kontakt gekommen waren.

Dabei handelt es sich um Geschichten von Menschen, die besondere Anschauungen entwickelten und deren Ideen durch verschiedene Gegenden und Zeiten flossen, bis sie schließlich einen beachtlichen Einfluss auf die Osteopathie ausübten. Dies alles geschah nicht in einem Vakuum: Es ereignete sich im Kontext von Menschen. Somit bietet dieses Buch auch eine Geschichte der Ideen Swedenborgs und der Menschen, die sie erfassten. Und wie diese sich von Europa aus über den Atlantischen Ozean nach Nordamerika bewegten und weitreichende Wirkungen hatten, indem sie durch verschiedene Personen in Teilen oder als Ganze weiter vermittelt wurden, darunter etwa die Neue Kirche8* Swedenborgs, Ralph Waldo Emerson und die Transzendentalisten, Davis und die spiritistische Bewegung sowie die Neugeist-Bewegung und die Theosophie. Es ist sicher nicht verkehrt, in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen, dass Swedenborg für viele Menschen recht Verschiedenes bedeutete.

Das vorliegende Buch will also belegen, wie Stills intellektuelle, spirituelle und kulturelle Umwelt von Swedenborgs Ideen durchtränkt war, wobei manche beachtlich modifiziert wurden, während andere authentisch im Sinne Swedenborgs blieben. Weiter wird es zeigen, wie diese Anschauungen einen beachtlichen Einfluss auf Still im 19. Jahrhundert hatten und in Resonanz mit seinen Ideen standen, während er seine neue Wissenschaft der Osteopathie schuf und entwickelte. Zu belegen ist außerdem der unmittelbare und tief greifende Einfluss von Swedenborgs Ideen, insbesondere seines Paradigmas der Interaktion von Gehirn und Körper, auf Sutherland, als dieser die Kraniale Osteopathie entwickelte.

Dadurch mag der Eindruck entstehen, als wäre die Osteopathie über ein Jahrhundert hinweg kontinuierlich mit der Verarbeitung von Swedenborgs Anschauungen beschäftigt gewesen, manchmal stärker, manchmal schwächer, doch jedenfalls in beeindruckender Kontinuität. In diesem Kontext werden die historischen und philosophischen Verbindungen zwischen all jenen Personen erforscht, welche die Anschauungen Swedenborgs und der Osteopathie direkt oder indirekt vermitteln. Das gilt nicht nur für Still und Sutherland, sondern auch für Ärzte wie J. M. Littlejohn, Beryl Arbuckle, Isabell Biddle, William L. Grubb und Robert C. Fulford. Im Anhang finden Sie eine Zeittafel, die Sie durch die verschiedenen und sich überschneidenden Ereignisse der vorgestellten Geschichten führen soll.

Osteopathie und Swedenborg

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