Читать книгу Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter - Denise Remisberger - Страница 8
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ОглавлениеFidibus lüpfte seine kratzige Kutte und stieg über den erst kniehohen Erdwall, in den Holzbalken, ergänzt mit Steinen und Sand und überdeckt mit Lehm, hineingetrieben worden waren, als der gute Abt Anno noch lebte. Nun, unter dem grausamen Abt Craloh, stockten die Bauarbeiten an der Klostermauer, die sowohl Kloster als auch Klosterdorf vor Übergriffen sichern sollte. Im Kloster angekommen, rannte ihm Kunibert, der Infirmar, entgegen, während er ein kühles Tuch, in Arnikatinktur getaucht, auf seinen schmerzenden Kopf drückte.
«Fidibus, ich muss mit dir reden. Komm schnell in meine Zelle.»
Kunibert setzte sich auf den gut gefüllten Strohsack, der in seinem Holzkistenbett lag, und Fidibus auf den wackeligen Schemel davor.
«Als ich diesen Abend, kurz vor der Vesper, in der Klosterbibliothek sass, um im Waltharilied unseres Dekans Ekkehard etwas nachzulesen, das mir entfallen war, wurde ich brutal niedergeschlagen.»
«Hast du den Täter gesehen?»
«Nein. Der Schlag kam von hinten und landete direkt auf meinem armen alten Kopf.»
«Hast du denn nichts gehört?»
«Nein. Meine Konzentration war voll auf das grosse Heldengedicht gerichtet. Aber ich weiss, was entwendet wurde. Es ist schrecklich», weinte Kunibert. «Unser wunderbarer Goldener Psalter lag aufgeschlagen auf einem der Tische. Fidibus! Eine Doppelseite fehlt. Die Illustration vom Feldzug des Joab. Eine wunderschöne Buchmalerei. Karolingisch. Fast hundert Jahre alt. Ach, Fidibus! Das Pergament wurde sorgfältig herausgelöst.»
«Keine einfache Sache. Schliesslich werden unsere Pergamentblätter in leder- und metallüberzogene Holzdeckel gelegt und an lederne Buchrücken geheftet.»
«Was sollen wir jetzt tun, Fidibus?»
«Wir gehen sofort in die Bibliothek und legen den Goldenen Psalter einfach in die grosse Truhe zurück, um uns dann mit aller Geduld diesem Übel zu widmen.»
«Ich habe das Werk bereits zurückgetan, Fidibus. Zum Glück kam niemand in den Raum, als ich zusammengesackt auf Bank und Tisch lag. Sonst hätten sie mich sicher hinausgetragen und in ein Krankenbett gelegt.»
«Ja, zum Glück. Wenn unser Abt Craloh von diesem schrecklichen Raub erführe, würde er einen Schuldigen suchen und diesen womöglich in dir finden, weil du das Hereinschleichen des Diebs nicht bemerkt hast. Wahrscheinlich würde er auch noch behaupten, du hättest gemeinsame Sache mit dem Schurken gemacht.»
«Gott bewahre!»