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Оглавление-ismus als Massenbewegung
Alte und neue Elemente der »Banalität des Bösen« (Hannah Arendt)
Mit dem Sieg des »Kommunismus« in Russland nach 1917 verbreitete sich in Europa vor allem in den staatstragenden Mittelschichten nach dem Ersten Weltkrieg die Angst vor der Ausbreitung sozialistischer Ideen. Nach Lenin waren Industrieländer wie Deutschland das eigentliche Ziel des Kommunismus, Russland sei nur das »schwächste Kettenglied« in dem Verbund »imperialistischer« Länder gewesen. (Heute, in einer medial vernetzten multikulturellen Gesellschaft würde man sich eher fragen: Wo sind die schwächsten Kettenglieder innerhalb einer Gesellschaft. Und wie kann man mit dem Herausbrechen dieser »Kettenglieder« den Zusammenhalt in der Gesellschaft so schwächen, dass das „alte System“ reif für eine Übernahme ist.) Die Ausbreitung des „Kommunismus“ mit dem Konzept der Verstaatlichung der Produktionsmittel war aus der Sicht der Industrieländer eine reale Gefahr. Von daher stellt der historische Faschismus eine Gegenbewegung aus den hiesigen Mittelschichten heraus gegen die neue Gefahr »von unten« und aus dem »Osten« dar. Der Kommunismus mobilisierte die Angst, man könnte enteignet werden.
Aber nicht nur den Kommunismus, auch die negativen Auswirkungen des Kapitalismus, der die Menschen vereinzelt, ihnen ihre Traditionen nimmt und die gewohnten Lebenszusammenhänge in Frage stellt, will man bekämpfen. Da die Menschen in Krisenzeiten mehrheitlich nach einfachen, eher rückwärtsgewandten Ideen suchen, bietet ihnen der Faschismus ein Orientierungsmodell an, in dem sich die Gruppe einem guten Anführer unterordnet, so wie sich das in der Natur bewährt zu haben scheint. Ein ähnliches »Modell« bieten auch mafiose Gruppen ihren Mitgliedern, die entweder in einem direkten Verwandtschaftsverhältnis stehen oder über ein Aufnahmeritual Teil einer patriarchalischen Großfamilie werden. Diese Großfamilie, dieser »Clan« gliedert sich parasitär in eine bestehende Wirtschaftsstruktur und einen bestehenden Staat ein und steht nicht unter dem Druck, eine eigene Ideologie oder ideologische Versatzstücke zu erzeugen.
Der Faschismus dagegen gibt vor, eine Weltanschauung zu liefern, die Tradition und Fortschritt versöhnt und es erlaubt, Wirtschaft und Staat nach dem Führerprinzip neu zu gliedern. Sukzessive sollen alle Lebensbereiche dem Machtanspruch einer Gruppe untergeordnet werden, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden Schritt für Schritt gleichgeschaltet, auch wenn auf dem Weg zur totalen Machtergreifung vorübergehend Kompromisse gemacht werden müssen, die sich je nach dem regionalen Umfeld unterscheiden. Der »Wille zur Macht« entscheidet, nicht das Gedankengebäude drumherum. Auf Konsistenz der Ideen kommt es nicht an. »Tatmenschen« bestimmen, Mythos geht vor Ratio und Ethik. Ich erinnere an die Einflüsse der »Thule-Gesellschaft« nach dem Ersten Weltkrieg und die Symbolik des Hakenkreuzes. Näheres kann man nachlesen in »Schwarze Magie - Braune Macht« (P.S.-Verlag, Ravensburg) von Peter Orzechowski. Die Fähigkeit der faschistischen Bewegung als Massenbewegung besteht vor allem darin, eine totalitäre Partei an die Macht zu bringen, dafür so viele Ängste wie möglich anzusprechen und die dadurch ausgelöste Aggression offensiv auf einen (beliebigen) »Gegner« zu richten. Sebastian Haffner (1907–1999) hat m.E. für den Nationalsozialismus deutlich aufgezeigt, dass keine kohärente Staatsidee vorlag. Im Zentrum steht nicht der Staat, der seine Macht vor dem Volk legitimieren muss, sondern die Vorherrschaft einer Partei, die parallel zum Staat Machtpositionen ausbaut, von denen aus sie diesen in Geiselhaft nimmt. Dazu kommt noch eine zeittypische Besonderheit, die dem Faschismus nützte: Anfang des 20. Jahrhunderts stand das Führer-Gefolgschafts-Modell hoch im Kurs. Es war auch ohne den Faschismus weit verbreitet.
Wer könnte heute so etwas in einer historisch gewandelten Situation erneut versuchen? Wen würde er ansprechen? Welche Vorurteile würde er nach dem Ende des Kommunismus verstärken? Mit welcher Art von Sinngebung würde er die Jugend anlocken? Welchen Mix von Ideologien würde er heute anbieten? Und würde er überhaupt so marktschreierisch an die Öffentlichkeit treten wie im 20. Jahrhundert, wo diese Öffentlichkeit heute doch viel kritischer erscheint als damals? »Omerta« statt Straßenkampf?
Nach der Blamage im „Dritten Reich“ und dem verlorenen „Zweiten Weltkrieg erscheint mit hier eher die „Omerta“ wahrscheinlich. Bei anderen „-Ismen“, vor allem beim Islamismus, liegt der Fall sicher anders. Dort werden die demokratiefeindlichen Ideale anders verbrämt und meist offen verhandelt. Ob offen oder verdeckt, in beiden Fällen wird aber ein zentrales Motiv angesprochen, das in Notzeiten immer schon gegolten hat: Man will nicht bloß passiv bleiben, man will handeln können! Irgendwie! Und darum geht es.