Читать книгу Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter - Denise Remisberger - Страница 7
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ОглавлениеGanz früh am Morgen hockte der Ministeriale Furdin in seiner feuchten Kammer in der Niederburg, dem Stadtteil von Konstanz, in dem die Handwerker, die Fischersleute und die Beamten, genannt Ministeriale, wohnten, und wartete darauf, dass es Tag wurde.
Als Junge war er dabei ertappt worden, wie er, ziemlich geschickt für sein Alter, in der Bischofskirche eine Schatulle aufgebrochen hatte, mit der frevelhaften Absicht, die sich darin befindende Reliquie, die Bischof Konrad von seiner letzten Pilgerfahrt nach Jerusalem im Austausch gegen einen wertvollen Ring aus seinem Privatvermögen mitgebracht hatte, zu stehlen.
Anstatt den diebischen Buben nun einfach unter den Galgen zu hängen, hatte der Bischof entschieden, ihn in seine Dienste zu nehmen. Furdin kam aus einer hörigen Bauernfamilie und wollte mehr aus seinem lausigen Leben machen. Darum besass er genau die richtigen Voraussetzungen für das Amt eines Ministerialen. Er war zwar immer noch ein Leibeigener, doch seine Aufgaben zeugten nun von grösserem Gewicht. Vornehmlich wurde Furdin eingesetzt, um die Vorgänge im Kloster Sankt Gallen auszuspionieren. Allem voran wollte Konrad darüber informiert sein, was dort jeweils gerade für Bücher verfasst und kopiert wurden. Schliesslich besass das Bistum Konstanz eine Dombibliothek, die in einem ständigen Wettstreit mit dem Kloster Sankt Gallen stand. Und nicht nur die. Der Bischof wollte auch sonst wissen, was die Äbtischen den lieben langen Tag so trieben. Darum hatte Furdin den Auftrag bekommen, das Kloster Sankt Gallen, als harmloser Gast auf Pilgerreise verkleidet, zu besuchen und sich ein bisschen umzuhören und ein bisschen herumzuschleichen. Furdin war der Spion mit den geheimsten Aufträgen am Bischofshof. Und darauf war er arg stolz. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte noch mehr. Er wollte etwas in seinen Besitz bringen, das ihm Macht verlieh. Und er wusste auch schon, was.