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Kapitel IX

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Endlich zu Hause angekommen, wollte ich mich gerade auf meine Couch fallen lassen, als es mir gerade noch besser einfiel. Ich legte mich vorsichtig auf den Bauch und ließ den Tag nochmal Revue passieren.

Ich war so richtig am Arsch.

Damit meine Verzweiflung nicht noch größer wurde, beschloss ich eine Runde laufen zu gehen. Ich schmiss mich in meine Lieblingssportkleindung. Eine alte, graue, zerschlissene Jogginghose. Sie hatte sogar ein Loch am Knie, aber ich werde sie nie hergeben. Dazu ein weites, viel zu großen schwarzes T-Shirt. Meine Haare band ich zu einem schnellen Dutt und schminkte mich auch noch ab. Sport und Make-Up passten für mich einfach nicht zusammen. Ich schnappte mir mein Handy und die Ohrstöpsel und machte mich auf den Weg, in einen nahe gelegenen Park. Ich lief und lief und lief und vergaß die Welt um mich herum. Leider auch die Zeit, denn ich musste noch einkaufen gehen. Duschen und umziehen ging sich nicht mehr aus, also musste ich wohl oder übel so in den Supermarkt gehen. Ich griff mir meine Geldbörse und ein Stoffsackerl und ging zum nächsten Supermarkt. Dort angekommen nahm ich einen Einkaufswagen und versorgte mich mit den Lebensmittel für die nächsten Tage. Als ich vor den Frühstückscerealien ankam, sah ich am Ende des Ganges zwei Silhouetten. Jetzt sah ich schon Geister. Aber die eine Silhouette sah fast aus wie Dominik. Litt ich jetzt schon unter Verfolgungswahn?

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich eigentlich aussah wie eine Obdachlose. Eine zerrissene Hose, ein viel zu großes T-Shirt und meine Haare standen in alle Richtungen. Ich roch nach dem Sport wahrscheinlich auch wie eine Obdachlose. Verdammt, wenn das wirklich Dominik war und er mich gesehen hatte, hatte ich ein großes Problem. Ich hätte damit gegen eine Regel verstoßen und er würde mich sicher daran erinnern. Der nächste Gedanke schoss durch meinen Kopf. Nicht nur gegen eine Regel hatte ich verstoßen, ich hatte Markus auch nicht gesagt, dass ich laufen gehen würde oder einkaufen. Ich konnte nur hoffen, dass es nicht Dominik war. Und wer war der zweite gewesen?

Schnell sammelte ich die restlichen Lebensmittel ein und ging zur Kasse. Nur unbekannte Menschen kreuzten meinen Weg und ich bezahlte meine Einkäufe. Kurze Zeit später waren eben diese im Kühlschrank verschwunden und ich ging duschen. In dem Moment blinkte mein Handy auf. Ich hatte den ganzen Tag keinen Blick darauf geworfen. Meine Mädels schrieben in unserer WhatsApp-Gruppe.

Sarah: Wie wars Ava?

Miranda: Lebst du noch?

Sarah: Hallo Ava?

Ava: Alles gut Mädels. Ich habe den ersten Tag überstanden.

Nachdem Dominik schon so drauf erpicht war, dass sein Vater nichts erfährt, gilt das wahrscheinlich auch für alle anderen Menschen.

Ella: Hast du hübsche Arbeitskollegen?

Sarah: Egal ob sie hübsch sind, sie müssen nur blond sein für Ava. ��

Miranda: Wenn sie nicht blond sind, gehört einer mir.

Ava: Ja sie sind heiß, ja einer ist blond. Sonst noch Fragen?

Ella: Uh, da ist jemand empfindlich!!

Miranda: Ich nehm einen!

Ava: Ich geh duschen!

Sollten sie sich nur weiter unterhalten. Nachdem ganzen Chaos heute brauchte ich eine warme Dusche und die würde ich mir jetzt gönnen. Danach machte ich mir noch schnell ein Butterbrot mit Schnittlauf, mehr geben meine Kochkünste heute leider nicht mehr her.

