Читать книгу Fettnäpfchenführer Taiwan - Deike Lautenschläger - Страница 15
Was können Sie besser machen?
ОглавлениеSollte ein Taiwaner sich eine Anmerkung zu Ihrem Äußeren erlauben, nehmen Sie es sich nicht zu Herzen. Taiwaner beobachten und kommentieren das Erscheinungsbild ihrer Mitmenschen, um ihre Nächstenliebe zu bekunden. So sind Kommentare wie »Du hast zugenommen« oder »Deine Haut ist schlechter geworden« genauso selbstverständlich und ohne jede böse Absicht wie »Du hast eine neue Frisur«. Sie benennen einfach, was sie sehen, was dem Blickfeld der Öffentlichkeit nicht verborgen bleibt und drücken durch ihr Bemerken ihre Sorge und Aufmerksamkeit aus.
Aus dem gleichen Grund werden Sie auch ein verständnisloses Kopfschütteln und einen Vortrag über gesunde Lebensweise ernten, wenn Sie nicht stets zu warmem oder heißem Wasser greifen. Beim kleinsten Nieser oder Hüsteln gibt es den gutgemeinten Rat: »Trink mehr Wasser!«, womit natürlich heißes Wasser gemeint ist.
Kommt es zum Schlürfen, Rülpsen und Schmatzen, sind sich die Taiwaner uneinig. Undefinierbare Gräben ziehen sich durch Generationen, Schichten, Herkunftsregionen und Geschlechter. Es scheint, die Taiwaner passen ihre Tischmanieren weniger ihrer Begleitung, sondern vor allem dem Etablissement an. Im traditionellen Frühstücksladen darf geschlürft und gerülpst werden – und säße der Präsident höchstpersönlich mit am Tisch. In einem vornehmen Restaurant dagegen achtet man oft peinlich genau darauf, dass selbst mit der ungehobelten Verwandtschaft die Etikette befolgt wird. Sollte dann doch mal ein Rülpser rausrutschen, hört man lächelnd darüber hinweg.
說到 … APROPOS … BEGRÜSSUNG
Sowohl auf Taiwanisch wie auch auf Chinesisch ist die Frage, ob man schon gegessen hat, eine Art der Begrüßung. In Taiwan hat das Essen einen so hohen Stellenwert, dass es neben einem beliebten Small-Talk-Thema auch gleich zu einer Begrüßungsformel geworden ist. Hat man nicht vor, mit dem anderen gleich essen zu gehen, dann antwortet man auf Chīfàn le méiyou? einfach mit Chī le – »gegessen«. Auf Deutsch antwortet man ja auch auf die Small-Talk-Frage »Wie geht’s?« im schlechtesten Fall mit »Es geht.«
Im schnelllebigen Alltag passt immer ein kurzes Nǐ hǎo!, was für »Guten Tag!« steht und wortwörtlich »du gut« bedeutet. Für eine Gruppe von Leuten tut es ein Nǐmén hǎo! – »ihr gut«, will man besonders höflich sein, ein Nín hǎo! – »Sie gut«. Am Telefon oder Handy ist der Taiwaner noch kürzer angebunden: Wéi! – Hallo!
Die Hand gibt man sich in Taiwan übrigens sehr selten. Diese westliche Art der Begrüßung ist seit SARS relativ unbeliebt geworden. Zur Grippe-Saison sieht man gar Plakate des Gesundheitsministeriums, die zur Vermeidung von Körperkontakt, wie zum Beispiel durch den Handschlag, aufrufen und die traditionelle Begrüßungsart empfehlen, bei der man die rechte Hand über die linken Faust legt und dann so beide Hände zum Herz hebt und sich leicht verbeugt.
說到 … APROPOS … SPRACHEN IN TAIWAN
Alle Generationen am Frühstückstisch sind in Taiwan aufgewachsen und sprechen trotzdem verschiedene Sprachen – abhängig von der politischen Lage und der nationalen Identitätsfindung, in der sie aufgewachsen sind. Queenies Großmutter spricht, wie 60 Prozent der Bevölkerung Taiwans, Taiwanisch – das haben die Vorfahren vor 300 Jahren aus den chinesischen Provinzen Fujian und Guangdong mitgebracht. Mit der japanischen Kolonisation von 1895 bis 1945 waren die Menschen auf Taiwan gezwungen, Japanisch zu lernen und es im öffentlichen Leben zu sprechen. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg im Widerstand gegen Mao Zedong propagierte die nach Taiwan geflüchtete Kuomintang dann nach 1949 Hochchinesisch bzw. Mandarin – auch als Amtssprache, um sich als Gegenregierung für ganz China darzustellen. An den Schulen war es verboten, Taiwanisch zu sprechen, und man musste sogar für ein taiwanisches Wort eine Geldstrafe in die Klassenkasse zahlen. Auch wenn sich vor allem im Süden der Insel Hochchinesisch nie ganz durchgesetzt hat, so hat doch die Sprachpolitik ihre Spuren hinterlassen: Taiwanisch wurde lange Zeit als Sprache der groben, ungehobelten, ungebildeten Menschen angesehen und von Mädchen und Frauen kaum gesprochen. Unter Männern lässt sie jedoch in bestimmten Situationen ein Gefühl von Vertrautheit und Kumpelhaftigkeit aufkommen, besonders wenn es darum geht, einen Preis auszuhandeln oder um einen Gefallen zu bitten.
Heute sucht Taiwan seine eigene kulturelle und politische Identität und will nun die lange unterdrückte Sprache wiederbeleben. Obwohl die Unterrichtssprache an staatlichen Schulen immer noch Mandarin ist, müssen die Schüler nun auch Taiwanischkurse besuchen.