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«Herr Kollege, Herr Kollege», krähte ein rundlicher, eins fünfzig grosser Mann in wehender Soutane und breitkrempigem Hut, im Arm eine bauchige Flasche Chianti, während er quer über den Zeltplatz wieselte, direkt auf Pfarrer Jacques zu, der, zusammen mit seinen deutschen Nachbarn und dem Pizzeria-Besitzer des Restaurants schräg gegenüber dem Campingareal, an einem quadratischen Klapptisch sass und Skat spielte.

«Unser Pfarrer Adamo!», winkte Umberto von der Pizzeria erfreut.

«Guten Tag, die Herren», sagte Pfarrer Adamo ganz ausser Atem, setzte sich zu den vier Kartenspielern und stellte seine Flasche Wein auf den Tisch. Nachdem alle einander vorgestellt worden waren, holte Vater Günther fünf Gläser, Sohn Heinz schenkte ein, das Skat-Spiel ging weiter und die beiden Pfarrer, Jacques mit den Karten in der Hand, Adamo trinkend, führten ein ernstes Gespräch auf Italienisch, das nicht mal Umberto in seiner ganzen Tragweite verstand, geschweige denn die beiden Deutschen, die sich überall auf der Welt ganz gut in ihrer Muttersprache durchschlugen.

«Das heilige Kreuz ist eine Fälschung?», wunderte sich Jacques, während Adamo heftig mit seinem runden Kopf nickte und Umberto leise vor sich hin kicherte.

«Ja, Jacques, das wahre Kreuz wurde uns gestohlen. Was hältst du von einem Sonderauftrag, Jacques? Einem Sonderauftrag, der natürlich sehr gut honoriert wird.»

«Aber wieso ich?»

«Jacques, Jacques. Wieso bist du hier, eh? Was wolltest du, ein reformierter Pfarrer, in unserer unscheinbaren Kirche? Jacques, ich bitte dich. Du willst das Kreuz. Wir wollen das Kreuz. Aber brauchst du wirklich das echte? Könntest du dir vorstellen, das falsche zu behalten und wohin auch immer weiterzuverkaufen, als das echte, versteht sich, und uns gleichzeitig unser eigenes wiederzubeschaffen? Wäre das ein Deal? Unser Stillschweigen gegen dein detektivisches Gespür?», zwinkerte Adamo mit einem Auge über rosigen Wangen.

«Ist es eine gute Fälschung, Adamo?»

«Aber ja doch. Was denkst du denn? Wir sind hier in Italien. Im Fälschen sind wir die Nummer Eins.»

«Habt ihr schon eine Spur?»

«Ja. Sie führt nach Schottland.»

«Nach Schottland? Ins presbyterianische Schottland?»

«Ja, ja. Eine Schottin hat sie gestohlen, unsere Reliquie. Mit vorgehaltener Pistole hat sie behauptet, die Knochen, aus denen das heilige Kreuz gefertigt worden war, gehörten einem Schotten, der seit Jahrhunderten auf dem Friedhof von Duns liege. Es sei ihr gutes Recht, dieses Kreuz an sich zu nehmen und der zum Friedhof gehörenden Kirche zu bringen. Nicht, dass sie es in ein Reliquiar legen wollten. Sie haben ja keins. Nein. Sie wollen es einfach an die Wand des Büros der pistolenbewehrten Pfarrsekretärin hängen. Der Gipfel ist das.»

«Duns befindet sich in der Nähe der englischen Grenze», erinnerte sich Pfarrer Jacques.

«Ja, genau. Jacques, nimm dieses Kreuz hier mit.» Adamo zog einen Gegenstand unter seiner Soutane hervor und überreichte ihn Jacques.

«Dann ist euer Reliquiar jetzt leer?»

«Nein, dort liegt immer noch die erste Fälschung. Die hier ist die zweite. Ersetze die echte Reliquie in Duns durch diese hier und bringe uns die richtige. Dann erhältst du die erste Fälschung für den Weiterverkauf an deine katholische Person.»

«Ich könnte sie auch für mich behalten wollen.»

«So ein Unsinn, Jacques, ein reformierter Pfarrer sammelt keine Reliquien, nur Münzen und Noten.»

Das ausgewanderte Kreuz

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