Mein Abendprogram für heute bestand aus mir, meinem Sofa und dem Fernseher. Gegen 22 Uhr wurden meine Augen schwer und ich ging ins Bett. Zum Glück war ich sowieso eine Seitenschläferin, ansonsten wäre diese Nacht schmerzhaft verlaufen. Ich stellte mir meinen Wecker für 6 Uhr. Als ich so im Bett lag, schlich sich dieses erdrückende Gefühl in meine Brust und die Dunkelheit kam wieder in meine Gedanken. Eigentlich war es klar, dass nach so einem Tag etwas passieren musste. Meine Vergangenheit war nicht rosarot oder schön oder gerecht. Aber ich hatte mich damit abgefunden. Nur nach manchen Ereignissen holten mich die alten Bilder wieder ein. Ich werde diese Nacht schlafen, aber die Albträume werden sie besitzen. Umso schläfriger ich wurde, umso stärker übernahm die Dunkelheit meine Gedanken und ich erlebte die Situationen von damals. Ich hasste diese Nächte.

Pünktlich um 6 klingelte mein Wecker und ich stand auf. Ich war schon immer ein Frühaufsteher, deswegen machte es mir nichts aus. Mein Kaffee und mein Müsli machten mich dann so richtig munter und ich überlegte was ich heute anziehen soll. Draußen war es ziemlich warm, also zog ich ein Kleid an und heute keine aufreizende Unterwäsche. Heute beschloss ich zu Fuß in die Agentur zu gehen. Es dauerte lediglich 15 Minuten, also zog ich flache Schuhe an und schmiss die High Heels in meine Tasche. Unterwegs kaufte ich mir noch ein Sandwich für zu Mittag und war pünktlich um halb acht in der Agentur.

Markus saß schon im Büro und arbeitete. Er würdigte mich keines Blickes als ich das Büro betrat. Wusste er von gestern? War das wirklich Dominik? Wenn ich in drauf anspreche und er es noch nicht wusste, würde ich mir ins eigene Knie schießen. Sage ich aber nichts und er weiß es, hätte ich ein noch viel größeres Problem. Ich musste das Ganze anders angehen.

Als ich auf meinen Sessel saß, heute war es schon erträglicher, sagte ich vorsichtig:

„Markus, darf ich dich etwas fragen?“

„Immer, was brauchst du?“

„Wie soll ich dich eigentlich erreichen, wenn ich in meiner Freizeit etwas machen will?“

„Entweder du sagst es mir noch während der Arbeit und ICH ENTSCHEIDE DANN, ob du es machst oder du rufst mich an oder schreibst mir.“

Wie kann man um diese Uhrzeit schon so streng sein? Außerdem habe ich keine Nummer von ihm.

„Ich habe deine Nummer nicht.“

„Gib mir dein Handy.“

Ich zögerte kurz, griff aber dann in meine Tasche und zog das Handy heraus. Markus nahm es mir sofort ab und tippte drauf herum.

„Woher weißt du meinen Code?“, ich hatte extra so ein Muster eingestellt, damit man nicht so leicht an meine Daten kam.

„War nicht schwer zu erraten.“

Er gab mir mein Handy wieder und ich ließ es in meiner Tasche verschwinden. Markus schaute mich noch kurz an und sah dann wieder auf seinen Bildschirm. Wusste er es? Verdammt was sollte ich machen? Wie ein kleines Mädchen, dass dem Herrn Lehrer beichten muss, dass es die Hausübung vergessen hat, fing ich an zu stottern:

„Du, ähm, äh, Markus…“

Er fiel mir ins Wort:

„Überleg dir was du sagen willst und dann sprich deutlich!“

Ich atmete tief durch und sprach wie verlangt deutlich:

„Ich glaube, ich habe gestern gegen zwei Regeln verstoßen. Ich war nach der Arbeit noch eine Runde laufen. Dabei vergaß ich die Zeit und hatte keine Zeit mehr vor dem Einkaufen zu duschen, also ging ich gleich so wie ich war. Das mit dem Laufengehen war ganz spontan, ich hatte nicht daran gedacht es dir zu sagen, aber ich hätte es ja auch nicht können und…“

Markus unterbrach mich wieder.

„Dominik hat mir schon erzählt, dass du so eine hübsche Jogginghose besitzt.“ Seine Stimme war fest und die Drohung schwang mit.

Der Verfolgungswahn verschonte mich also noch. Es war tatsächlich Dominik gewesen. Still blieb ich sitzen und wartete auf Markus nächste Handlung.

