Читать книгу Eine übliche Fahndung mit unüblichen Begleiterscheinungen - Denise Remisberger - Страница 3
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ОглавлениеRudolf Herzig, Hauptkommissar beim Kanton, stand, als Rocker verkleidet, an der Tramhaltestelle und starrte unverdrossen eine Frau an, die gerade aus ihrer Wohnungstüre marschiert war.
Seine Marlon-Brando-Mütze keck ins Gesicht gezogen, setzte er sich geschmeidig in Bewegung, um der verdächtigen Person unauffällig zu folgen.
Er musste seinen Schritt beschleunigen, um mit ihr mithalten zu können, die Fransen seiner dunkelbraunen Lederjacke hinter sich hart am Wind, den kohlrabenschwarzen Vollbart schon etwas zerzaust.
Er setzte sich die verspiegelte blaue Sonnenbrille auf, obwohl es nieselte, um seine Kontaktlinsen vor hereinfliegenden Partikeln zu schützen.
Er fiel auf.
Eva, mit wiesengrünen Strähnen in ihrem braunen Haar, die sich wie kleine Schlangen in der Bise ringelten, beschleunigte ihren Schritt noch etwas mehr, da ihr ein sonderbarer Typ zu folgen schien, der ihr irgendwie bekannt vorkam.
Seine konzentrierte Energie, welche er voll auf sie gerichtet hielt, liess sie beinahe direkt in einen Blumenkübel voller knallroter Weihnachtssterne, der am Rande des Trottoirs riesenhaft thronte, hineinlaufen.
Sie sprang in ein Tram, das eine Sekunde später die Türen verriegelte und abfuhr, und konnte dadurch den seltsamen Freak abhängen.
Rudolf Herzig, Freak und Hauptkommissar, genau in dieser Reihenfolge, griff sofort zum VHF-Funkgerät, ein vorläufig noch, im Jahre 2006, analoges, und teilte dem Neuzugang, Balthasar Bube, mit, in welches Tram sich die zu beschattende Person geflüchtet hatte und dass er jetzt übernehmen müsse.
Balthasar Bube war schon am Morgen nervös aus dem Bett gefallen und drohte demnächst in Hysterie zu verfallen. Er durfte zum ersten Mal alleine beschatten, wenigstens ein Stück weit.
Er rannte also in vollem Galopp zur von Rudolf Herzig erwähnten Tramlinie, der Nummer vier, erreichte sie drei Haltestellen weiter weg von der Traminsel, auf der die Zielperson zugestiegen war, und sprang nun selber ins stoppende Fahrzeug.
Er sah die grünen Haare, steuerte darauf zu, sah die gespannte Hundeleine aus durchsichtigem, ausrollbarem Nylon nicht, fiel in voller Länge darüber, landete auf dem Boden des schmalen Mittelgangs und liess Funkgerät, Handschellen und Dienstausweis vor Evas Füsse schlittern.
Absolut niemand sprach, während er sich zitternd erhob, seine Sachen einsammelte und Eva dabei nicht aus den Augen liess.
Ein siebzigjähriger Alkoholiker brach plötzlich in schallendes Gelächter aus, drückte seinen rechten, sonst schwankenden Zeigefinger kerzengerade in Evas Wollmantel und krächzte: «Der beschattet dich.» Dann verliess er das Tram.
Eva fixierte den vorher Gefallenen schockiert, bis sie eine Station weiter hinauseilte.
Er eilte hinterher.
Die Leute im Tram atmeten auf.