Читать книгу -Ismus - Detlef Zeiler - Страница 6

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Vorwort:

Die vorliegenden Texte wurden weitgehend vor 2016 geschrieben. Seither hat sich einiges geändert: In den USA zeigen sich die Folgen der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten, - einem Milliardär, der kaum Steuern zahlte und vor allem durch die „alte“ (weiße) Industriearbeiterschaft gewählt wurde, die sich von globalen wirtschaftlichen Entwicklungen bedroht sieht. „Der Westen“ als Einheit scheint zu zerfallen. Großbritannien hat die EU verlassen und innerhalb der EU zeigen sich Gegensätze zwischen Ost- und Westeuropa. Die Flüchtlingskrise und die Korruption in einigen ehemals kommunistischen Staaten verschärfen Gegensätze in der EU. Clanstrukturen breiten sich – verstärkt durch Migration – innerhalb der Demokratien aus. Ralph Ghadban hat das beispielhaft beschrieben.1 Wir stehen heute erst am Anfang von weltweiten Fluchtbewegungen, denn es steht eine Umweltkrise in den Startlöchern, die weit mehr Flüchtlinge produzieren wird als alle heutigen Kriege zusammen. Darauf sind wir nicht vorbereitet.

Nicht nur die Staatsmacht kann aus verschiedenen Gründen in Versuchung stehen, stärker auf Gewaltmittel zu setzen – auch aus der Gesellschaft heraus können sich Gewaltzentren entwickeln, die den Rechtsstaat infrage stellen und dessen Macht unterhöhlen, die in der Zustimmung der Bürger liegt. Der Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 hat gezeigt, dass die Gefahr der Destabilisierung des Staates auch in westlichen Demokratien besteht.

Auf zweierlei Weise können sich neben dem Rechtsstaat Gewaltzentren entwickeln:

1. Weit verbreitet – und gut beschrieben – sind hier die diversen Gruppen der Organisierten Kriminalität. Sie sind heute oft finanzstärker als Nationalstaaten und besitzen Gewaltmittel, die ein starkes Drohpotential auch in Rechtsstaaten hinein ausstrahlen. Ein einzelner Bürger kann sich, sollte der Rechtsstaat Schwächen zeigen, diesem Drohpotential kaum entziehen. Der Vorteil Organisierter Kriminalität (OK) gegenüber dem Rechtsstaat liegt u.a. darin, dass er sich keiner systematischen Rechtfertigung aussetzen muss. Die OK ist einfach da, passt sich wie ein Parasit der jeweiligen Wirtsumgebung an, kann sogar auf direkte Gewalt verzichten, wenn das Drohpotential hoch genug ist oder wenn die Lockangebote oder das „Anfüttern“ genügen, normale Bürger in ihren Dunstkreis oder in irgendeine Abhängigkeit hineinzuziehen. Je mehr sich Arm und Reich auseinanderentwickeln und je mehr der Mittelstand sich bedroht fühlt, desto größer werden die Angriffsflächen der OK.

2. Die zweite Art von rechtsstaatsfeindlichen Gewaltzentren finden wir in Gruppierungen, die sich auf eine Ideologie, ein zusammenhängendes System von Ideen berufen. Diese Ideologie ist dazu da, ein großes Ziel, das in der Zukunft liegen soll, zu beschreiben und Mittel anzubieten, die von Überreden, Locken, Drohen bis hin zur Gewaltanwendung reichen. Dabei dient das große Endziel zur Rechtfertigung dieser Mittel, auch wenn bei der Anwendung der Mittel die bestehenden moralischen Grenzen überschritten werden. Die Ideologie, egal ob religiös verbrämt oder rein weltlich begründet, lässt sich fast immer mit einer Art von „-ismus“ beschreiben. Imperialismus, Marxismus, Leninismus, Trotzkismus, Stalinismus, Nationalismus, Islamismus – oder der weithin diskutierte „Faschismus“.

Wenn ich mich hier in erster Linie auf den Begriff Faschismus beziehe, dann nur, um damit die Diskussion einzuengen und verständlicher zu machen. Elemente des Faschismus tauchen auch in anderen „Ismen“ auf, überschneiden sich heute sogar mit Elementen, die man eher bei der OK findet. Neu in der Diskussion ist der Begriff »Tiefenstaat«, den ich aber, anders als er in den USA oder in der Türkei verwendet wird, eher mit der (ethnisch) Organisierten Kriminalität (OK) in Verbindung bringe.

Im Raum steht heute immer auch die Frage, ob das Menschenbild, auf das sich demokratische Staaten beziehen, heute noch genügend Anerkennung findet. Könnte es nicht sein, dass wir in mancher Hinsicht gar nicht so viel anders reagieren als es in den Tierversuchen gezeigt wurde, die auf der Grundlage des Behaviorismus durchgeführt wurden? Zeigen sich nicht immer mehr Menschen durch Gerüchte, „fake-news“, Gewaltandrohung oder Konsumverlockung weitaus eher steuerbar als durch Hinweise auf Menschenrechte und die Regeln des Rechtsstaates?

Dazu kommt eine Entwicklung, die in der medial vernetzten Welt immer deutlicher wird: Immer mehr lassen sich Vor- und Nachteile der verschiedenen Gesellschaften und Staatsformen vergleichen. Wie gut gehen Staaten und Gesellschaften mit den Gefahren um, die heute global sichtbar werden: Erderwärmung und Naturkatastrophen, Pandemien, Korruption, Vertrauensverlust usw. Und wie gut gelingt es innerhalb verschiedener Kulturen, Menschen entsprechend neuer Problemlagen zu „steuern“?

Bei den aus dem Jahre 2016 übernommene Essays habe ich einige Korrekturen eingefügt. Die Formulierungen sind heute weniger überzogen. Die damaligen Zuspitzungen sollten zur Verdeutlichung der Gedankengänge dienen und niemanden vor den Kopf stoßen. Von daher nenne ich hier keine Namen oder konkrete Ereignisse, obwohl ich mich auf reale Erfahrungen beziehe. Nicht zu vergessen: „Essays“ sind Versuche. Man kann diese Essays (auch) als Gedankenspiele lesen.

1 „Arabische Clans. Die unterschätzte Gefahr.“ (Ullstein Verlag, 2020)

-Ismus

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