Читать книгу Viva Rex oder die Suche nach sich selbst - David Gerson Rolinger - Страница 8
Szene IV
ОглавлениеAuftritt der Geliebte, an einem bewaldeten Hang. Er kämpft sich sichtlich mühsam nach oben.
Der Geliebte: Bald habe ich diesen Berg bezwungen, ich meine, da oben stünde schon die erste Hütte. Das Felsendorf war lange unbewohnt, die Gebäude brachen alle ein. Nur die Wände, die der Berg den Baumeistern bot, stehen heute noch so fest wie immer. Die Höhlen, welche als Wohnraum dienten, könnte man mit etwas Arbeit leicht wieder beziehen. Ah, da vorne ist der Palast! Ich erkenne ihn an der frischen Mauer und dem Glockenturm darauf.
Er kommt an die Höhlenkapelle. Ihre vordere Mauer und Teile des Daches sind neu, den Rest der Mauern bildet der Berg. Er tritt durch die Tür. Auftritt Ikarus und Prinz Siddhartha aus dem Morgenland in der Kapelle.
Prinz Siddhartha: Mein Freund, was führt dich zu mir? Bist du nun endlich auch bereit, meinen Bund anzuerkennen?
Der Geliebte: Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Ich hörte, dass du das Volk demütigst, ihm zeigst, wie wenig es dir wert ist. Du wirst damit aufhören und du wirst stolz aller Welt verkünden, wer dein wahres Volk ist. Denn dein Volk ist nicht im Morgenland, sondern hier. Es ist das Volk des Moses, dem du dich verpflichtet hast, also stehe auch zu ihm!
Prinz Siddhartha: Sie lieben mich doch, also warum soll ich etwas ändern?
Der Geliebte: Damit sie sehen, dass du sie auch liebst. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als jemandem Zuneigung zu zeigen, der sie nicht erwidert.
Prinz Siddhartha: Ich kümmere mich um sie. Ist das denn nicht genug? Sie sehen doch daran, dass sie mir wichtig sind. Da werden sie doch ein paar Sprüche ertragen können.
Der Geliebte: Diese Pluralität bedeutet ihr Ende. Du zwingst sie zu einer Entscheidung, ob sie lieber geliebt und gedemütigt werden wollen oder allein und gehasst. Darum fordere ich dich jetzt auf, dass du dich noch heute mit großer Freude zu ihnen bekennst und ihnen deine Liebe zeigst und danach nie wieder Spott über sie kommen lässt.
Prinz Siddhartha: Ich glaube, du fürchtest mehr den Spott über dich als über sie. Ich werde nichts bekennen. So bin ich eben und ich werde es nicht leugnen. Entweder sie sind für mich oder gegen mich, dazwischen ist kein Platz für Unentschlossene.
Der Geliebte: Dann ist dort kein Platz für das Volk, das du regieren willst, denn die große Mehrheit steht vor der gewaltigen Bürde, dass sie liebt und leidet zugleich.
Ikarus: Du liegst falsch! Ich leide nicht und dennoch freue ich mich über meinen Herrn. Reich beschenkt er mich und alle, die seine Freunde heißen, und ich kann mich keines Spottes erinnern.
Der Geliebte: Es gab ihn aber gegen mein Volk, das auch das deinige ist oder zumindest war. Siddhartha, ich gebe dir diese Chance, da du mein Freund bist, aber wenn du ausschlägst zu tun, was ich dir rate, so werde ich dich deiner Pflichten entbinden.
Prinz Siddhartha: Ich will sehen, wie das Volk mich von sich löst. Glaub mir, du führst diesen Kampf allein.
Der Geliebte: Vielleicht führe ich ihn allein, aber nicht allein für mich.
Prinz Siddhartha: Mach dich nicht lächerlich, werter Freund. Geh nun, bevor ich meine Höflichkeit hinter mir lasse!
Der Geliebte: Ich werde sicher nicht gehen, bis du meiner Bitte nachkommst oder deinen Bund löst.
Ikarus: Erlaube mir, dich zu eskortieren. Du willst doch keinen Freund verlieren? Schon gar nicht zwei.
Ikarus zieht sein Schwert. Der Geliebte weicht zurück und zieht ebenfalls sein Schwert.
Der Geliebte: Ikarus, du warst mir immer ein Freund. Du warst mir sogar länger Freund als dem Prinzen. Wie kommt es, dass du nun die Klinge nach mir streckst?
