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»Natürlich«

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VON MARCUS ROHWETTER

DIE ZEIT, 04.10.2012 Nr. 41

Nichts ist natürlicher als die Natur. Das ist schon aus phonetischer Sicht ganz selbstverständlich, und deswegen herrscht darüber ein gesellschaftlicher Konsens. Ebenso akzeptiert ist die Gleichsetzung von natürlich und gut – was schon sehr viel seltsamer ist.

Man kann das immer dann beobachten, sobald die Frage aufkommt, ob Nahrung aus biologischem Anbau gesünder ist als solche aus konventionellem. Dann geht es rund. Als gesichert kann immerhin gelten, dass Biokost besser ist für die Umwelt, und das ist definitiv eine gute Sache. Inwieweit ein monokulturelles Maisfeld überhaupt natürlich sein kann (ob Bio oder nicht), soll jeder für sich selbst entscheiden. Die romantische Verklärung des Natürlichen führt jedoch dazu, dass jeder Lebensmittelhersteller bloß das Wort »Natürlich« auf die Packung drucken muss, damit wir glauben, es handele sich um ein gutes Produkt.

Was ja nicht so sein muss. Baumrinde ist natürlich. Schimmel. Maden. Selbst ein Hundehaufen. Alles pure Natur. Abgesehen davon, ist die Natur gar nicht gut, sondern brutal und echt gemein zu Schwächeren. Lassen Sie sich mal im Amazonasdschungel oder im australischen Outback aussetzen statt im Supermarkt, dann lernen Sie jede Menge fieser Viecher kennen und werden schon sehen.

Übrigens ändern Supermarktkunden ihre positive Einstellung zur Natürlichkeit radikal, sobald sie eine Drogerie betreten. Dann kaufen sie große Mengen chemischer Wunderwaffen, um das zu bekämpfen, was natürlich ist: Falten im Gesicht, Grau im Haar, den eigenen Körpergeruch. Da ist Chemie plötzlich ganz toll, Natur hingegen total doof. Auch das ist sehr seltsam.

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