Читать книгу 1 x Chemo mit Esprit, bitte! - Diana Grünberg - Страница 18
ОглавлениеVon Engeln umgeben
Ich wurde ins Arztzimmer gebeten und kurz darauf erschien er – meine Engel in Weiß. Noch immer liefen Tränen über meine Wangen und ich zitterte am ganzen Körper. Einfühlsam fragte er mich, was mich so erschüttert hätte und ich erzählte ihm von der Diagnose der Leber, jedoch nichts über die Reaktion der Ärztin. Er nickte mit dem Kopf und bestätigte mir, dass es wohl Veränderungen in meiner Leber gäbe. Dabei streichelte er mir liebevoll über meine Wange.
Im Gegensatz zu der gefühlskalten Ärztin war er ganz ruhig und strahlte eine unsagbare Sicherheit aus. Ich spürte, wie auch ich begann, mich wieder zu entspannen. „Wovor haben Sie am meisten Angst?“, fragte er mich. „Dass ich sterben muss“, antwortete ich ihm. „Hatten Sie jemals in Ihrem Leben schon einmal die gleiche Angst?“, fragte er mich weiter. Nach kurzem Überlegen fiel mir in der Tat eine Situation in meinem Leben ein, in der ich mich schon einmal genauso gefühlt hatte. Ich nickte ihm zu und daraufhin bat er mich zu erzählen, was damals geschehen war. Es war eine etwas peinliche Geschichte, doch ich teilte sie mit ihm. Als ich zehn Jahre alt war, entdeckte ich in meinem Stuhlgang Würmer. Ich war so entsetzt, dass ich in mein Zimmer lief und verzweifelt vor mich hin weinte. „Jetzt muss ich sterben, jetzt muss ich sterben …“ Immer und immer wieder hörte ich mich diese Worte sagen. Da es mir zu peinlich war, darüber zu sprechen, erzählte ich niemandem von meiner Angst. Es waren schreckliche Tage, in denen ich das alles mit mir alleine ausmachte. Gott sei Dank verschwanden die Würmer bald wieder und so hatte ich diese Geschichte schnell wieder vergessen.
Mein Arzt schaute mich lächelnd an und sagte: „Und? Jetzt sind fünfunddreißig Jahre vergangen und Sie leben immer noch!“ Sprachlos sah ich ihn an. Er hatte recht. Was machte ich mir nur für Gedanken? Meine Atmung wurde wieder etwas tiefer. Nachdem ich mich beruhigt hatte, teilte mir mein Arzt mit, dass er die Gesamtsituation, mit der entsprechenden Therapie, immer noch positiv sähe. Das machte mir wieder Hoffnung. Ich schaffte es auch, mich wieder an mein Mantra zu erinnern und langsam kam das Gefühl von Vertrauen zurück.
Ganz behutsam berichtete mir mein Arzt, dass es auch Veränderungen in der Lunge sowie in der Wirbelsäule gäbe. Wie weitläufig sich doch meine Zellen schon verirrt hatten. Die Art und Weise, wie er mir das erklärte und wie die Therapie nun aussah, brachte mich nicht aus dem Gleichgewicht. Aufmerksam hörte ich ihm zu und wie schon beim ersten Therapiegespräch verstand ich nicht alles, doch ich wusste, dass es gut für meine Heilung ist. Außerdem erfuhr ich, dass der Arzt bereits vor unserem Kurztrip nach Österreich meinen Mann angerufen und ihm von den Veränderungen in der Lunge berichtet hatte, die auf dem Röntgenbild zu sehen waren. Mein Mann hatte mir das nicht erzählt, was auch sehr gut war. Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass es besser sei, einem Patienten die volle Wahrheit sofort mitzuteilen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer gut oder geboten ist, jeden Patienten sofort mit all den erschreckenden Ergebnissen zu konfrontieren. Manchmal ist es besser eine Torte Stück für Stück zu essen, damit einem nicht schlecht wird.
Laut Aussagen von mehreren Ärzten, hätte ich eigentlich Atemprobleme haben müssen, was jedoch nicht zutraf. Das verwunderte meinen Arzt und noch mehr wunderte er sich, dass ich in diesem Zustand einen dreistündigen, schwierigen Klettersteig gegangen war. Vielleicht wäre es mir anders ergangen, wenn ich die Ergebnisse gewusst hätte. Wie oft sind die Dinge anders als sie zu sein scheinen.