„Dennoch ich bin froh, dass du mir es freiwillig gesagt hast. Vielleicht fällt deine Strafe dann nicht ganz so schlimm aus“, die strenge in seiner Stimme war wieder da.

„Aber ich hätte es dir doch gestern gar nicht sagen können!“, ich wollte nicht kampflos aufgeben.

In einem Ruck stand er auf und ging langsam um die Schreibtische herum. Er baute sich neben mir auf, griff zu meinem Kinn und zwang mich ihn anzusehen.

„Willst du mit mir jetzt auch noch diskutieren?“, die Drohung lag in der Luft.

„Ich diskutiere nicht, ich sage dir, wie es war.“ Meine Stimme war Gott sei Dank wieder fest. Markus sah wenig begeistert aus. Sein Griff wurde fester:

„Noch ein einziges Widerwort und ich leg´ dich übers Knie.“

„Das machst du ja sowieso! Was hätte ich deiner Meinung nach den sonst tun sollen?“ Klug war meine Aussage nicht, aber es fühlte sich so gut an.

Wortlos, aber mit einer beängstigenden Körperhaltung holte er einen Sessel aus der Ecke, nahm mich bei meinem Handgelenk und zog mich auf seinen Schoß. Im Gegensatz zum letzten Mal versuchte ich mich zu wehren. Aber ich mit meinen 1,60 m Körpergröße und 60 kg Kampfgewicht habe gegen 1,90 m reine Muskeln eher geringe Erfolgschancen. Markus drehte einfach wieder meine Hände auf meinen Rücken und ich lag da wie ein Fisch am Land. Völlig hilflos.

„Weißt du warum ich das mache?“, Markus fragte mit strenger Stimme.

Weil du ein perverses Arschloch bist? Weil du dich daran aufgeilst? Weil du irgendetwas kompensieren musst? Weil du einfach krank bist? Ich hätte viele Antworten für ihn, aber keine davon würde ihm gefallen.

Ich antwortete so, wie es ihm gefällt: „Weil ich gegen Regeln verstoßen habe.“

„Was wird jetzt passieren?“, seine Tonlage blieb gleich.

Musste ich es wirklich noch aussprechen?

„Ich werde bestraft.“

„Braves Mädchen!“

Der erste Schlag folgte, sobald er fertig gesprochen hatte. Es folgte Schlag für Schlag für Schlag. Monoton im selben Rhythmus. Monoton in derselben Stärke. Ich spürte noch die Striemen von gestern. Wenn er die traf, wollte ich am liebsten schreien. Aber diese Genugtuung würde ich ihm nicht gönnen.

„Wie viele Schläge werden es?“, fragte ich zwischendurch.

„Bis du genug hast“.

Markus machte erbarmungslos weiter. Durch mein Kleid hatte ich heute weniger Schutz als gestern, aber zum Glück blieb es an Ort und Stelle. Die Schmerzen wurden aber immer größer und ich konnte nicht mehr still liegen. Meine Beine zappelten, aber das störte Markus nicht. Seine Hand verfolgte weiter den gleichen Rhythmus. Sollte ich etwas sagen, um ihn zu besänftigen? Der Versuch schadet nie. Aber betteln werde ich nicht.

„Markus, ich habe es verstanden. Au, hör bitte auf. Es, au, wird nicht wieder passieren.“ Die Schmerzenslaute zwischendurch konnte ich nicht zurückhalten. Eine Antwort erhielt ich nicht. Stumm machte er weiter und das einzige Geräusch im Raum war das Klatschen.

Oh Gott, hatte er die Scheiben des Büros eigentlich verdunkelt oder sah mich gerade die ganze Etage? Mein Kopf zeigte Richtung Fenster und weg von der Tür. Ich versuchte meinen Kopf zu drehen, aber ich war chancenlos. Ich würde es erst erfahren, wenn Markus irgendwann aufhörte.

Die ersten Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich zuckte bei jedem Schlag zusammen. Wie es aussieht, musste ich doch betteln:

„Bitte Markus hör auf. Ich weiß, dass ich, aua, einen Fehler gemacht habe. Au“, ich zog zwischendurch Luft ein, so groß war der Schmerz.