Ikarus: Ich liebe den Prinzen und du willst ihn verletzen. Du willst ihn zwingen zu tun, was dir beliebt. Als habe er nicht das Recht hier zu sein, nur weil seine alte Heimat in der Ferne liegt. Einst liebte ich auch dich, doch dass du den Prinzen verrätst, werte ich als Verrat auch gegen mich selbst.
Ikarus schlägt mit dem Schwert nach dem Geliebten. Dieser pariert und der Kampf treibt beide aus der Kapelle. Abgang Siddhartha.
Der Geliebte: Wie konntest du nur so fanatisch werden?
Ikarus: Ich bin nicht der Fanatiker von uns beiden. Wer war es denn, der soeben eine Kapelle stürmte, um dem rechtmäßigen Herrscher seinen Willen aufzuzwingen?
Ikarus gibt zwei kräftige Schläge, die der Geliebte pariert. Einem Gegenschlag weicht Ikarus aus.
Der Geliebte: Ikarus, ich kenne dich schon so lange. Wie viele Krisen haben wir bewältigt und damit unser Volk gerettet? Aber nun stützt du einen, der unserem Volk den Respekt verweigert. Einen, der immer wieder testet, wie weit er seine Demütigungen treiben kann. Ikarus, das passt doch nicht zu dem Freund, den ich einst kannte.
Ikarus: Ich weiß nichts von diesen schlimmen Dingen. Ich sehe nur einen Mann, der seinem Volk die Liebe schenkt, die es sich immer gewünscht hat. Ein Mann, der zum Regieren geboren ist.
Der Geliebte: Mag sein, dass er dich besser behandelt, da er deinen Zuspruch deutlich schwerer erhält als den des Volkes. Aber ich bitte dich, lass dich davon nicht blenden!
Ikarus lässt viele Schläge auf den Geliebten hernieder, die dieser nur unter Zurückweichen bis zur Bergkante parieren kann.
Ikarus: indem er sein Schwert auf den Geliebten richtet. Das ist deine letzte Chance. Erkenn‘ Siddhartha als deinen König an. In jedem anderen Fall bedeutet es das Ende unserer Freundschaft und damit auch meiner Gnade.
Der Geliebte: Du wirst immer mein Freund sein, egal was kommen mag. Aber ich werde nichts tun, was mein Volk ins Verderben stürzt.
Ikarus: Dann stürzt du nun ins Verderben.
Ikarus springt und reißt den Geliebten über die Kante. Er selbst bleibt in der Luft mit seinen Flügeln fliegend.
Der Geliebte: Der Sturz so tief, ich wünsche nur Anubis fände meine Teile. Da! Ich glaube schon die wunderschöne Amentet zu erkennen. Aufreizend will sie mich willkommen heißen. Welche Wahl bleibt mir, dem schwachen Geist, als sich auf diese Schönheit einzulassen. Doch halt! Was bremst da meinen Fall? Ich glaube es nicht, doch Vater Zeus hat mich gefangen. Nun lässt er seine Wolken mich nach oben tragen. Ich danke dir, du großes Licht, du Vorbild aller Welt!
Der Fall des Geliebten wird abgefangen und er erhebt sich zu Ikarus, wo er auf einer Wolke steht.
Ikarus: Zeus und Hera werden dich nicht retten können!
Ikarus schlägt auf den Geliebten ein. Dieser pariert und schlägt ebenfalls. Der Kampf bewegt sich abwärts, bis sie auf den Waldboden am Fuße des Berges kommen. Beide bleiben außer Atem stehen.
Der Geliebte: zu sich. Endlich wieder fester Grund.
Ikarus: zu sich. Es schmerzen mir die Glieder und jeder Hieb kostet mich noch mehr Kraft. Was muss mein alter Freund jetzt auch zum Feinde werden?
Auftritt Prinz Siddhartha, der Dämon Lucca, zwei Besessene, halb in Trance.
Prinz Siddhartha: Du bist ein toller Freund Ikarus. So treu! Ich habe noch ein paar andere Freunde mitgebracht, die den Frevel des Geliebten sühnen wollen.
Ikarus: Du hast Lucca hergebracht? Das war ein guter Zug. Er ist mir lieber als so mancher Mensch. Wer hätte gedacht, dass ich einen Dämon mehr lieben würde als den Geliebten. Kommt! Helft mir!
Dämon Lucca: Sehr gern. Ich hasse diesen arroganten Verräter. In dem Moment, in dem man seine Hilfe braucht, verweigert er sie aus Eigennutz. Oft genug hat er verletzt, wen ich geliebt. Nun aber soll er die Rechnung dafür tragen.
Der Dämon und die Besessenen halten Speere, mit denen sie auf den erschöpften Geliebten einstechen. Er schafft kaum etwas zu parieren und sinkt auf die Knie.
Dämon Lucca: Da sehe ich dich gern. Du hast es nicht verdient, mit dem Prinzen auf einer Ebene zu stehen. Du beschwerst dich, dass er das Volk demütigt, dabei behandelst du ihn doch die ganze Zeit von oben herab. Beschmutzt hast du mich, denn du warst Siddharthas Freund, obwohl du ihm nur schadest. Ich aber wurde als Dämon verschrien, obwohl ich stets das Beste für den Prinzen tat. Du blutest zu Recht.
Ikarus: Ich will ihn nicht länger sehen. Dies ist das Ende seiner Melodie. Denn ein unreines Gemisch aus Tönen ist schlecht. Doch eine einzelne Symphonie kann ein ganzes Volk entzücken.
Ikarus stellt sich vor den knienden Geliebten und enthauptet ihn mit einem Schlag.
Dämon Lucca: Es ist vollbracht und ich fühle mich befreit. Mein Prinz, ihr müsstet doch Freudensprünge machen.
Prinz Siddhartha: Dazu sehe ich keinen Grund. Ein guter Freund von mir ist gerade verstorben. Lasst uns für seine Seele beten. Dennoch danke ich dir Ikarus für deine Tat. Kommt jetzt mit, denn wir wollen uns weiter beraten.
Ein Besessener: Sollten wir ihn nicht begraben?
Dämon Lucca: Das hat er nicht verdient. Komm jetzt!
Abgang Prinz Siddhartha, der Dämon Lucca, zwei Besessene.
Ikarus: Ich bereue schon, dass ich so voreilig mein Schwert erhoben habe. So viele Jahre treue Freundschaft gehen nun zu Ende. Warum hat er sein Volk nur so verraten müssen? Warum musste er dem Prinzen nur ein solches Ultimatum stellen? … Wenn ich es nun so recht bedenke, frage ich mich, ob er denn wirklich zu viel verlangte. Ein Freund… Ein Feind ist tot und dass nur wegen einer scheinbar kleinen Bitte. Wenn er stets so gut war, wie ich glaubte, warum wollte sich der Prinz dann nicht zu uns bekennen? Hätte ich mir solche Fragen doch nur früher gestellt, dann würden meine Wasser nun nicht die Erde zu meinen Füßen aufschwämmen. Was war ich für ein blinder Tor! Doch gibt es keine Wiedergutmachung für Tote. Nur einen Priester kann ich jetzt noch holen, sodass mein einstiger Freund wenigstens den Riten entsprechend begraben wird. Ich mache mich besser gleich auf.
Abgang Ikarus. Auftritt Dämon Lucca.
Dämon Lucca: an die Leiche gewannt. Du abscheulicher Hund hast meinem Prinzen so viel Leid getan. Dein Vertrauen hast du diesem Mann verwehrt und immer hast du ihn wie einen Fremden behandelt. Ich aber kenne das Gefühl von Einsamkeit und nur der Prinz war es, der mich ein anderes Gefühl lehrte. Er offenbarte mir, dass auch ich kein Unding bin. Früher ekelte ich mich vor meinem eigenen Aussehen: Vor meiner Fratze und den Hörnern, so wie vor meinem Wams und meinem Schwanz. Jeder machte sich lustig über mich, bis ich anfing dasselbe zu tun. Erst der Bann über Siddhartha zeigte mir einen Weg aus diesem Hass. Und du hast diesen Helden verletzt.
Dämon Lucca spukt auf die Leiche. Dann tritt er sie und uriniert darauf.
Dämon Lucca: Ich wünschte nur du spürtest noch, wie sehr ich dich verhöhne. Du bist wie ein Aussatz für die Welt. Ich hoffe, die Geier fressen dich bald, sodass ich deinen Anblick nicht länger ertragen muss. Was du getan hast, kann nie wieder gut gemacht werden.
Abgang Dämon Lucca. Auftritt Ikarus und Priester.
Ikarus: Da liegt er.
Priester: Schnell! Helft mir ihn mitzunehmen, bevor der Prinz erneut erscheint. Er wird uns sicher strafen wollen, wenn wir ihn begraben.
Ikarus: Das ist wahr. Ich nehme den Kopf und pack ihn an den Schultern, greift ihr die Beine.
Ikarus und Priester tragen den Geliebten davon. Abgang Ikarus, Leiche des Geliebten und Priester.