„Bitte hör auf, es tut mir leid. Es wird nicht wieder passieren. Das ist alles so ungewohnt und neu für mich. Ich versuche es ab jetzt wirklich!“

Als hätte ich nichts gesagt, machte Markus einfach weiter und weiter. Die Tränen konnte ich nun nicht mehr zurückhalten und ließ los. Es war noch keine halbe Stunde an meinem zweiten Arbeitstag vergangen und ich heulte wie ein kleines Kind.

Markus unterbrach den monotonen Rhythmus: „Gegen welche Regeln hast du verstoßen?“

Unter Tränen antwortete ich: „Ich habe dir nicht Bescheid gesagt und sah nicht gerade gepflegt aus.“

„Und?“, fragte er immer noch mit eiskalter Stimme.

In meinem Kopf drehten sich die Gedanken. Was hatte ich gemacht? Welche Regel war denn noch? Während ich überlegte, fing Markus wieder an mich zu schlagen. Wenn mir nicht bald etwas einfällt, habe ich echt ein Problem.

Markus ermahnte mich: „Wenn du die Regeln nicht weißt, haben wir gleich noch ein anderes Problem miteinander.“

Regeln? Verdammt, welche Regeln gab es denn noch? War ich nicht respektvoll zu ihm? Ich habe ihn nur so behandelt, wie er es verdient hat. Soll ich mich dafür entschuldigen?

„Ich habe dich nicht respektvoll behandelt“, ich weinte durchgehen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, fast schon unerträglich. Ich wand mich unter seinem Griff, aber es gibt einfach kein Entkommen.

„Tut es dir leid?“, fragte Markus.

„Dass ich gestern draußen war, ohne dir Bescheid zu geben, ja. Dass ich ausgesehen habe, wie eine Obdachlose, ja. Wie ich vorher mit dir gesprochen habe, nein“, ich wollte ihn einfach nicht anlügen. Das wäre nicht mehr ich, egal in welcher Situation ich bin.

Markus stoppte. Mein Hintern brannte. Tränen flossen immer noch über mein Gesicht.

„Steh auf!“

Markus hätte zum Bundesheer gehen sollen, den Befehlston hat er drauf.

Orientierungslos stand ich auf und sah, dass zumindest die Büroscheibe abgedunkelt war. Wenigstens hatte nicht das ganze Stockwerk davon mitbekommen. Obwohl ich außer den beiden Psychopathen noch keinen meiner Kollegen kannte. Markus stellte den Sessel zurück in die Ecke und kam mir wieder gefährlich nahe. Mit großen Augen sah ich zu ihm auf und suche in seinem Gesicht irgendeine Gefühlsregung. Seine blauen Augen wirkten verschlossen.

„Wieso glaubst du, Kleines, ist es in Ordnung mich respektlos zu behandeln?“, in der Stimme war ein drohender Unterton zu hören. Die Angst kroch von meinem schmerzenden Hintern über meinen Rücken hinauf. Ich blieb aber bei der Wahrheit:

„Respekt bekommt man nicht einfach so, Respekt muss man sich verdienen.“

Sein Blick blieb ausdruckslos. Er drehte sich von mir weg und ging zu meinem Schreibtisch. Dort schnappte er sich den Polster, den er mir gestern gegeben hatte und verstaute ihn im Kasten. Dann schob er meinen Schreibtischsessel auf die Seite und holte den Sessel aus der Ecke. Es war ein einfacher Plastiksessel ohne jegliche Polsterung.

„Pölster muss man sich auch verdienen“, süffisant schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht und er ging zu seinem Schreibtisch, „geh an die Arbeit.“

Er setzte sich an seinen Computer und begann mit seiner Arbeit. Ich stand da wie ein begossener Pudel, völlig verheult und mein Hintern brannte wie Feuer. Sein Ernst jetzt? Aber zwischen meinen Beinen regte sich etwas. Nicht schon wieder. Ich spürte ein bekanntes Ziehen im Unterleib, das ich nur von anderen Situationen kenne. Warum zu Teufel bin ich geil?

Markus Konzentration haftete am Bildschirm und ich würde keines Blickes gewürdigt. Was blieb mir anderes über als mich hinzusetzen und zu arbeiten?

Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ ich mich auf dem Plastiksessel nieder und wusste, dass es ein verdammt langer Tag werden würde.


Warum ich?

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